Bayer-Kläger Edwin Hardeman beim Verlassen des Gerichts in Washington Mitte März.Bild: AP
Gesundheit & Psyche
28.03.2019, 06:3328.03.2019, 07:21
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Der Agrarchemie- und Pharmakonzern
Bayer hat im wichtigen Großprozess um angeblich
krebserregende Produkte der Tochter Monsanto eine herbe Schlappe
erlitten.
- Die Jury des zuständigen Bundesbezirksgerichts in San Francisco urteilte am Mittwoch (Ortszeit), dass Monsanto für Krebsrisiken des Unkrautvernichters Roundup mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat haftbar ist.
- Dem 70-jährigen Kläger Edwin Hardeman steht damit ein Schadenersatz in Gesamthöhe von 80,3 Millionen Dollar (71,4 Mio Euro) zu.
Was war bislang geschehen?
In der vergangenen Woche war die Jury bereits im
vorentscheidenden ersten Teil des Prozesses einstimmig zu dem Schluss
gekommen, dass Roundup als wesentlicher Faktor für die
Lymphdrüsenkrebserkrankung Hardemans einzustufen sei.
In der zweiten
Runde des Verfahrens ging es um die Haftungsfrage und darum, wie viel
Entschädigung dem Kläger zusteht. Die Summe setzt sich zusammen aus
5,3 Millionen Dollar an regulärem Schadenersatz und 75 Millionen an
sogenanntem Strafschadenersatz, der im US-Recht zusätzlich verhängt
werden kann.
Wie reagierte der Konzern?
Bayer zeigte sich enttäuscht und kündigte an, Berufung
einzulegen. Dennoch ändere das Urteil nichts "am Gewicht von über
vier Jahrzehnten umfangreicher wissenschaftlicher Arbeit und den
Schlussfolgerungen von Regulierungsbehörden weltweit, welche die
Sicherheit unserer glyphosatbasierten Herbizide und die
Schlussfolgerung stützen, dass diese nicht krebserregend sind".
Das
Urteil habe keinen Einfluss auf zukünftige Fälle – jedes Verfahren
sei auf Basis der jeweiligen Umstände gesondert zu betrachten.
Warum ist die Entscheidung so wichtig?
Dennoch ist der Fall für Bayer hochbrisant, da es sich um einen
richtungsweisenden "Bellwether Case" handelt. Damit ist im US-Recht
eine Art Musterfall in einem Massenverfahren gemeint. Mehrere dieser
repräsentativen Fälle sind angesetzt. Sie sollen den Streitparteien
helfen, das Ausmaß von Schäden und die Höhe denkbarer
Vergleichszahlungen besser abschätzen zu können. Insgesamt sind bei
dem zuständigen US-Richter Vince Chhabria mehrere Hundert Klagen von
Landwirten, Gärtnern und Verbrauchern gebündelt.
Die Klagewelle gegen Bayer war so richtig ins Rollen gekommen,
nachdem eine Geschworenenjury dem Krebspatienten Dewayne Johnson in
einem anderen Verfahren im August insgesamt 289 Millionen Dollar an
Schmerzensgeld und Entschädigung zugesprochen hatte. Die Richterin
senkte zwar die Strafe gegen den im vergangenen Jahr von Bayer
übernommenen US-Saatgutkonzern Monsanto später auf gut 78 Millionen
Dollar (69 Mio Euro), im Grundsatz änderte sie am Urteil aber nichts.
Bayer hat auch in diesem Verfahren Berufung eingelegt.
Welche Folgen haben die Glyphosat-Klagen für Bayer?
An der Börse steht Bayer wegen der vielen Glyphosat-Klagen in den
USA inzwischen massiv unter Druck. Mittlerweile notiert der
Börsenwert des Konzerns sogar deutlich unter den rund 63 Milliarden
Dollar (56 Milliarden Euro), die die Leverkusener sich den Monsanto-Kauf
hatten kosten lassen.
Anleger und Analysten fragen sich, ob Bayer die
Risiken der bislang teuersten Auslandsübernahme eines deutschen
Unternehmens unterschätzt hat. Trotz aller Probleme verteidigt
Bayer-Chef Werner Baumann die Übernahme. "Der Monsanto-Kauf war und
ist eine gute Idee", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung" (FAS).
Wie geht es jetzt weiter?
Doch das jetzige Verfahren war erst der Anfang: Bis Ende Januar
wurden Monsanto in den USA glyphosatbezogene Klagen von etwa 11.200
Klägern zugestellt. Am heutigen Donnerstag soll bereits ein weiterer
Prozess bei einem Landgericht im kalifornischen Oakland starten.
Die
US-Kläger stützen sich ebenfalls auf diverse Studien, insbesondere
auf die Internationale Krebsforschungsagentur der
Weltgesundheitsorganisation, die Monsantos Unkrautvernichter 2015 als
"wahrscheinlich krebserregend" für Menschen einstufte.
(pb/dpa)