Die Gewalt in deutschen Krankenhäusern nimmt zu. Laut einer Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) von 2024 gaben 73 Prozent der befragten Kliniken an, dass die Zahl der Übergriffe in den letzten fünf Jahren mäßig oder deutlich angestiegen sei. Besonders betroffen sind Notaufnahmen und Pflegekräfte. Einer der Hauptgründe: ein wachsender "Respektverlust" gegenüber medizinischem Personal.
Auch das Klinikum Dortmund spürt die Folgen dieser Entwicklung. Nach einem besonders brutalen Angriff auf eine Mitarbeiterin im März 2024 hat die Klinikleitung Maßnahmen ergriffen, um ihre Angestellten besser zu schützen. Eine davon: Bodycams.
Die Kameras sollen von ausgewähltem Personal in bestimmten Bereichen des Krankenhauses am Körper getragen werden. Michael Kötzing, Arbeitsdirektor des Klinikums, erklärt diese Entscheidung: "Unsere Beschäftigten sind kein Freiwild, es ist unsere Aufgabe, sie so zu schützen, dass sie ihre Arbeit angstfrei ausüben können", sagt er dem "Spiegel". Kötzing ist überzeugt, dass allein die Präsenz von Bodycams eine deeskalierende Wirkung haben kann. Zwar werde das nicht alle Probleme lösen, aber es sei ein wichtiger Schritt.
Gewalt ist in Krankenhäusern keine Seltenheit, doch der Fall aus dem März 2024 war beispiellos brutal: Eine Mitarbeiterin ertappte damals zwei Unbekannte in einem Umkleideraum, als diese gerade Schrankfächer aufbrachen. Die Täter griffen sie daraufhin an, würgten sie bis zur Bewusstlosigkeit. Die Polizei ermittelt wegen Mordversuchs, doch die Angreifer sind noch nicht gefasst.
Solche extremen Vorfälle sind selten, aber Pöbeleien, Bedrohungen und Beleidigungen gehören für viele Krankenhausbeschäftigte zum Alltag.
Neben der geplanten Einführung von Bodycams setzt das Klinikum Dortmund deshalb bereits auf andere Sicherheitsmaßnahmen: Dazu gehören Deeskalationstrainings, Sicherheitskräfte in den Notaufnahmen und die Verteilung von "Alarmeiern" – kleinen Geräten, die einen extrem lauten Alarmton auslösen können. Laut Kötzing waren die ersten 1000 Exemplare innerhalb kürzester Zeit vergriffen, sodass weitere 2000 nachbestellt wurden.
Derzeit stehe die Frage der rechtlichen Machbarkeit von Bodycams im Raum. "Wir eruieren gerade, ob das aus Datenschutzgründen machbar ist, bekommen aber positive Signale dazu und wollen mit einer Pilotphase noch in diesem Jahr beginnen", erklärt Kötzing. Wichtig sei, dass jede Aufzeichnung rechtlich zulässig ist und klar kommuniziert werde, wann die Kameras zum Einsatz kommen. Und: Mitarbeitende sollen frei entscheiden können, ob sie eine Bodycam tragen.
Laut Kötzing sind es fast ausschließlich Männer, die in Kliniken Gewalt ausüben. Eventuellen Debatten zur Herkunft der Täter schiebt er in der Debatte einen Riegel vor: "Es ist völlig unerheblich, wie der Vorname lautet oder wo der Pass ausgestellt wurde." Viele der 5500 Angestellten des Klinikums, die aus 70 verschiedenen Nationen stammen, seien betroffen.
"Wer da etwas anderes hineininterpretieren will, weiß nichts von der Realität in unseren Notfallaufnahmen", stellt er klar.
Dass sich der Ton gegenüber medizinischem Personal verschärft hat, zeigt eine besonders bedrohliche Erfahrung: Mitarbeitende berichten, dass ihre Namensschilder abfotografiert wurden, begleitet von Aussagen wie: "Ich weiß, wie du heißt, ich weiß, wie du aussiehst, wir sehen uns draußen." Für Kötzing ist in Anbetracht dessen klar: Wegsehen ist keine Option.