Die Social-Media-Plattform Onlyfans ist längst nicht mehr nur Freunden der Erotik ein Begriff. Seit bekannt ist, wie populär die Seite unter Influencern zum Zweck der Selbstvermarktung ist, fürchtet so manch ein Elternteil um die Tugend des eigenen Teenies. Denn Selbstvermarktung meint hier nicht nur Klicks oder Werbung, sondern das Geldverdienen mit dem eigenen Körper. Vorzugsweise nackt oder zumindest spärlich bekleidet.
Bonny Lang ist eine erfolgreiche Creatorin auf Onlyfans. Auf ihrem Profil ist sie meistens alleine zu sehen. Manchmal gibt es Fotos mit anderen Erotik-Models, nie aber mit Männern. Der Fokus liegt auf ihr.
Schließlich sollen die Leute gezielt ihr folgen. Denn es gibt keinen "Explore-Feed" wie auf Instagram, es werden einem keine Inhalte irgendwelcher Accounts vorgeschlagen.
Der persönliche Bezug des Nutzers zum Darsteller sei das Erfolgsrezept, erklärt der Onlyfans-Star: "Die meisten meiner Abonnenten kommen von einem meiner Social-Media Kanäle und wünschen sich, mehr von mir zu sehen", sagt Bonny im Gespräch mit watson.
Dass die Plattform Onlyfans seit der Gründung immer mehr an Popularität gewinnt, liegt nicht zuletzt an den Vorteilen für die Darstellerinnen – wie beispielsweise die alleinige Kontrolle über veröffentlichte Medien.
Ist OnlyFans also die emanzipatorische Antwort auf ausbeuterische Agenturen und gierige Manager in der Erotikszene? watson hat mit Lang, einer Sexualpsychologin und einer Expertin zu feministischem Porno darüber gesprochen.
"Ich hatte vorher schon Bilder auf anderen Plattformen verkauft", sagt Bonny Lang. "Ich bin erst Anfang 2020, also mit Beginn der Pandemie, dort eingestiegen." Sie lobt die Kreativität und den Spielraum, den ihr Onlyfans bietet. Neben Fotos und Videos bietet Bonny auch Dirty Talk oder Dick Ratings an." Letzteres heißt konkret: "Ich schreibe eine Bewertung, eine Art kleinen Aufsatz, über den Penis des Zahlenden."
Diese und andere Services erlauben ihr regelmäßige Umsätze in fünfstelliger Höhe. 50.000 Dollar Umsatz im Monat sind für Bonny nicht selten. "Auch wenn das zuletzt stark geschwankt hat", sagt sie, während sie im Gespräch ihre Kontoauszüge offenlegt.
"Heute bekommst du mit zwei Klicks mehr Porno kostenlos zur Verfügung gestellt, als du schauen kannst", sagt Madita Oeming zu watson. Die Kulturwissenschaftlerin nennt sich selbst "Pornowissenschaftlerin". Sie forscht und lehrt zu Pornografie in unserer Gesellschaft und hält zu der Thematik regelmäßig Vorträge an Universitäten. Sie sagt:
Warum so viele Menschen bereit sind, den Darstellerinnn auf Onlyfans viel Geld zu bezahlen, weiß die Sexual- und Paartherapeutin Nicole Kienzl: "Kostenlos angebotenes ist meist nicht so spannend. Mit privaten Nacktbildern macht man sich angreifbar, verletzlich. Das wissen auch die zahlenden Personen. Das macht wahrscheinlich den besonderen Kick aus", sagt sie gegenüber watson.
Positiv für die Erotik-Influencer ist, dass alle Bild- und Videorechte bei den Profilinhabern liegen. Downloads sind nur mit Wasserzeichen möglich. Sollte doch mal ein Foto auf einer anderen Webseite erscheinen, hat Bonny vorgesorgt: Sie arbeitet mit einer Firma zusammen, die das Internet gezielt nach ihrem Gesicht durchsucht und die Fotos löschen lässt.
Darüber hinaus lockt der finanzielle Vorteil und die Unabhängigkeit von Agenturen oder Managern. "Ich bin komplett selbstbestimmt und habe niemanden, der über mir steht. Ich kann entscheiden, wann und wie viel ich arbeite. Aber natürlich gilt wie bei allen Selbstständigen: Je mehr ich arbeite, desto mehr verdiene ich", sagt Bonny.
Die Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming sieht darin eine neue Möglichkeit zur Selbstermächtigung. Frauen und Männer auf Onlyfans seien unabhängig von Studios oder Produzenten und hätten volle Kontrolle über ihre Inhalte und Preise. Und auch im Profit stecke emanzipatorisches Potential. "Eigenständig diese Mengen an Geld zu verdienen, kann einen auch vor finanziellen Abhängigkeiten und toxischen Beziehungen bewahren."
Doch wie feministisch kann es sein, Bilder des eigenen Körpers zu verkaufen? Madita Oeming sagt:
Bonny sieht das ähnlich: "In jedem Job verkauft man einen Teil von sich, auch wenn es nicht der Körper ist, sondern die individuellen Fähigkeiten. Ich habe vorher als Mechanikerin gearbeitet und da haben mich die Leute ja auch nicht auf meine Teamfähigkeit reduziert, sondern da waren meine Kompetenzen im Handwerk gefragt."
Madita Oeming sehe "absolut feministisches Potenzial" in der Plattform. "Für mich ist relevant, wie eigenmächtig diese Person über die Inhalte entscheiden kann. Und wenn jemand zum Beispiel aus der Pornoindustrie kommt und vorher in einem großen Studio gearbeitet hat, dann gab es da womöglich Abhängigkeitsverhältnisse, die Onlyfans auflösen konnte." Diese Perspektive zeige deutlich das befreiende Potenzial.
Oeming findet, dass bei OnlyFans zu oft das Opfer-Narrativ bedient werde. Also dass sich Frauen aus Perspektivlosigkeit gezwungen fühlen, sich auszuziehen. Die Möglichkeit, dass eine Frau das gerne machen könnte, vielleicht sogar selbst Lust dabei verspüre, wird bei dieser Sichtweise nicht mitgedacht. "Kein Wunder", meint Oeming, "denn wir tun uns als Gesellschaft noch immer schwer, Frauen als eigenständige sexuelle Subjekte zu begreifen."
Das bestätigt auch Bonny: "Ich habe nicht aus einer Not heraus mit OnlyFans angefangen. Ich mache das, weil ich es möchte."
Für Bonny spielt noch ein weiterer Aspekt eine wichtige Rolle: Onlyfans habe ihr in puncto Körpergefühl eine Menge gegeben. "In der Vergangenheit hatte ich große Probleme mit meinem Selbstbewusstsein, gerade in Bezug auf normschöne Figuren und Idealgewicht. Wenn ich dann Komplimente für Körperteile bekomme, die ich selbst gar nicht mag, ist das einfach ein wunderschönes Gefühl."
In der Diskussion um Onlyfans fehlt der Kulturwissenschaftlerin Oeming oft ein zentraler Punkt: