Die Hälfte der deutschen Gaming-Szene ist weiblich - doch weniger als 5 Prozent der eSport-Profis sind Frauen. Woran liegt das?Bild: iStockphoto / LightFieldStudios
Interview
31.10.2021, 10:1211.06.2024, 10:20
Über die Hälfte der Deutschen spielt Computer- und Videospiele – ganze 48 Prozent davon sind Frauen. Schätzungsweise sind allerdings weniger als 5 Prozent der eSports-Profis weiblich. Leider gehören in der nach wie vor männlich geprägten Szene sexistische Kommentare, Anfeindungen und Beleidigungen zum Alltag vieler Gamerinnen. Dieses Problem anzugehen, und auch das Geschlechter-Ungleichgewicht zu ändern, macht sich die 2021 gegründete Initiative Equal eSports zum Ziel: Sie macht sich für mehr Gleichberechtigung und Diversität im Gaming stark – sowohl im Profibereich als auch in der Gamer-Szene.
Vergangenes Wochenende fand in Berlin das erste Equal eSports Festival statt. Partner der Telekom-Initiative sind die führenden eSports-Organisationen SK Gaming und die esports player foundation, die Sportförderung für den eSports in Deutschland. Am Festival teilnehmen werden eSport-Profis und auch Sportler und Sportlerinnen aus dem klassischen Profisport. watson hat vor dem Festival mit Lisa Völkel gesprochen. Sie ist Mitglied im eSports-Council, des eSports Research Network (ERN) und forscht im Rahmen ihres Masterstudiums am Lehrstuhl für Personalmanagement und Organisation der Universität Siegen zum Thema eSport.
Lisa Völkel hat ihre Leidenschaft für den eSport in ein Uniliga Team verwandelt und ist so Mitgründerin der Siegen Bisons geworden. Sie ist zudem Mitglied des Esports Research Networks, Teil des Equal Esports Councils und als Streamerin aktiv. bild: lisa völkel
watson: Wie bist Du zum eSport gekommen?
Lisa Völkel: Zum eSport gekommen bin ich über meine Stelle am Lehrstuhl. Denn an meinem Lehrstuhl wird tatsächlich zu eSport geforscht. Ich bin zwar selbst im Gamingbereich aktiv, also ich habe halt selber gezockt. Aber mir war nicht bewusst, dass eSport auch als Forschungsbereich existiert, und dann auch noch an einem Lehrstuhl für Personalmanagement. Das war schon witzig. Über die Arbeit hatte ich die Gelegenheit, da reinzuschauen und das für mich als Forschungsfeld zu entdecken. Und darüber habe ich auch die Leidenschaft für den eSport entwickelt. Diese Leidenschaft habe ich dann später mit der Gründung der Siegen Bisons in ein universitäres eSports-Team verwandelt.
watson: Was ist für dich der Reiz am eSport, als Spielerin und als Forscherin?
Ganz klar die Leidenschaft, mit der die Leute dabei sind. Als Zuschauerin finde ich es sehr faszinierend, wie schnell da gespielt wird. Bei Events sehen Spieler den Gegenspieler, bevor ich überhaupt etwas gesehen habe. Das Ganze ist aber auch aus einer wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive interessant. Der eSport konnte sich lange Zeit sehr ungehindert, unter dem Radar, entwickeln. Und im Prinzip sind das ja alles Organisationen im Sport. Der Unterschied ist spannend: Zwischen einer eSport-Organisation, die sich ohne Umwelteinflüsse entwickelt hat und den Organisationen im klassischen Sport. Dazu gehören im Übrigen auch, sich die mentale Gesundheit von Spielern im Vergleich zu betrachten, und auch der Talentlebenszyklus. eSportler und eSportlerinnen haben eine relativ kurze Zeit, in der sie die nötige Schnelligkeit in der Reaktion mitbringen. Mit 25 Jahren hat man da schon seinen Zenith als Sportler überschritten. Und dann muss man sich als Profi überlegen: Was mache ich danach? Kann ich Coach oder Kommentator werden? Oder schaffe ich es, noch während meiner Profi-Karriere nebenher zu studieren?
watson: Du hast die Leidenschaft für den eSport, bist aber selbst nicht professionell eingestiegen. Warum nicht?
In meiner Kindheit habe ich auch schon gern ich Mario Kart auf unserem Game Cube gezockt. Aber das professionell verfolgen? Indirekt war das immer so: Mädchen zocken ja nicht. Das Bild war in der Familie und in der Gesellschaft so. Ich hatte vielleicht Interesse daran, habe mich aber nie getraut, dem nachzugehen. So richtig habe ich deshalb erst mit 18 Jahren angefangen zu spielen. Und das ist dann einfach viel zu spät für eine Profikarriere. In meinen Lieblingsspielen wie "Valorant" bin ich deshalb einfach nicht gut genug. Ich mache das unendlich gern, aber zu schlecht, als dass ich das kompetitiv verfolgen könnte.
watson: Es gibt ja viele engagierte Frauen im Gaming, aber doch nur sehr wenige im Profibereich. Liegt das an den Frauen selbst, an der sozialen Prägung, wie Du das in Deinem Fall schilderst? Oder gibt es noch andere Gründe?
Das liegt, denke ich, in den Anfängen der Szene in den 90er Jahren begründet. Da hat sich die Gaming-Szene zunächst als Domäne junger Männer etabliert. Als sich die Szene öffnete und mehr Menschen technisch Zugriff darauf hatten, haben auch Frauen angefangen, sich dafür zu interessieren. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich aber in der Gaming-Bubble schon ein gewisses Männerbild verfestigt, das des männlichen Geeks. Unterbewusst versuchten sich die Mitglieder in dieser Außenseiter-Szene, kreiert von Männern für Männer, vor neuen "Eindringlingen" zu schützen. Aus diesem "Schutzmechanismus" sind dann negative Effekte wie Sexismus und Misogynie hervorgegangen, die zum Teil bis heute bestehen. Durch die recht junge Szene des eSport gibt es aber heute die Chance, dieses Problem in den Griff zu bekommen.
watson: Hast Du selbst auch schon Beispiele von Sexismus im eSport erlebt?
Klar, sexistische Kommentare habe ich auch schon mitbekommen. Es geht eigentlich immer in zwei Richtungen: Während des Spiels fallen dumme Sätze wie "Ach, du bist ne Frau, geh zurück in die Küche" oder "Zeig mir Deine Brüste". Und wenn man irgendwelche Erfolge erzielt, wird das dann nicht auf die Leistung im Spiel zurückgeführt, sondern darauf, dass man eine Frau ist. Das zielt darauf ab, dass man seinen Körper eingesetzt hat, dieses Ziel überhaupt zu erreichen. Und das empfinde ich persönlich als verletzender. Dass die eigenen Fähigkeiten zunichtegemacht werden und man kleiner gemacht wird, als man ist.
"Wenn man gefrustet ist, und jemand anderen deshalb beleidigen möchte, dann zielt man auf den Schwachpunkt des Gegenübers."
watson: Kann man als Frau denn im eSport seinen Körper überhaupt einsetzen?
Keine Ahnung, wie das gehen soll. Also wenn man das auf Twitch bezieht, als Streamerin, vielleicht dass man sein Dekolleté zeigt und der Erfolg aufgrund der äußeren Erscheinung entsteht, nicht aufgrund der Inhalte.
watson: Entstehen diese Kommentare aus Frust darüber, dass eine Frau in diesem Bereich Erfolg hat?
Ich kann natürlich nicht reinschauen in das Gehirn desjenigen, der solche Kommentare von sich gibt. Aber ja, ich denke schon. Wenn man gefrustet ist, und jemand anderen deshalb beleidigen möchte, dann zielt man auf den Schwachpunkt des Gegenübers. Männliche Spieler untereinander beleidigen sich auch manchmal homophob, das geht natürlich auch nicht.
watson: Gibt es Spiele, in welchen die Stimmung in der Community rauher ist als in anderen?
Welches Spiel relativ bekannt dafür ist, dass die Community generell relativ toxisch ist, ist "League of Legends".
watson: Wie reagieren Männer offline, wenn Sie hören dass Du im eSport aktiv bist?
Eigentlich meist positiv. Nur manchmal höre ich dann: "So siehst Du ja gar nicht aus, hätte ich nicht gedacht." Ich denke mir dann immer: Wie sollte ich denn aussehen, dass ich in Dein Bild passe?
watson: Siehst Du einen Unterschied zwischen den Reaktionen on- und offline?
Ja, ich hatte den Fall, als ich bei mir im Stream über die Equal eSport-Initative gesprochen habe. Da kam dann jemand in den Stream, der mir erklären wollte, wie es so läuft im eSport-Bereich. Da hab ich dann schon gesagt: "Entschuldigung, ich weiß das vielleicht ein bisschen besser als du." Online ist es halt immer einfacher, sich hinter der Anonymität im Netz zu verstecken, als etwas von Angesicht zu Angesicht sagen zu müssen. Ein generelles Problem im Internet. Deshalb finde ich die Initiative auch so spannend. Denn der eSport als Teil des Gamings ist ja ein nur winziger Teil des großen, weiten Internet, in dem wir vielleicht auf diese Art etwas ändern können.
Denn wenn man in einem kleinen Bereich anfängt, kann man die Leute vielleicht besser erreichen. Und dann hoffentlich nehmen die Menschen diese Erkenntnisse auch mit in andere Lebensbereiche außerhalb des Netzes.
Aktuell häufen sich die Meldungen von nachgewiesenen Polioviren in Klärwasser. In sieben deutschen Städten werden regelmäßig entsprechende Tests durchgeführt – und in allen sieben Städten wurden die Viren nachgewiesen. Betroffen sind demnach Mainz, Hamburg, Dresden, Düsseldorf, Köln, Bonn und München.