Die bundesweite Corona-Inzidenz sinkt weiter: Inzwischen liegt sie bei 16,6 neuen Fällen auf 100.000 Menschen. Gesundheitsminister Jens Spahn verkündete am Montag gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, man müsse über die Aufhebung der Maskenpflicht im Außenbereich nachdenken. Gerade mit dem Gedanken an den bevorstehenden heißen Sommer dürfte diese Lockerung viele Menschen freuen.
Damit würde Deutschland den Weg Dänemarks beschreiten: Dort müssen Bürger und Bürgerinnen künftig nur noch im öffentlichen Nahverkehr Masken tragen – und das auch nur, wenn sie keinen Sitzplatz haben. Dabei ist die Inzidenz dort mit 58,7 höher als in Deutschland, Tendenz sinkend. Ist das ein vorstellbares Szenario für Deutschland?
Der Epidemiologie Martin Scholz hält Lockerungen wie das Aufheben der Maskenpflicht im Freien derzeit wegen der geringen Ansteckungsgefahr an der frischen Luft ebenfalls für vertretbar. "Eine Ausnahme wären vielleicht sehr enge Menschenansammlungen", erklärt der Professor am Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie der Universität Leipzig gegenüber watson.
Innerhalb von Räumen allerdings sehe die Situation anders aus. Mit Blick auf die seit Monaten berücksichtigten AHAL-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken, Lüften) zur Corona-Eindämmung meinte Scholz: "Hier sollten nicht gleichzeitig AHAL und Schnelltests wegfallen, vor allem, wenn viele Menschen aufeinandertreffen. Die Impfkampagne verläuft zwar zufriedenstellend, ist aber noch nicht abgeschlossen. Es sind noch zu viele ungeschützt", sagt er gegenüber watson.
Um die Maskenpflicht generell aufzuheben, solle man bis zum regulären Ende der Impfkampagne warten, meint der Epidemiologe aus Leipzig. Gleichzeitig gibt er zu bedenken:
Dieser Personenkreis sei weiterhin gefährdet.
Werde man jetzt unvorsichtig, könne sich die Pandemielage rapide verschlechtern: "Man kann deshalb einige, aber nicht alle Maßnahmen aufheben. Wenn man jetzt schon alle Maßnahmen aufhebt, wäre nach unseren Modellprognosen ein Wiederanstieg wahrscheinlich. Wir müssen noch den Abschluss der Impfkampagne abwarten. Das wird in 2-3 Monaten der Fall sein", so Scholz.
Viele Politiker und Politikerinnen äußerten sich ebenfalls positiv zum Vorschlag, die Maskenpflicht im Freien aufzuheben. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte am Sonntag erstmals die Länder aufgefordert, die weitere Maskenpflicht – auch mit Blick auf die Schulen – zu überprüfen und damit die Diskussion in Gang gesetzt. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FPD) schlug sogar die volle Aufhebung der Maskenpflicht, drinnen wie draußen, vor. Er zweifelte die gesetzliche Grundlage für eine Maskenpflicht bei einer Inzidenz unter 35 an.
Spahn mahnte weiterhin zur Vorsicht. Der Bundesgesundheitsminister plant eine stufenweise Lockerung der Maskenpflicht: Dies sei zunächst nur im Außenbereich und mit genügend Abstand zwischen den Menschen möglich.
In Regionen mit sehr niedriger Inzidenz und einer hohen Impfquote sei es aber denkbar, die Masken nach und nach auch drinnen abzunehmen. "Als Empfehlung bleibt in jedem Fall eine einfache Regel: im Zweifel mit Maske – besonders beim Reisen und bei Treffen in Innenräumen. Mehr Sicherheit gibt es nur, wenn alle Anwesenden entweder geimpft oder regelmäßig getestet sind", sagte Spahn der Funke-Mediengruppe.
Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte, der in der Coronakrise mit seinen Prognosen und Einschätzungen oft richtig lag, stimmte der Lockerung der Maskenpflicht draußen unter bestimmten Voraussetzungen zu: "Die Maskenpflicht im Außenbereich ist in der Tat zum jetzigen Zeitpunkt bei der niedrigen Inzidenz für viele Bereiche nicht mehr sinnvoll", sagte er heute in der TV-Sendung "ZDF-Morgenmagazin".
Lauterbach geht sogar noch weiter: "In Gegenden, wo tatsächlich die Inzidenz einstellig ist, da kann man auch in den Innenräumen vorsichtig die Maskenpflicht lockern."
Mehr Normalität im Alltag ist demnach in greifbarer Nähe. Die generelle Aufhebung der Maskenpflicht auch in Innenräumen – ausgenommen Großveranstaltungen – ist laut Lauterbach aber erst denkbar, wenn wirklich 70 Prozent der Erwachsenen geimpft seien. Er reagierte auf Twitter gereizt auf Kubickis Drängen auf ein komplettes Ende der Maskenpflicht.
Auch bei der Maskenpflicht für Schülern und Schülerinnen bleibt er hart. Denn, so Lauterbach, "für das noch laufende Schuljahr wäre es nicht schön, wenn sich die Kinder infizieren würden kurz vor den Sommerferien".