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Bafög, Wohnung, Mental Health: Sozialerhebung zeigt Kluft zwischen Studierenden

An der Universität treffen viele verschiedene soziale Milieus aufeinander.
An der Universität treffen viele verschiedene soziale Milieus aufeinander. Bild: iStockphoto / gorodenkoff
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Bafög gegen Eigenheim: Neue Umfrage zeigt Reichtums-Kluft zwischen Studierenden

25.05.2023, 15:13
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Studieren ist in Deutschland längst nicht mehr etwas, dass nur Kindern aus der Oberschicht vorbehalten ist. Eigentlich ist das ja eine sehr gute Entwicklung – doch viele Studierende bekommen keine finanzielle Unterstützung von zu Hause. Sie studieren zwar, kämpfen aber während ihres gesamten Studiums darum, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Bafög und Studienkredite sind da oft nicht ausreichend, um den zunehmend teuren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Die Mär vom Allzeit-Pleite-Studenten stimmt aber nicht so pauschal, wie eine aktuelle Sozialerhebung des Studierendenwerks jetzt zeigt.

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Die Lebenswelten der deutschen Studierenden unterscheiden sich teilweise extrem.Bild: dpa / Rolf Vennenbernd

18.000 Studierende von 250 Hochschulen wurden in der 22. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks (DSW) zu ihrer finanziellen, sozialen und gesundheitlichen Situation befragt. Die Befragung fand 2021 statt, nun sind die Ergebnisse da.

Sie zeigen: Die Spannbreite der Lebenswelten unter jungen Studierenden ist relativ groß. Watson stellt die spannendsten Erkenntnisse der Umfrage vor.

Bafög-Bezieher in der Minderheit

Im Durchschnitt haben jungen Studierende in Deutschland 1100 Euro pro Monat zur Verfügung, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Dazu gehören Dinge wie Miete, Semesterticket, Essen, Kleidung und natürlich auch Freizeitausgaben wie für einen Kinobesuch. Elf Prozent der Studierenden geben in der Sozialerhebung an, sie wüssten nicht, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen, doch erstaunlicherweise beziehen nur 9,8 Prozent der jungen Menschen Bafög.

Dies könnte daran liegen, dass das Bafög mit viel bürokratischem Aufwand verbunden ist und oft ohnehin nicht für die Lebenshaltungskosten ausreicht. In den vergangenen zehn Jahren sank die Anzahl der Bafög-Empfänger:innen kontinuierlich. Im Jahr 2020 bezogen nur noch elf Prozent der Studierenden die Unterstützung.

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Die Politik beschloss darum eine Bafög-Reform, die zum Wintersemester 2022 in Kraft trat. Darunter eine Anhebung des Förderungshöchstsatzes, der Einkommensfreigrenze der Eltern und des eigenen Vermögensfreibetrags, sowie der Altersgrenze.

Jede:r zehnte Studierende wohnt in eigener Immobilie

Studierende geben in der aktuellen Sozialerhebung an, durchschnittlich 410 Euro für ihre Miete auszugeben, der Betrag schwankt jedoch stark. Die Miete ist für Studierende immer noch der höchste Kostenpunkt und scheint weiter anzusteigen. Die Erhebung fand schließlich im Sommer 2021, vor der Inflation und Energiepreis-Krise, statt. Das Bafög sieht für die Miete aktuell nur 360 Euro vor.

Dagegen wohnen ganze zehn Prozent der Studierenden sogar in einer eigenen Immobilie und müssen daher gar keine Miete zahlen.

Die Mehrheit von 28 Prozent wohnt aber in einer WG, 18 Prozent im Wohnheim und 27 Prozent zusammen mit dem oder der Partner:in. Jede:r vierte (24 Prozent) Studierende wohnt noch bei den Eltern und spart sich somit meist ebenfalls die Mietzahlung.

Freunde essen gemeinsam Spaghetti mit Tomatensauce in der Küche einer WG
WGs sind bei Studierenden besonders beliebt, um Miete zu sparen.Bild: Zoonar.com/Robert Kneschke

Von wegen faule Studenten

Laut Sozialerhebung sind deutsche Studierende ziemlich fleißig: So arbeiten ganze 63 Prozent von ihnen neben ihrem Studium, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Zahl klingt hoch, liegt tatsächlich aber fünf Prozent unter dem Wert der letzten Sozialerhebung. Ob der Rückgang daran liegt, dass während der Corona-Krise viele Studentenjobs weggebrochen sind, wurde nicht ermittelt.

Mental-Health-Krise an der Uni

In Sachen psychischer Gesundheit sieht es an deutschen Unis nicht gerade rosig aus. Die Nachfrage bei den psychosozialen Beratungsstellen der Studierendenwerke ist laut des DSW-Vorstandsvorsitzenden Matthias Anbuhl erheblich gestiegen. Er spricht von einer "Mental-Health-Krise" im deutschen Hochschulsystem: "Die Pandemie-Semester fordern ihren Tribut." Die Dauer der Wartezeiten auf eine psychologische Betreuung hätten sich mancherorts vervierfacht.

Die hohe Nachfrage ist nicht verwunderlich: Ganze 24 Prozent der Studierenden bezeichnen sich hinsichtlich ihrer Psyche als gesundheitlich eingeschränkt – 16 Prozent sogar so stark, dass ihr Studium beeinträchtigt wird.

Obwohl diese Zahl angestiegen ist – 2016 betrug der Prozentsatz derjenigen, deren Studium unter psychischen Problemen litt nur elf Prozent – geht es drei Viertel der Studierenden immer noch gesundheitlich "gut" oder "sehr gut".

Anbuhl fordert in einem öffentlichen Statement von der Bundesregierung den Ausbau der psychosozialen Beratung der Studierendenwerke für zehn Millionen Euro über die kommenden vier Jahre.

Studierende sind meistens in Beziehungen

War es das etwa mit dem wilden Studentenleben? Scheinbar wollen Studierende heutzutage eher eine feste Bindung statt wilde Partys und Fremdknutschen. Laut Sozialerhebung sind rund 42 Prozent der Studierenden in einer festen Partnerschaft. Knapp zehn Prozent sind sogar bereits verheiratet, diese sind dann aber auch schon deutlich älter als der Normalstudent.

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Studierende wollen Netflix & Chill mit dem Partner statt wilder Semesterparty.bild: pexels / Pavel Danilyuk

Studierende haben auch Care-Aufgaben

Studium, Job und Care-Arbeit: Fast 12 Prozent der Studierenden müssen neben ihrem Studium noch Pflegeaufgaben in ihrem privaten Umfeld stemmen. Die Betroffenen sind im Schnitt aber etwas älter als diejenigen Studierenden ohne Pflegeaufgaben.

Da rund acht Prozent der Studierenden bereits Kinder haben, beinhaltet diese Care-Arbeit nicht nur die Pflege etwa der eigenen Eltern oder Angehörigen, sondern auch die Kinderbetreuung. Nach Geschlecht aufgeschlüsselt, sind es häufiger weibliche (9,2 Prozent) als männliche Studierende (6,5 Prozent), die Kinder haben.

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