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Sexismus im Gaming: Die Branche hat das Problem selbst verursacht

An attendee dressed as Lara Croft from Tomb Raider poses during New York Comic Con at the Jacob K. Javits Convention Center on Thursday, Oct. 12, 2023, in New York. (Photo by Charles Sykes/Invision/AP ...
Weibliche Hauptfiguren wie Lara Croft sind oft die Ausnahme.Bild: Invision / Charles Sykes
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Sexismus im Gaming: Seit Jahren ein Problem – wie lässt es sich bekämpfen?

Seit es Gaming gibt, werden Spielerinnen sexistisch attackiert. In den vergangenen Jahren hat sich das nicht geändert. Die Ursache der Anfeindungen liegt in der Branche selbst.
14.06.2025, 13:1214.06.2025, 13:12
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Gaming hat ein Hass-Problem. Ein trauriger Einstiegssatz. Traurig, weil er auch nach Jahren nicht an Gültigkeit verliert. Im Gegenteil. Communitys sind weiterhin Kakteenwüsten, in denen jeder Fehltritt zu Schmerzen führt, vor allem, wenn Frauen mitspielen.

48 Prozent der Spielerinnen werden in Online-Games schlicht aufgrund ihrer Identität angefeindet, zeigt eine Studie der Anti-Defamation League im vergangenen Jahr. Bisher deutet wenig auf ein Ende der Beleidigungen hin. Das Feuerwerk zündet, sobald Frauen ins Spiel kommen. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Um das Problem zu lösen, braucht es also einen orchestrierten Wandel in vielen Bereichen.

Frauen hatten in Videospielen zu lange nur eine Rolle

Männer dominierten lange Zeit Gaming-Welten. Stereotype waren die Norm, Motive wiederkehrend. Populäre Spiele funktionierten nach einer simplen Formel: Männer (stark!) sind die Helden, Frauen (zart!) sind die Opfer. Sie gilt es zu retten und am Ende gibt es für die Arbeit (hart!) Sex – oder zumindest einen Kuss für die Overachiever.

"Duke Nukem", "Serious Sam", "Doom", "Call of Duty", "Far Cry", sogar harmlose Spiele wie "Zelda" und "Super Mario" bedienten sich, zumindest in Teilen, an dieser Formel. Weibliche Hauptfiguren wie Lara Croft ("Tomb Raider"), Samus Aran ("Metroid") oder Jill Valentine ("Resident Evil") lassen sich maximal unter exotische Ausreißer verbuchen.

"Gaming war in den 90er- und den Nullerjahren deutlich stärker auf männliche Zielgruppen zugeschnitten", sagt Mick Prinz, der sich bei der Amadeu Antonio Stiftung mit Hass in der Videospielcommunity beschäftigt, gegenüber watson. Publisher und Studios kultivierten über Jahre einen Boys-Only-Club. Jedoch nicht nur über die Figuren.

Videospiel-Marketing: eine Shitshow

Videospielunternehmen bemühten sich ohnehin nicht, ein großes Publikum anzusprechen. Sie schnitten ihre Werbung auf männliche Kundschaft zu. In den Neunzigern, der großen Zuckerschock-Ära, hampelten Jungs und Männer gameboyspielend durch die Pampa, ein Mann kommentierte im Hintergrund mit coolgepitchter Stimme und die Frauen? Putzten, redeten gelegentlich, waren aber nie selbst als Spielerinnen aktiv.

In den Nullerjahren blieb das Problem bestehen, etwa in Werbeclips zur Gamecube, zur Playstation 2, zur Xbox. Ein ellenlanger Rattenschwanz. Selbst wenn Entwickler:innen Spiele veröffentlichten, die nicht eine Mann-Rettet-Frau-Geschichte erzählten, war das Marketing doch auf Männer zugeschnitten. Clips zu Rennspielen wie "Wave Race" oder "Mario Kart", aber auch "Pokemon" zeigten nur Männer in Aktion.

Unternehmen setzten so Grenzen. Wer spielt, ist ein Mann, sollten viele daran ablesen. Gab es Spielerinnen, waren sie lediglich die belächelten Besucherinnen einer Welt, in der sie nach Auffassung der vermeintlichen Bewohner nicht hingehörten.

Das entwickelte sich zu einer regelrechten Ablehnung, die Männer künftig online in ihre Headsets oder in flapsigen Kommentaren krakeelten. Einige von ihnen konnten es sogar zu gewisser Prominenz bringen, die ablehnende Ansichten gegenüber nicht-männlich gelesenen Personen stärkten. MontanaBlack ist da das wohl bekannteste Beispiel. Sexistische Takes sind sein Unique-Selling-Point, auch wenn er diesbezüglich heute ruhiger zu sein scheint.

MontanaBlack beim OMR Festival 2023 in den Messehallen. Hamburg, 09.05.2023 *** MontanaBlack at the OMR Festival 2023 at the Messehallen Hamburg, 09 05 2023 Foto:xgbrcix/xFuturexImage
Streamer MontanaBlack befeuerte das Problem mit sexistischen Takes.Bild: IMAGO/Future Image

Weiblich gelesene Personen stehen dann dieser geballten Breitbeinigkeit auf großen Streamingplattformen wie Twitch gegenüber, aber auch in Online-Games. "Vor allem weibliche Creator:innen und Gamer:innen berichten regelmäßig von unzähligen toxischen Nachrichten in Ingamechats", sagt Mick Prinz. Traurige Höhepunkte sind da die Online-Belästigungskampagne GamerGate und der Endlos-Streit zwischen Streamerin Shurjoka und MontanaBlack.

Es gibt einen Wandel in der Gaming-Branche

Die Ablehnung gegenüber allem Nicht-männlichen (und Nicht-heterosexuellen) ist offensichtlich nichts Natürliches. Es ist etwas, dass die Branche selbst geschaffen hat. Mittlerweile hat sich aber auch etwas getan, sehr gut ablesbar an CD Projekt.

In der "Witcher"-Reihe waren Frauen lange noch Trophäen, die es zu erobern galt. Im deutlich aktuellen "Cyberpunk 2077" änderte sich das. Spieler:innen konnten das Geschlecht ihrer Figur selbst bestimmen, zudem nicht ausschließlich heterosexuelle Beziehungen eingehen.

Wenngleich es hier noch an einer non-binären Option fehlt. Larian wagte mit dem Rollenspiel-Meisterwerk "Baldurs Gate 3" einen deutlichen größeren Sprung nach vorne.

Es gibt außerdem mehr weibliche Hauptfiguren, gelegentlich ersetzen sie auch in Nachfolgern ihre männlichen Vorgänger, zum Beispiel in "Last of Us 2". Sogar Nintendo machte die weiblichen Nebencharaktere Peach und Zelda zu Hauptfiguren.

Auch neue Marken etablierten neue Protagonistinnen, etwa "Hellblade", "Split Fiction" oder auch "Horizon". "Alles in allem scheint die Gamesbranche hier ein Stück weiter zu sein als vor einigen Jahren", sagt Prinz. Gelohnt hat sich dieser Schritt, die genannten Spiele waren alle finanzielle Erfolge. Das liegt nicht nur an den handwerklichen gelungenen Werken, sondern auch daran, dass Frauen 48 Prozent der Videospielwelt ausmachen.

Der Boys-Only-Club will einen Wandel aber nicht einfach hinnehmen. Weibliche Hauptfiguren führen dort regelmäßig zum Aufschrei, meist verpackt in pseudo-rationalem Wahrscheinlichkeitsfanatismus. "Frauen waren keine Ritter!" oder "Frauen waren keine Shinobi!", beschweren sie sich, während sie mit ihren Muskelhelden Drachen niederstrecken.

Mehr Spiele mit mehr Perspektiven könnten aber helfen, die verklebten Altlasten der Vergangenheit abzuschütteln. Natürlich gibt es noch Spiele, die auf Mann-Mann-Protagonisten setzen. Es geht aber auch nicht um ein Verbot, sondern um mehr Vielseitigkeit. Dem Aufschrei kann die Branche was entgegensetzen, wenn sie ihn einfach wegargumentiert und eben nicht bei reaktionärem Gegenwind die Fahrtrichtung wieder ändert.

Gleichzeitig braucht es strengere Regularien im Streamingsektor. Die gibt es zwar bereits, könnte mancher meinen, aber, wie Prinz es auf den Punkt bringt: "Schön und gut, dass es Guidelines auf Gaming affinen Plattformen gibt, diese müssen aber auch eingehalten werden." Und hier braucht eine harte Moderation wie auch digitale Zivilcourage. Solange, bis der Satz "Gaming hat ein Hass-Problem" seine Gültigkeit verliert.

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