Muskulös, gutaussehend, schwerreich: Brian Chesky ist der Inbegriff männlicher Erfolgsfantasien. Um das Bild zu vervollständigen, bringt der Airbnb-Gründer noch eine ordentliche Prise Großkotzigkeit, gepaart mit einem Aufstiegsfetisch mit. Realitätsleugnung darf natürlich auch nicht fehlen.
Wenn er sagt, das Silicon Valley sei natürlich nicht räuberisch, mutet das etwas weltfremd an. Schmettert er den Vorwurf ab, seine Vermietungs-App würde Massentourismus nicht fördern, noch ein Stückchen mehr. Die Zahlen sprechen dagegen. Und das Problem dürfte sich mit dem neuen Airbnb-Serviceangebot verschärfen.
Aber eins nach dem anderen. In einem Interview mit der "FAZ" sagt Airbnb-Chef Chesky: "Viele Städte kämpfen mit Übertourismus und haben nicht genug Wohnraum, aber ich denke nicht, dass wir am meisten zu solchen Problemen beitragen." Um das einzuordnen, müssen wir aufrollen, wie sich sein Unternehmen über die Jahre entwickelt hat.
2007 gegründet, dauerte es nicht lang, bis Airbnb die erste Schallmauer durchbrach. Angefangen mit drei Übernachtungsgästen in San Francisco, verbuchte die Plattform 2011 eine Million Buchungen weltweit. 2024 waren es ordentliche 492 Millionen.
Für den Übernachtungssektor brachte das eine große Umwälzung mit sich. Seit Airbnb treten Wohnungsanbieter:innen in den direkten Wettbewerb mit Hoteliers, sie können diese einfach preislich unterbieten, was für Kostendruck sorgt.
Zudem ist Airbnb niedrigschwellig und in touristischen Regionen profitabel, weshalb es sich für Eigentümer:innen lohnt, Wohnraum auf der Plattform feilzubieten und die Zahl der Inserate steigt sukzessive. Ein wachsendes Angebot bringt aber auch mehrere Begleiteffekte mit sich, um es ökonomisch auszudrücken.
Mehr verfügbare Unterkünfte lassen natürlich den Tourismussektor wachsen. Einwohner:innen werden verdrängt, Massentourismus begünstigt. Die Annahme lehnt Chesky kategorisch ab.
Widerspruch gibt es da ordentlich. Aus Barcelona zum Beispiel. Dort sank die Einwohnerzahl in einigen Stadtteilen um bis zu 45 Prozent. Den Bevölkerungsrückgang führen mehrere Studien auf Airbnb zurück, da es sich für Investor:innen mehr lohnt, Wohnungen aufzukaufen und kurz zu vermieten, als langfristig Menschen darin wohnen zu lassen.
In Madrid gibt es dasselbe Problem, wozu es ebenfalls Evidenz gibt, im griechischen Zakynthos ebenso, schreibt der "Guardian". Das Deutsche Institut für Tourismusforschung beschreibt Airbnb insgesamt als möglichen Katalysator für Übertourismus. Je nach Stadt können die Effekte natürlich schwanken, mal stärker, mal schwächer ausfallen. Da sind sie trotzdem.
Ablesen lässt sich der Tourismus-Zuwachs auch an der Anzahl international Reisender. In Spanien ist sie zwischen 2007 und 2024 von rund 58 Millionen auf 93,8 Millionen gestiegen; in Italien von 2009 bis 2019 von 43,2 Millionen auf 64,5 Millionen; in Griechenland von 2009 bis 2023 von 14,92 Millionen auf 32,74 Millionen. Hier wird Airbnb, allein wegen kostengünstiger Unterkünfte, einen Beitrag zu geleistet haben.
Barcelona, Madrid, Paris, Rom und Florenz haben bereits Kurzzeitvermietungen eingeschränkt beziehungsweise verboten. Für Chesky, wie er bei der "FAZ" betont, ist das "unfair". Natürlich, das schwächt sein Geschäft. Immerhin kassiert Airbnb pro Buchung drei Prozent Provision von Gastgeber:innen und bis zu 14,2 Prozent von den Gästen.
Ein Ausgleich muss her. Der findet sich in Serviceleistungen, die es neuerdings bei Airbnb geben soll. Fitnesstrainer:innen, Friseur:innen, Köch:innen alles problemlos via App buchbar. Das dürfte den Wettbewerbsdruck im Dienstleistungssektor weiter erhöhen, was zwar niedrigere Preise, dafür aber auch geringere Löhne zufolge hätte.
Gig-Economy, also Auftragsarbeiten, wirft bekanntlich nicht viel ab und läuft in aller Regel losgelöst von Arbeitsgesetzen. Hinsichtlich der verschärften Wohnsituation in Touri-Regionen ein weiterer Faktor, der das Leben Einheimischer erschwert.
Chesky ist aber nicht Vater allen Übels. Ausschlaggebend ist der private Wohnungsmarkt, der eben das Marktmodell einer App wie Airbnb erst ermöglicht. Kurzzeitvermietungen lohnen sich, letztlich müssen sich Eigentümer:innen dabei nicht zwangsläufig an Mietpreis-Regularien orientieren. Cheskys Plattform ist quasi das Endstadium der Krankheit "Freier Wohnungsmarkt".
In einem Interview mit dem "Observer" sagte er im vergangenen Jahr, es sei unmöglich, keine unbeabsichtigten Folgen loszutreten, "wenn man eine Plattform aufbaut, die Hunderte Millionen Menschen betrifft". Recht hat er. Blöd nur, wenn er selbst blind für die seiner eigenen ist.