Lehrbücher durchackern, Texte vorlesen, Gedichte auswendig lernen. Lernstoff reindrücken, wiederkäuen, für Prüfungen raus speien und wieder vergessen: So haben die meisten von uns ihre Schulzeit in Erinnerung. Viel hängengeblieben ist da wahrscheinlich nicht. Und warum wir mit Berufswünschen wie Journalist:in oder Sportlehrer:in Fächer wie Statistik oder Biochemie belegen müssen, haben wir auch nie kapiert. Das brauchten wir auch später nie wieder.
Die Schulzeit bereitet junge Menschen vielleicht auf ein Studium vor, selten aber auf wirklich nützliche Dinge im Leben, wie: Steuererklärung, Bewerbungsgespräche oder Burn-Out-Prävention. Doch es geht auch anders.
Watson zeigt euch einige Schulprojekte, die beweisen, dass Schule auch anders gehen kann: nämlich modern, interaktiv und innovativ.
Mal abgesehen von der generellen Frage, ob Religion in der Schule gelehrt werden sollte, setzen Hamburger Schulen einen wichtigen Impuls für die Verständigung zwischen den Religionen. Statt die Klassen nach Glaubensrichtungen aufzuteilen, gibt es in Hamburg bereits seit den 90ern gemeinsamen Religionsunterricht für alle Schüler:innen.
Diesen "Religionsunterricht für alle", kurz Rufa, leitet ein Lehrer an, der zwar selbst Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist, sich aber auch gut mit anderen Konfessionen auskennt und darüber sprechen kann. So lernen Kinder und Jugendliche im Dialog auch andere Religionen kennen, die sonst oft ein Leben lang fremd bleiben. Damit, so die Hoffnung, lernen die Schüler:innen, mit Menschen umzugehen, die andere Religionen und Weltanschauungen vertreten. Etwas, das heutzutage wichtiger ist denn je.
Früher entschied über die Lehrinhalte der Staat und die evangelische Kirche, seit neuestem gibt es fünf gemischte Kommissionen: Je eine für Protestanten, Katholiken, Muslime, Aleviten und Juden. So dürfen künftig alle Konfessionen mitentscheiden, was im Rufa gelehrt wird.
An 26 Berliner Schulen gibt es zum Stressabbau Meditationsunterricht für die Schüler:innen. Die Achtsamkeitsexpertin und Autorin Tina Schütze-Fulton hat dafür ein spezielles Programm entwickelt: "Metazeit – Meditation, Training und Achtsamkeit in der Schule". So gibt es je nach Bedürfnis und Veranlagung der Schüler entweder Meditation, zum Beispiel eine geführte Traumreise oder Bewegung. "Bei meinen Besuchen an Oberschulen habe ich in letzter Zeit viel Mut- und Hoffnungslosigkeit gesehen, auch deutliche Anzeichen von Depression", sagt Schütze-Fulton im "Tagesspiegel".
In einer Pilotstudie untersuchte die Achtsamkeitsexpertin 2019/2020 gemeinsam mit der HU, welche Wirkung "Metazeit" auf Grundschüler:innen hat. Das Ergebnis: "Je mehr Metazeiten gemacht wurden, desto wohler fühlten sich die Schüler:innen in der Schule." Die Kinder hätten laut Studienergebnissen besser mit Stress und Anspannung umgehen können und bessere Freundschaften gehabt. "Wer sich gut reguliert, hat Lust auf Kontakt – und ist neugierig auf Themen und auf Menschen", sagt Schütze-Fulton.
Laut Empfehlung der Forschungsarbeit sollte die Metazeit täglich dreimal acht Minuten im Schulalltag absolviert werden – morgens, mittags und zum Abschluss des Unterrichtstages.
In Hessen startete dieses Jahr ein Pilotprojekt an zwölf Schulen, das Kinder an digitale Veränderungen heranführt. Das Fach "Digitale Welt" soll darüber hinausgehen, Kindern bloß den richtigen Umgang mit PCs oder Tablets zu lehren. Stattdessen werden auch wichtige Themen wie Datenschutz, Cyberkriminalität und Mediennutzung aufgegriffen. Man will grundlegende Kompetenzen der Informatik mit ökonomischer und ökologischer Bildung verknüpfen. Ab dem Schuljahr 2023/24 sollen bereits 50 Schulen am Projekt teilnehmen.
Noch sind aber nicht alle Fragen geklärt: So fehlten in Hessen beispielsweise noch ausreichend Informatiklehrer:innen, außerdem gebe es noch kein festes Curriculum mit einheitlichen Lerninhalten und Didaktik. Bisher sei das Fach "eine Art digitale eierlegende Wollmilchsau", wie der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Thilo Hartmann der dpa sagte. Immerhin: Die Rückmeldungen der teilnehmenden Schulen seien bisher positiv.
Eine Schule in Dresden will das Schulsystem gleich komplett umkrempeln. Egal ob der Abschluss in der Grund-, Realschule oder im Gymnasium gemacht wird, alle Schüler:innen lernen dort zusammen ab der 1. Klasse. Noten gibt es an der Universitätsschule erst ab der 9. Klasse. Statt Schulfächern gibt es außerdem Lernbausteine, die Schüler:innen dürfen jeden Tag selbst entscheiden, was sie lernen möchten. Klassischen Unterricht, also Lehrperson vor der Klasse, gibt es hier selten. Stattdessen wird auf Projekt- und Atelierarbeit gesetzt, die selbstbestimmtes Lernen fördert.
Ferien gibt es an dieser Schule auch nicht. Stattdessen haben alle Schüler:innen 40 Urlaubstage, über die sie weitgehend frei verfügen dürfen. Jedoch muss dieser Urlaub in bestimmten Blöcken genommen werden. Die Verantwortlichen wollen damit vermeiden, dass über die langen Sommerferien zu viel Lernstoff wieder vergessen wird. Eine spezielle Schulmanagementsoftware hilft den Schüler:innen bei der Planung ihres Urlaubs – dadurch ändert sich aber auch regelmäßig der Stundenplan für die Lehrer:innen.
All das ist eine Herausforderung. Man sei in der Praxis noch in der Erprobung, doch es gebe bereits erste Erkenntnisse: "Der Urlaub hat dazu geführt, dass Lehrer den Unterricht von den Schülern und Schülerinnen aus denken", sagt die Professorin für Erziehungswissenschaft an der TU Dresden, Anke Langer, optimistisch. Sie begleitet den Versuch der Stadt Dresden wissenschaftlich und verweist auf Länder wie Skandinavien und die USA, die ihren Schülern ebenfalls Urlaubstage statt feste Ferienzeiten ermöglichen. Mithilfe der wissenschaftlichen Begleitung wird der Erfolg der verschiedenen Maßnahmen konstant untersucht.
Ziel dieses Schulversuches sei es, individuelle Entwicklungswege in kooperativen Lernsettings zu etablieren. Ein interessanter Ansatz, Schule neu zu denken. Wie gut es funktionieren wird, bleibt abzuwarten.
Wie lebt man ein glückliches Leben? Diese Frage treibt wohl die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens um. Angesichts zahlreicher Studien, die belegen, dass Kinder und Jugendliche immer häufiger depressiv sind, ist es umso wichtiger, dass sie bereits in der Schule lernen, was sie glücklich macht. In einigen Schulen in Deutschland und Österreich wird das bereits erprobt. Wie so ein Glücksunterricht aussehen kann und welche Übungen man dort anwendet, hat uns der Glück-Lehrer Martin Textor bereits erzählt.
Er sagt:
Die Kernfragen des Faches Glück drehen sich um die Bereiche persönliche Entwicklung, Selbstakzeptanz und die Bewältigung äußerer Einflüsse. Das können beispielsweise Fragen sein wie: Wer bist du? Was brauchst du? Was willst und was kannst du? Damit sollen Potenziale freigesetzt werden, die zum Wohlbefinden und zur Selbsterkenntnis führen. Auch praktische Übungen aus dem psychologischen oder psychotherapeutischen Bereich oder der Theaterpädagogik kommen im Unterricht zum Einsatz.
Aus eigenen Erfahrungen und der anderer Glück-Lehrer weiß Martin Textor, dass durch den Glück-Unterricht oft ein ganz anderer Klassenverband entsteht. Die Klassen würden durch gemeinsame Erfahrungen und gegenseitige Anerkennung besser zusammenwachsen.