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Neue Dekra-Studie zu Verkehrstoten zeigt: Unfallopfer oft jung und männlich

Aufs Handy zu schauen beim Autofahren gehört zu den größten Risikofaktoren für einen Unfall.
Aufs Handy zu schauen beim Autofahren gehört zu den größten Risikofaktoren für einen Unfall.Bild: iStockphoto / AND-ONE
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Jung, männlich, gefährdet – warum junge Männer das größte Verkehrsrisiko tragen

16.05.2022, 13:1716.05.2022, 16:30
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13 Jahre Haft: Im Januar entschied der Bundesgerichtshof endgültig, dass das Urteil gegen den Berliner Ku'damm-Raser Marvin N. rechtskräftig ist. Zuvor wurde der Fall mehrfach verhandelt, der zweite Fahrer Hamdi H. war bereits wegen Mordes verurteilt worden. Die beiden jungen Männer verabredeten sich am im Februar 2016 nach einer zufälligen Begegnung spontan zu einem illegalen Autorennen. Bei einer Geschwindigkeit von bis zu 160 km/h überquerten sie mehrere rote Ampeln, bis Hamdi H. mit seinem Audi S6 in einen unbeteiligten Jeep raste, der bei Grün die Kreuzung überquerte. Der 69-jährige Fahrer starb noch am Unfallort.

Der Fall erlangte deutschlandweit Bekanntheit und endete mit einem wegweisenden Urteil: Marvin N. und Hamdi H. sind die ersten Raser in Deutschland, die im Zusammenhang mit einem illegalen Autorennen wegen Mordes verurteilt wurden. Zudem reagierte auch die Politik und brachte 2017 ein neues Strafgesetz auf den Weg, demnach illegale Autorennen sowie Einzelrennen und Polizeifluchten als Straftat gelten. Zuvor galten illegale Autorennen lediglich als Ordnungswidrigkeit. Gemäß §315d drohen seitdem hohe Geldstrafen oder eine Haftstrafe bis zu zehn Jahre. Der Fall ist allerdings nur einer von vielen Autounfällen mit Todesfolge, in welche junge Männer verwickelt waren.

Jedes Jahr verlieren weltweit Tausende Menschen bei Verkehrsunfällen ihr Leben – vor allem junge Männer. Im dem am Donnerstag veröffentlichten Verkehrssicherheitsreport 2022 der Prüfgesellschaft Dekra "Mobilität junger Menschen" erkennt diese ein klares Muster: Verkehrsopfer sind mehrheitlich männlich, mit dem Auto oder Motorrad unterwegs, zu schnell und möglicherweise alkoholisiert.

Zwar ist die Zahl der 15- bis 24-Jährigen bei tödlichen oder schwer verletzten Unfallopfern allgemein deutlich gesunken - doch ist sie immer noch viel höher als in anderen Altersgruppen. In Deutschland, wo 2019 nach Zahlen des Statistischen Bundesamts 429 junge Menschen zwischen 15 und 24 bei Verkehrsunfällen starben, waren die Verkehrstoten dieser Altersgruppe fast viermal so häufig Männer.

Viele Risikofaktoren wären vermeidbar

Mangelnde Fahrerfahrung, Selbstüberschätzung oder fehlende Fahrzeugbeherrschung sind laut Dekra die großen Risikofaktoren für Fahranfänger. Auch auf eingeschränkte Gefahrenwahrnehmung, Ablenkung vom Verkehr etwa durch Handynutzung oder Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss weisen sie hin. "Allesamt Problembereiche, die nicht zuletzt auch im Rahmen der Fahrausbildung noch stärker in den Fokus rücken sollten", sagt Jann Fehlauer, Geschäftsführer der Dekra Automobil.

Plakate wie dieses sollen Autofahrer an die Verantwortung hinter dem Steuer erinnern.
Plakate wie dieses sollen Autofahrer an die Verantwortung hinter dem Steuer erinnern.dvr

Der Arzt und Psychotherapeut Prof. Dr. Frank-Gerald Pajonk vom Zentrum Isartal im Verbund der Oberberg Kliniken erklärt, dass die erhöhte Risikobereitschaft junger Männer zum einen biologisch erklärbar ist: Wer mehr Testosteron-Hormone hat, verhalte sich risikobereiter. Aber auch andere Hormone und Prozesse spielen eine Rolle: "Die Männer haben eine andere Form von Stressreaktion auf Aufregung, so dass dort mehr Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet wird."

Ein psychologischer Faktor sei, dass "gerade junge Männer auch lernen, Männer zu sein." Dies gehe einher mit einer bestimmte sozialen Erwartungshaltung, dass sich Männer kerniger und zupackender verhalten und ihre Dominanz beweisen.

"Ich sage den Schülern immer, das ist ein Waffenschein, den ihr bekommt und mit einem Waffenschein kann man auch Menschen töten."

Georg Habeeb von der Fahrschule "Turbo" in Berlin-Neukölln, kennt die Problematik. In seinem Unterricht würde man besonders darauf eingehen, dass man kein Handy am Steuer benutze. Er sagt im Gespräch mit watson:

"Wir sagen, dass man für das Autofahren seine ganzen Gedanken braucht und sehr aufmerksam sein muss. Und dass das Autofahren eben kein Spaß ist. Ich sage den Schülern immer: Das ist ein Waffenschein, den ihr bekommt und mit einem Waffenschein kann man auch Menschen töten. Wenn ich beim Autofahren Fehler mache, kann es Menschenleben kosten."

In seinem Aufbauseminar sei der Großteil der Menschen "wegen der Benutzung von der elektronischen Geräten, also dem Handy" am Steuer da. Alkohol oder Drogen seien dagegen seltener, weiß er aus der Praxis. Auch darauf würden sie im Unterricht stets verstärkt hinweisen. "Ich sage ihnen auch, dass mehr passiert durch Drogen, weil die länger im Blut bleiben als Alkohol."

Was ist ein Aufbauseminar?
Das Aufbauseminar für Fahranfänger, umgangssprachlich auch Nachschulung genannt, ist eine von der deutschen Fahrerlaubnisbehörde angeordnete Maßnahme bei einem A- oder zwei B-Verstößen innerhalb der Führerschein-Probezeit, die im Regelfall für die ersten zwei Jahre einer Fahrerlaubnis festgelegt wird.
"In manchen Bereichen wurden die Gefahren von Cannabis eher überschätzt, in anderen Bereichen eher unterschätzt."

Dass der Cannabiskonsum häufig als weniger schlimm als der das Trinken von Alkohol angesehen wird, macht das Problem nicht kleiner: "In manchen Bereichen wurden die Gefahren von Cannabis eher überschätzt, in anderen Bereichen eher unterschätzt", sagt Dr. Frank-Gerald Pajonk. Zwar könne der Cannabis-Konsum bei manchen Erkrankungen äußerst hilfreich sein, doch vor dem Fahren vermindere es ebenso wie Alkohol die Reaktionsfähigkeit im Straßenverkehr:

"Dinge, die im Normalzustand als risikoreich wahrgenommen werden, werden im Cannabis-Konsum Zustand als weniger risikoreich beurteilt. Damit neigt man eher zu risikoreichem Verhalten, weil man es noch als vertretbar in diesem Zustand einschätzt."
Prof. Dr. Frank-Gerald Pajonk war auch lange als Notarzt tätig.
Prof. Dr. Frank-Gerald Pajonk war auch lange als Notarzt tätig.privat

Neben der Handynutzung und Drogen am Steuer sei häufig eine überhöhte Geschwindigkeit ein Grund für Verkehrsunfälle, aber das Rückwärtsfahren oder Überfahren einer roten Ampel. Wobei dies meist passiere, weil die jungen Autofahrer und -fahrerinnen sich zeitlich verkalkulierten bei Bremsweg und Geschwindigkeit, wie Habeeb sagt. "Die meisten Verstöße waren innerhalb der ersten Sekunde und nicht nach einer Sekunde."

Mangelnde Erfahrung und jugendlicher Leichtsinn: In Kombination oft tödlich

"Die Kombination aus geringer Fahrpraxis und Jugendlichkeit stellt einen gefährlichen Risiko-Mix für Fahranfängerinnen und Fahranfänger dar: Sie sind überdurchschnittlich häufig Hauptverursachende von Pkw-Unfällen", sagt auch Walter Eichendorf, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR).

Um dieses Risiko zu senken, sei 2011 das begleitete Fahren ab 17 dauerhaft eingeführt worden. "Und es wirkt: Jugendliche, die daran teilnehmen, sind im ersten Jahr ihres selbstständigen Fahrens 23 Prozent seltener an Verkehrsunfällen beteiligt als Jugendliche, die nicht daran teilgenommen haben", so Eichendorf. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will das begleitete Fahren schon ab 16 einführen.

"Die Kombination aus geringer Fahrpraxis und Jugendlichkeit stellt einen gefährlichen Risiko-Mix für Fahranfängerinnen und Fahranfänger dar."
Walter Eichendorf, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR)

Auch der Leiter der Fahrschule "Turbo" in Berlin, Habeeb, ist ein großer Fan des begleiteten Fahrens und würde eine Absenkung auf 16 Jahre begrüßen:

"Damit bricht man dieses Verlangen nach 'Jetzt bin ich frei von der Fahrschule, jetzt kann ich mal Gas geben'. Man fährt mit einem Erwachsenen und dann gewöhnt sich der Fahranfänger daran, dass er auch mal normal fährt, ohne dass er rasen oder seine Künste zeigen muss."

Gegen den Drang zum Rasen fordert Dekra-Chef Fehlauer auch die Vermittlung von Kompetenzen wie Selbstkontrolle und -beobachtung sowie die konsequente Vermittlung von Verkehrsregeln in Fahrschulen. Als Führerscheinneuling sei man nicht automatisch schon ein guter Fahrer und habe ausgelernt. Des weiteren die konsequente Kontrolle und Ahndung gefährlicher Verhaltensweisen am Steuer sowie ein absolutes, überall geltendes Alkoholverbot für Fahranfänger.

(mit Material der dpa)

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