Ein Fest für alle, die sich über ihren Musikgeschmack definieren, die sich vielleicht sogar abgrenzen wollen: der Spotify-Wrapped-Releasetag. Nur scheint es diesmal nicht ganz rund zu laufen. Auf X beschweren sich einige, ihr Wrapped sei inakkurat.
Zwei Gründe könnten dahinterstecken: Entweder, Betroffene fühlen sich ertappt und leugnen ihre Leidenschaften oder Spotify selbst liefert Ergebnisse, die nicht zutreffen. Es gibt Anzeichen, dass in vielen Fällen eher zweiteres zutrifft. Zeit, die Lupe zu entstauben und der Sache auf den Grund zu gehen.
Ein Anzeichen, dass was nicht stimmt, ist, dass User:innen ihre Wrapped-Daten mit ihren "StatsforSpotify"-Daten vergleichen. Bei "StatsforSpotify" handelt es sich um eine Website, auf der Spotify-Wiedergaben erfasst werden. Bei vielen User:innen gibt es hier Abweichungen.
Das mag verwirren, steht aber vor dem Hintergrund, dass "StatsforSpotify" Daten für das gesamte laufende Jahr erfasst. Wrapped fußt hingegen auf Daten von Januar bis Mitte November. Zwischen letztem Aufzeichnungstag und Veröffentlichung können ein paar Tage bis Wochen liegen. Zeit, in der User:innen Dutzende Hörminuten auf das Konto ihrer Lieblingskünstler:innen knallen.
Wie stark können die Daten aber voneinander abweichen? X-Userin "helena" stellt die Auswertungen beider Plattformen gegenüber. Und ja, zwischen den Topplatzierungen gibt es leichte Unterschiede.
Hier eine weitere Beschwerde darüber, dass Spotify Wrapped ungenau sei:
Der Vergleich zwischen den Datensätzen ist schon mal ein Indiz dafür, dass irgendwas nicht ganz richtig läuft. Gehen wir weiter auf Spurensuche. Tief tauchen müssen wir nicht, ein kleiner Blick auf das Vorjahr liefert bereits das nächste Indiz.
Ende 2023 entlässt Spotify 17 Prozent seiner Belegschaft. 1500 Mitarbeiter:innen verlieren ihren Job. Der eher selten feinfühlige CEO Daniel Ek sagte dazu: "Das Wirtschaftswachstum hat sich dramatisch verlangsamt und Kapital ist teurer geworden. Spotify ist von diesen Realitäten keine Ausnahme." Eine Aussage fürs BWL-Phrasenschwein.
Unter den Entlassenen befindet sich auch Programmierer Glenn McDonald. Er entwickelte Algorithmen für Spotify, die das Hörverhalten analysieren. Macht Spotify eine Empfehlung, beruht sie sehr wahrscheinlich auf McDonalds Arbeit. Neben seinem Job für den Streamingdienst erstellte er auch die Website "Every Noise At Once", eine gewaltige Datenbank, die Hörproben zu allerlei Genres zur Verfügung stellt.
Ob McDonalds Entlassung aber mit den Wrapped-Ungenauigkeiten zusammenhängt, lässt sich nur mutmaßen. Allerdings wird der Verdacht durch die wilden Musikgenres, die viele laut Spotify favorisieren, nicht unbedingt entkräftet.
Über Jahre forschte McDonald, welche Stile Musiker:innen für Neukreationen zusammenbringen, und katalogisierte sie. Er ist ein Musiknerd. Ein Großteil seiner Recherche floss anschließend in Spotify Wrapped ein. Mit McDonald fehlt eventuell ein wichtiger Programmierer, der den Spotify-Algorithmus verfeinert. Dass dieser nun eventuell fehlerhaft sein könnte, ist nicht völlig abwegig.
McDonald mag zwar Wrapped nicht erfunden, das war die Spotify-Praktikantin Jewel Ham, am Algorithmus dürfte er aber durchaus mitgewirkt haben.
Hier betont Ham nochmal, dass sie erdacht hat, wie Wrapped künftig aussehen könnte.
Doch wie gesagt: Es lässt sich nicht zu 100 Prozent klären, warum Spotify Wrapped für viele offenbar ungenau ist. Wir haben bei dem Unternehmen hinter dem Streamingdienst nachgehakt. Eine Antwort steht noch aus. Insofern müssen wir unser erstmal mit den Indizien zufriedengeben.