Leben
Der Chef ganz ehrlich

Wie schreibt man eine gute Bewerbung? Tipps einer Führungskraft für die Gen Z

Kritischer Blick? Am liebsten lese ich Bewerbungen am Abend zu Hause, wenn keine neugierigen Kolleg:innen auf meinen Bildschirm schauen können.
Kritischer Blick? Am liebsten lese ich Bewerbungen am Abend zu Hause, wenn keine neugierigen Kolleg:innen auf meinen Bildschirm schauen können.Bild: shutterstock / alexander_p
Der Chef ganz ehrlich

Bewerbungen: Was für mich wirklich wichtig ist und was ich nicht beachte

16.09.2024, 07:31
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Sie ist zeitraubend, sie ist anstrengend – aber sie macht unglaublich viel Spaß: Die Personalsuche ist eine meiner Lieblingsaufgaben als Führungskraft.

Klar, wenn's um eine Nachbesetzung geht, kann eine Kündigung vorausgegangen sein, über die man enttäuscht oder traurig ist. Doch dann ist das Finden von neuen Kolleg:innen auch eine Chance, um das Team besser, anders und neu aufzustellen.

Der spannendste Part ist für mich, mit Leuten zum ersten Mal zu sprechen, meist digital, und sie anschließend persönlich kennenzulernen; abzuklopfen, ob die Vorstellungen matchen und die Person fachlich und menschlich ins Team passen könnte. Doch vor dem ersten Gespräch steht die offizielle Bewerbung.

Aus dem Leben einer Führungskraft
Wie führt man Menschen der Generation Z und die jüngere Hälfte der Generation Y modern und erfolgreich? Seit mehreren Jahren versuche ich, das herauszufinden, weil die allermeisten meiner Kolleg:innen 18 bis 35 Jahre alt sind. In meiner Kolumne "Der Chef ganz ehrlich" möchte ich meine Erfahrungen und Gedanken zum Leben als Vorgesetzter teilen. Subjektiv und direkt, durch die Brille einer Führungskraft. Alle Namen sind natürlich anonymisiert. Und nicht jedes Erlebnis stammt aus der watson-Redaktion. Feedback, Gedanken und Themenvorschläge gerne jederzeit an swen.thissen@stroeer-publishing.de.

Ich darf, ich muss als Führungskraft, je nach Stelle, 20, 40, 60, 80 Bewerbungen sichten. Und auch wenn ich mir sehr, sehr viel Zeit fürs Recruiting nehme, weil für mich nichts wichtiger ist als ein funktionierendes Team, kann ich unmöglich alle spannenden Menschen zum persönlichen Gespräch einladen.

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Zum Glück sind die Zeiten von Bewerbungsmappen und ausgedruckten Anschreiben vorbei!Bild: iStockphoto / kaarsten

Vor ein paar Monaten hat mich ein Bewerber im Kennenlerngespräch gefragt, was mir an seiner Bewerbung gefallen hat. Gute Frage, finde ich. Weshalb ich heute in meiner Kolumne erzählen möchte, was ich in einer Bewerbung wirklich beachte, was mich auf den ersten Blick überzeugt – und welche Dinge mir egal sind.

Der Lebenslauf in der Bewerbung: gerne übersichtlich, gerne kurz

Der erste Klick, das ist vermutlich wenig überraschend, geht auf den Lebenslauf. Und der darf sich gerne aufs Wesentliche konzentrieren. Am Ende stelle ich mir unterbewusst nur eine Frage: Könnte die Person aufgrund ihrer bisherigen Stationen zur Stelle passen?

Heißt im Umkehrschluss: die Grundschule, der Familienstatus oder zehn Jahre alte Studierendenjobs in einer Kneipe sind mir egal. Besondere Kenntnisse hingegen können spannend sein. Und damit meine ich jetzt nicht, dass jemand einen Führerschein hat, bei uns werden Dienstreisen ohnehin per Bahn gemacht. Sondern Dinge, die vielleicht nicht jeder kann, im Job aber helfen können.

Worüber ich eher schmunzle, sind die Selbsteinschätzungen, in denen sich Bewerber:innen per Punktesystem oder kleinen Tachos selbst einstufen. Das mag grafisch nett anzusehen sein, aber wenn sich Menschen in Sachen "Engagement", "Motivation", "Belastbarkeit" oder "Fachwissen" selbst benoten, hilft mir das nicht weiter. Zumal niemand in einer Bewerbung bei "Motivation" zwei von fünf Sternen für sich selbst vergeben würde.

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Bewerbungen mit oder ohne Foto?

Die meisten Lebensläufe werden weiterhin mit Foto geschickt. Ich finde netter, wenn ich sehe, wer Interesse hat, zu uns zu wechseln. Aber klar, ich verstehe das Argument der Bevorzugung oder Benachteiligung aufgrund optischer Merkmale, vor allem, wenn sich Frauen bewerben und Männer die Dokumente sichten.

Wenn sich also jemand wohler damit fühlt, eine Bewerbung ohne Foto zu schicken, ist das für mich völlig in Ordnung.

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Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht auch schon solche Bewerbungsfotos gesehen habe.Bild: getty images / kinemero / iStockphoto

Bewerbung: Ja, ich lese noch immer gerne das Anschreiben

Deutlich genauer schaue ich beim Anschreiben hin. Und ja, ich lese Anschreiben. Ich habe vor anderthalb Jahren die größten Fehler in Bewerbungsschreiben in meiner Kolumne zum Thema gemacht und dafür einiges an Kritik auf LinkedIn einstecken müssen. Das Argument war: Bewerbungsschreiben seien aus der Steinzeit und ich solle lieber mit Bewerber:innen sprechen, statt ihre E-Mails zu lesen.

Ja, das kann man so sehen, aber ich habe einfach nicht die Chance, wirklich mit allen Bewerber:innen zu sprechen. Kein Mensch der Welt führt 50 Erstgespräche.

Ich formuliere es daher anders: Das Bewerbungsschreiben ist für Interessenten die Chance, den Lebenslauf zu ergänzen. Du warst bisher Unterhaltungsredakteur:in, willst bei uns aber im Sport anfangen? Sage mir gerne, warum dich das reizt! Du warst bisher Redakteur:in und möchtest bei uns als Führungskraft einsteigen? Verrate mir, warum du glaubst, dass das passen könnte! Du hast als Berufseinsteiger:in wenig Erfahrung? Gar kein Problem, wir sind hier bei watson, aber dann erzähle mir im Anschreiben gerne mehr über deine Sicht auf den Journalismus!

Mir hilft ein Bewerbungsschreiben, Kandidat:innen besser einschätzen zu können, auch wenn wir sie nicht verpflichtend verlangen. Wenn ein Lebenslauf und unsere Stellenausschreibung einfach matchen, geht's natürlich auch ohne.

Gehaltsvorstellungen in der Bewerbung

Ich mache es kurz: Ich checke bei jeder Bewerbung die Gehaltsvorstellungen. Denn die Realität einer Führungskraft ist, dass eine neue Person ins Budget und zum Gehaltsniveau der Kolleg:innen passen muss. Wenn unsere Vorstellungen meilenweit auseinanderliegen, ist das völlig okay – nur würde der Bewerbungsprozess dann nie zum Ziel führen.

Bewerbungen: Welche Zeugnisse (nicht) wichtig sind

Spätestens jetzt bin ich durch mit dem Ersteindruck. Der ganze Rest ist mir völlig egal. Ich habe in meinem Leben als Führungskraft noch nie ein Universitätszeugnis angeschaut (und habe mein eigenes nie für eine Bewerbung gebraucht). Noch weniger interessiert mich eine Abi-Note. Und selbst bei Zeugnissen von ehemaligen Arbeitgeber:innen oder Praktika bin ich nur verhalten interessiert, weil ich nicht weiß, wie aussagekräftig oder ehrlich sie ausfallen. Und es ist mir eigentlich auch egal, was dein Ex-Ex-Ex-Chef von dir denkt. An der Stelle mache ich mir lieber selbst ein Bild.

Eine Ausnahme gibt es: Wenn deine bisherigen Texte per Google nicht gut findbar sind oder dein Medium sie hinter Bezahlschranken gepackt hat, freue ich mich über ein paar Arbeitsproben. Die sind bei Journalist:innen ja nicht ganz unwichtig.

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