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Der Chef ganz ehrlich

Führungskraft der Gen Z: Warum ich nicht für immer Chef sein muss

Einfach mal den Absprung wagen: Geht das als Führungskraft so einfach?
Einfach mal den Absprung wagen: Geht das als Führungskraft so einfach?Bild: shutterstock / studiostoks
Der Chef ganz ehrlich

Führungskraft ein Leben lang? Warum ich keine Angst davor habe, nicht mehr Chef zu sein

07.10.2024, 07:14
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Manchmal, wenn ich abends die Schnauze voll habe, weil unerwartet das nächste Problem aufgetreten ist, das ich jetzt wieder tagelang lösen muss, sage ich diesen einen Satz: "Irgendwann werde ich einfach wieder Redakteur, arbeite meine acht Stunden, lasse den Stift fallen und über die Katastrophen sollen sich andere abends den Kopf zerbrechen."

Oft kommt das nicht vor, meist hält sich die schlechte Laune bei mir auch nach stressigen Tagen in Grenzen, doch ab und zu darf auch ich mich mal aufregen. Mein Gemecker bekommen meistens drei Personen ab: meine Chefredaktionskolleginnen Ronja und Jana (tagsüber) oder meine Frau (abends).

Aus dem Leben einer Führungskraft
Wie führt man Menschen der Gen Z und die jüngere Hälfte der Generation Y modern und erfolgreich? Seit mehreren Jahren versuche ich, das herauszufinden, weil die meisten meiner Kolleg:innen 18 bis 35 Jahre alt sind. In meiner Kolumne "Der Chef ganz ehrlich" möchte ich meine Erfahrungen und Gedanken zum Leben als Vorgesetzter teilen. Subjektiv und direkt, durch die Brille einer Führungskraft. Alle Namen sind anonymisiert. Und nicht jedes Erlebnis stammt aus der watson-Redaktion. Feedback, Gedanken und Themenvorschläge gerne an swen.thissen@stroeer-publishing.de.

Letztere hat vor einiger Zeit ungläubig den Kopf geschüttelt, als ich sagte, dass ich mir gut vorstellen könne, einfach wieder Redakteur zu werden.

Vermutlich, weil sie sich mein Gejammer am häufigsten anhören muss, aber auch, weil wir schon Kolleg:innen waren und sie weiß, dass ich so nicht ticke. Ihre Antwort fiel trocken aus: "Nach vier Wochen wäre dir wieder langweilig und du würdest abends wie früher daheim sitzen und überlegen, was du besser machen würdest als dein Chef."

Wenn ich irgendwann nicht mehr Chef bin, bringe ich wenigstens ein schönes Schild mit.
Wenn ich irgendwann nicht mehr Chef bin, bringe ich wenigstens ein schönes Schild mit.Bild: unsplash / Jan Tinneberg

Vielleicht hat meine Frau recht, weil sie sehr oft recht hat. Und doch gefällt mir der Gedanke. Genauer gesagt: die Option.

Nicht, weil ich diesen Schritt konkret plane, im Gegenteil. Ich liebe meinen Job als Chefredakteur, ich hatte noch nie so viel Spaß in einem Beruf. Ich bin dafür da, Menschen zu führen, den Laden voranzubringen, ein hoffentlich tolles journalistisches Gesamtpaket zu verantworten, damit gleichzeitig Erfolge zu feiern – und eben auch, Probleme zu lösen.

Im Moment glaube ich, dass ich noch sehr lange im Journalismus bleibe, vermutlich in irgendeiner leitenden Position, hoffentlich bei watson. Und sollte ich doch die Branche wechseln, würde ich mich über mich selbst wundern, wenn ich das nicht erneut mit Führungsverantwortung tun würde. Und dennoch bin ich ein Mensch, der für die Zukunft nichts für unmöglich hält.

Ich habe in einer meiner früheren Kolumnen einmal erklärt, warum es für mich eine gute Idee war, keinen Karriereplan zu haben. Wozu für mich auch gehört, dass ich nicht ausschließen kann, irgendwann back to the roots zu gehen. Und das würde bedeuten, wieder Sportredakteur zu werden. Schließlich war es dieser Berufswunsch, der mich überhaupt in den Journalismus gebracht hat.

Wenn man mit Freund:innen oder Kolleg:innen über diese Idee spricht, erntet man oft Skepsis. Wobei die ganz anders gestrickt ist als die berechtigten Einwände meiner Frau. Die erste Reaktion ist meist ein fragender Blick: "Würdest du echt solch einen Schritt zurück machen?", hat mich mal ein Freund gefragt.

Es war eine Erwiderung, die mich kurz aus dem Konzept brachte. Allein schon, weil diese Formulierung klingt, als wäre ich etwas Besseres oder Wichtigeres als all die Teamleads, Redakteur:innen, Volos oder Werkstudierenden, mit denen ich jeden Tag zusammenarbeiten darf.

Das bin ich nicht.

Wir haben unterschiedliche Aufgaben, aber wir würden jeweils in unseren Rollen nicht ohne das Gegenüber funktionieren. Eine Redaktion kann nur auf Dauer Erfolg haben, wenn sie eine gute Chefredaktion und sehr viele gute Redakteur:innen hat. Und das weiß ich auch.

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Hinzu kommt: Die Frage impliziert, dass es jemals mein Ziel gewesen sei, irgendwo der Chef zu sein. War es absolut nicht. Ich habe nur auf dem beruflichen Weg irgendwann entdeckt, welch großen Spaß es mir macht, Verantwortung zu übernehmen, Digitalstrategien zu entwickeln und Menschen zu führen – und glücklicherweise auch die Chance dazu erhalten. Und genau deshalb nehme ich mich selbst nicht so wichtig.

Ich bin überzeugt davon, dass diese Entspanntheit mich zu einer besseren Führungskraft macht. Weil ich den Job nicht für den Fame mache; weil ich mir nicht beweisen muss, welch toller Typ ich bin; weil ich noch nie einen Job als Sprungbrett für die nächste, noch bessere Aufgabe gesehen habe; weil ich mich nie im Leben an einen vermeintlich hoch angesehenen Posten klammern würde, wenn mir der Spaß abhandenkommen würde.

Warum sollte ich mir selbst im Weg stehen, wenn ich in zwei, zwölf oder 22 Jahren Lust darauf habe, wieder mehr journalistische Basisarbeit zu machen? Was hindert mich daran, irgendwann zu entscheiden, dass ich mehr Freizeit oder weniger Stress im Job haben möchte?

Nein, ich habe keine Angst davor, irgendwann nicht mehr Führungskraft zu sein. Solange ich abends aber noch vor mich hinmeckere, muss sich niemand Sorgen machen, dass ich meinen Gedanken Taten folgen lasse.

Achtung vor Abo-Falle bei Apple: Neue App hat einen Haken

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