Krank sein ist doof. Sei es der hartnäckige Schnupfen im Winter, der Migräneanfall, der einem den Partyabend vermiest oder eine Verletzung, die einen tagelang ans Krankenhausbett fesselt.
Noch doofer ist es jedoch, wenn man krank ist und sich zeitgleich mit den Tücken eines fremden Gesundheitssystems herumschlagen muss. Das durfte ich nach meinem Umzug nach Australien am eigenen Leib erfahren. Bei mir wurde vor einigen Monaten die chronisch-entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn diagnostiziert.
In Deutschland war ich es bisher gewohnt, mir keine Gedanken um die Kosten meiner medizinischen Untersuchungen machen zu müssen. Ganz egal, ob es dabei um eine Grippeimpfung oder ein MRT ging. Seitdem ich in Australien lebe, spaziere ich etwas weniger sorglos ins Wartezimmer hinein.
Dabei gibt es zunächst einmal Ähnlichkeiten: Was in Deutschland die gesetzliche Krankenversicherung ist, ist in Australien Medicare. Darauf haben alle Personen Anrecht, die dauerhaft in Australien ansässig sind – ungeachtet des Visa-Status oder der Anstellungsart. Das heißt, auch Selbstständige oder Leute wie ich, die noch immer auf die Genehmigung ihres dauerhaften Aufenthaltstitels warten, bekommen vom Staat eine sogenannte Medicare-Card ausgehändigt. So weit, so gut.
Erscheint man zu einem Arzttermin, geht man genau wie in Deutschland an die Rezeption und zeigt die Versicherungskarte vor. Der große Unterschied ist jedoch, dass man in Australien neben der Versicherungskarte auch noch seine Bankkarte aus dem Geldbeutel ziehen muss. Denn obwohl die gesetzliche Krankenversicherung den Großteil der medizinischen Kosten übernimmt, müssen Patient:innen für ihre Sprechstunden zunächst selbst bezahlen. Medicare erstattet einem dann automatisch einen Teil der getragenen Kosten zurück. Meist sind das um die 75 Prozent, wobei das von Praxis zu Praxis variieren kann.
Wer keine 30 Dollar für einen Sprechstundentermin bezahlen möchte, muss zu einer der wenigen Praxen gehen, die "Bulk Billing" anbieten. Hier übernimmt Medicare die gesamten Kosten für die Behandlung, ganz ohne Selbstbeteiligung. Genauso wie in Deutschland also. Von diesen Praxen gibt es jedoch nicht allzu viele und man muss dementsprechend oftmals länger auf einen Termin warten.
Trotzdem hat das System auch ein paar Schwächen. Das durfte ich zuletzt feststellen, als mein:e Partner:in sich vor wenigen Wochen im Fitnessstudio am Rücken verletzte. Nur eine falsche Bewegung und auf einmal ging gar nichts mehr.
Die gute Nachricht: Bereits am nächsten Morgen stand der Termin bei einer Physiotherapeutin fest. Die Schlechte: Medicare übernimmt die Kosten für eine Physiotherapie nur, wenn eine chronische Vorerkrankung vorliegt. Kurz gesagt heißt das, dass mein:e Partner:in drei Sitzungen á rund 120 Dollar aus eigener Tasche bezahlen musste.
Für mich als Deutsche ist das ein völlig absurder Zustand. Man sollte nicht abwägen müssen, ob man sich die Behandlung seiner Schmerzen überhaupt leisten kann. Niemand sollte sich zwischen medizinischer Versorgung und Wocheneinkauf entscheiden müssen.
Dennoch: Australien ist nicht grundlos eines der Länder mit dem weltweit besten Gesundheitssystem. Meine Krankheit hat mir auch gezeigt, welche Dinge im deutschen Gesundheitssystem schieflaufen. Die Symptome meiner chronischen Krankheit sind nämlich nicht erst in Australien aufgetreten. Bereits in Deutschland bin ich wegen unerträglicher Bauchkrämpfe, Müdigkeit und Nährstoffmangel beim Hausarzt gewesen – und wurde mit Eisentabletten wieder nach Hause geschickt.
Als sich mein Zustand in Australien noch weiter verschlechterte, veranlasste meine Hausärztin vor Ort ohne Zögern ein gesamtes Blutbild, eine Stuhlprobe und einen Ultraschall. Sie überwies mich außerdem an einen Spezialisten, bei dem ich nach nur wenigen Wochen sofort einen Termin bekam. Innerhalb kürzester Zeit stand meine Diagnose fest und anders als in Deutschland hatte ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, die Leute von meinen Symptomen überzeugen zu müssen.
Ich habe schon das Gefühl, dass sich die Ärzt:innen in Australien generell mehr Zeit für ihre Patient:innen nehmen, ihnen mehr Verständnis entgegenbringen und aufmerksamer nach den Ursachen von Problemen suchen. Und obwohl das australische Gesundheitssystem (genauso wie das deutsche) ein paar Tücken und Eigenheiten hat, bin ich dankbar für Medicare.