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#IchbinHanna: Wie die Politik die Wissenschaftskrise verschlimmbessern will

Portrait of young Middle-Eastern scientist looking in microscope while working on medical research in science laboratory, copy space
Viele Doktoranden haben es schwer, unbefristete Stellen zu finden. Bild: iStockphoto / SeventyFour
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#IchbinHanna: Wie die Politik die Wissenschaftskrise verschlimmbessert

02.04.2023, 15:48
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Die Welt der Wissenschaft ist unsicher: Und zwar nicht, weil jede Theorie immer widerlegt werden kann, sondern wegen der Arbeitsbedingungen: Eine Evaluierung des HIS-Instituts für Hochschulentwicklung von 2002 bis 2022 ergab, dass etwa ein Drittel bis ein Viertel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur einen Vertrag von bis zu zwölf Monaten haben. Insgesamt sind mehr als zwei Drittel der Beschäftigten befristet beschäftigt

Die Bundespolitik will daran nun etwas ändern. Die derzeit diskutierte Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) will Änderungen auf drei Ebenen: Studierende, Doktoranden und Post-Doktoranden. Diese betreffen vor allem die Befristung der Arbeitsverträge.

Die Doktoranden, PostDocs und generell die Wissenschaftler sehen darin jedoch eine Verschlechterung der wissenschaftlichen Arbeitsbedingungen: Unter Hashtags wie #IchBinHanna #IchBinReyhan #ProfsFürHanna #ProfsFürReyhan wird bereits seit 2021 gegen diese Reform protestiert. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund hat konkrete Forderungen, die das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erfüllen soll.

#IchbinHanna
#IchbinHanna ist ein Twitter-Trend, der kritisch auf ein Erklärvideo des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) reagiert. In diesem Video wird die durch das Sonderbefristungsrecht ermöglichte umfassende Befristungpraxis in der Wissenschaft als notwendige Voraussetzung für Innovation dargestellt und von der Gefahr der "Systemverstopfung" gesprochen, sollte man Wissenschaftler:innen Normalarbeitsverhältnisse anbieten. Eine Reaktion der bekannten Künstlerin und Wissenschaftlerin Lady Bitch Ray ging ebenfalls unter #IchbinReyan viral. Sie beklagt in ihrem Post Diskriminierung im Wissenschaftsbetrieb.

Watson hat Axel, einen Doktoranden in der chemischen Bildungsforschung im zweiten Jahr, gefragt, wie es ihm geht und was er über das geplante neue Wissenschaftszeitvertragsgesetz denkt:

"Man weiß nicht, ob diese ganzen Beteiligten tatsächlich an die Wissenschaftler gedacht haben bei dem bereits gültigen Wissenschaftszeitvertragsgesetz, aber auch bei diesem Reformvorschlag. Eigentlich soll es damit eine bessere Planbarkeit geben für die Postdoc-Zeit, zum Beispiel Familienplanbarkeit. Die Uni oder das Land soll die Leute deshalb nicht immer mit befristeten Verträgen abspeisen, sondern, damit Menschen auch ihr Leben planen können, möglichst unbefristete Verträge geben.

"Es gibt viel zu wenige unbefristete Stellen im Wissenschaftssystem, sodass die Verkürzung der Postdoc-Zeit nur Druck aufbaut."

Der Weg dahin ist für die Politik, jetzt zu sagen: 'Ihr dürft die Leute einfach nur kurz befristet anstellen.' Das waren vorher sechs Jahre und es sollen jetzt drei werden. Das Problem ist aber, das ändert nichts an der Anzahl der Stellen. Das neue Gesetz soll eine Lösung für ein Problem bieten, das aber eigentlich ganz woanders seinen Ursprung hat: Es gibt einfach viel zu wenige unbefristete Stellen im Wissenschaftssystem, sodass die Verkürzung der Postdoc-Zeit eher nur Druck aufbaut.

Was ist ein Postdoc?
Postdoc ist ein Wissenschaftler, der nach Beendigung einer Promotion den Doktorgrad erlangt hat und nun an einer Universität oder einem Forschungsinstitut befristet tätig ist.

Wenn man eine Postdoc-Stelle macht, ist das Problem, dass man noch weniger Zeit hat, um sich für eine Professur vorzubereiten. Wenn ich also unbefristet angestellt werden will als Akademischer Rat oder als Professor, hätte ich mit der Reform noch weniger Zeit, meinen Lebenslauf zu schärfen. Entweder mache ich mir in dieser kurzen Zeit schon einen Namen und finde eine Stelle oder ich werde einfach rausgekickt.

Das Problem ist, dass es meiner Karriere eher ein Ablaufdatum verpasst. Es verschlechtert die Situation nur, denn es ändert nichts daran, wie viele unbefristete Stellen es im Wissenschaftssystem gibt.

Eine Verbesserung der Situation wäre, mehr unbefristete Stellen zu schaffen. Wenn diese Stellen besetzt sind, gehen die Leute irgendwann in Rente und dann können immer wieder neue Leute nachrücken. Aber die Politik sagt: 'Wir sorgen dafür, dass der wissenschaftliche Nachwuchs gefördert wird, also Doktoranden, indem wir die Postdocs früher rausschicken. Dann können Leute nachrücken und dadurch entsteht ein Wechsel.'

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Klar, die Wissenschaft profitiert davon, wenn es eine Fluktuation gibt. Aber das ist nicht aus der Perspektive der Wissenschaftler gedacht. Und das Wissenschaftszeitvertragsgesetz soll ja eigentlich die Qualität des wissenschaftlichen Arbeitens verbessern und die Arbeitsqualität. Das ist einfach schlecht gemacht. Man hat dann einfach weniger Zeit, weil man weiß nicht, ob man noch mal eine Stelle findet.

Im Prinzip ist es so, dass man bei seinem Arbeitgeber danach nicht noch einmal befristet angestellt werden kann. Als Wissenschaftler ist man beim Land und nicht an der Uni angestellt. Ich könnte das Bundesland wechseln, dann könnte ich auch wieder meine sechs oder drei Jahre von Neuem beginnen. Eigentlich schadet es also der Familienplanbarkeit, wenn ich weiß, ich muss alle sechs oder alle drei Jahre das Bundesland wechseln, damit ich weiter Wissenschaftler sein kann.

Was die Doktoranden betrifft, sieht die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vor, dass diese Stellen mindestens drei Jahre laufen. Eigentlich dauert eine Promotion so drei bis fünf Jahre. Damit die Leute nicht einen Vertrag für zwei Jahre bekommen, man aber dafür drei Jahre braucht und dann nicht bezahlt wird für die Promotion, müssen es mindestens drei Jahre sein.

"Die einzige Möglichkeit, sich als Post-Doktorand weiterhin in seiner Stelle zu halten, ist, (...) sich seine eigene Arbeitsstelle selbst zu schaffen."

Da ist aber wieder die Problematik: Es gibt manche Projekte, die eine kurze Laufzeit haben und zum Beispiel nur zwei Jahre gefördert werden. Darauf kann die Uni dann plötzlich keine Doktoranden mehr einstellen. Derzeit ist es meistens so, dass da ein bisschen gemauschelt wird. Der Prof sagt: 'Ich nehme meinen Doktoranden, den beschäftige ich erst mal auf dem Projekt. Und wenn die zwei Jahre ausgelaufen sind, nehme ich ihn noch ein bisschen auf ein anderes Projekt auf.'

Oft ist es schwierig, eine Finanzierung von wissenschaftlichen Projekten zu bekommen.
Oft ist es schwierig, eine Finanzierung von wissenschaftlichen Projekten zu bekommen.Bild: iStockphoto / SeventyFour

Die Profs versuchen eigentlich, ihre Doktoranden zu halten und es durch die Finanzierung irgendwie zu schaffen, dass sie drei Jahre sozusagen überleben, auch wenn sie kein großes Projekt an Land gezogen haben. Und diese kleinen Chancen hat man dadurch nicht mehr.

Also auf der einen Seite ist es ganz nett für Doktoranden, wenn man einen Vertrag für mindestens drei Jahre kriegt. Aber auf der anderen Seite haben Professoren, die es nicht schaffen, so viel Gelder anzuwerben, ein Problem. Die können jetzt nicht sagen: 'Wir puzzeln den Doktoranden aus verschiedenen Projekten zusammen.'

Ein weiteres Problem ist die geplante Drittmittelbefristung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Also ist die einzige Möglichkeit, sich als Post-Doktorand weiterhin in seiner Stelle zu halten, immer wieder neue Anträge zu schreiben und sich seine eigene Arbeitsstelle selbst schaffen.

Das ist Irrsinn, weil das heißt, man muss alle zwei oder drei Jahre einen neuen Antrag stellen. Denn so ein Bewerbungsprozess beim DFG dauert ungefähr ein Jahr oder länger, bis man eine Zusage kriegt. So wäre man ständig unter Druck, neben seiner eigentlichen Tätigkeit immer wieder neue Drittmittel-Anträge zu schreiben."

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