Das Wintersemester hat vor Kurzem begonnen und Millionen Studierende kehren an die deutschen Universitäten zurück – und damit auch oft ihre finanziellen Sorgen. Rund ein Drittel der Studierenden in Deutschland ist von Armut betroffen. Inflation, steigende Mieten und hohe Energiepreise verschärfen die Situation. Welche Möglichkeiten haben Studierende, um an Geld zu kommen?
Wenn das Bafög nicht ausreicht und man schnell Geld braucht, um sein Leben zu finanzieren, könnte ein Studienkredit eine Option für Studierende sein. watson erklärt, wie man da ran kommt und stellt auch einen etwas anderen Studienkredit vor: Florian Kollewijn von der Genossenschaft Chancen eG erklärt im Interview den sogenannten umgekehrten Generationenvertrag und für wen dieses Konzept infrage kommt.
Die Chancen eG bietet einen "Umgekehrten Generationenvertrag" an. Wie funktioniert das Konzept?
Es funktioniert so, dass wir den Studierenden für ihre Lebenshaltungskosten Geld überweisen, bis zu 1000 Euro monatlich sind möglich. Dafür verpflichten sich die Studierenden dazu, nach ihrem Abschluss einen festen Anteil ihres zukünftigen Einkommens zurückzuzahlen. Somit ist der Rückzahlungsbetrag von der Höhe des Einkommens abhängig. Diejenigen, die mehr verdienen, zahlen auch mehr zurück. Die Rückzahlung startet auch erst, wenn ein jährliches Mindesteinkommen erreicht ist.
Wie viel Geld zahlt man denn zurück?
Das hängt davon ab, wie viel wir finanziert haben und welchen Studiengang man studiert hat. Pro Monat zahlt man circa 100 bis 150 Euro zurück. Es kann aber auch deutlich mehr sein, wenn man viel verdient: Maximal zahlt man das Doppelte dessen zurück, was wir ausgeliehen haben, das ist die Deckelung nach oben. Minimal zahlt man gar nichts zurück, wenn das Einkommen nie über dem Mindesteinkommen liegt. Das ist die Sicherung nach unten.
Das Doppelte ist ja schon sehr viel. Wie wird das berechnet?
Ja, das Doppelte ist viel, aber das erreicht man bei einem Kredit mit langen Laufzeiten auch. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass es im umgekehrten Generationenvertrag eben nur dann fällig ist, wenn man sehr viel verdient. Das heißt, dann bleibt natürlich auch viel übrig, wenn man ein sehr hohes Einkommen hat. Und für uns ist es notwendig, weil es gleichzeitig möglich ist, dass man gar nichts oder sehr wenig zurückzahlt. Es ist nicht häufig der Fall, dass gar nichts zurückgezahlt wird. Es ist aber häufig so, dass weniger zurückgezahlt wird, als wir ausgeliehen haben. Zum Beispiel, wenn man in Teilzeit arbeitet oder lange Erwerbspausen hat, sich auf Familie, auf eine Gründung oder ähnliches konzentriert.
Warum werden momentan nur die Studiengänge Humanmedizin, Wirtschaftswissenschaften, Sozialwesen und Informatik unterstützt?
Wir haben mit diesen Studiengängen gestartet, weil wir da schon die Einkommensprognosen haben und wissen, welcher Anteil notwendig ist, damit das, was wir ausleihen, auch zurückkommt. Zudem sind diese Fächer die Studiengänge mit den meisten Studierenden. Damit decken wir bereits ein Drittel der Studierenden in Deutschland ab. Gerade Wirtschaft und Medizin studieren viele. Wir weiten das Angebot weiter aus, damit wir immer mehr Studierende unterstützen können.
An wen richtet sich Ihr Angebot?
Vor allem an Studierende, die entweder etwas länger studieren und deswegen kein Bafög mehr bekommen oder die, die nicht ausreichend Bafög bekommen. Es sind ja nur noch elf Prozent der Studierenden, die Bafög in Anspruch nehmen. Von daher ist der Bedarf da einfach da. Viele studieren auch Medizin im Ausland, auch diese Studierenden unterstützen wir.
Was muss man für den Antrag alles mitbringen?
Sich selbst! Es geht darum, zu zeigen, wer man ist. Man präsentiert seinen bisherigen Lebenslauf und beantwortet einige Motivationsfragen. Wir wollen dabei verstehen, warum die Studierenden ihren Studiengang gewählt haben. Wenn die Studierenden soziales Engagement gezeigt haben oder soziale Härten überwinden mussten, berücksichtigen wir das positiv. Es ist aber nicht wie bei einem Stipendium, wo wir versuchen, eine Auswahl von ganz bestimmten Menschen zu finden, sondern wir wollen die Studierenden nur unterstützen.
Kann man den Studienkredit zu jedem Zeitpunkt des Studiums beantragen?
Absolut. Gerade, wenn man beispielsweise seine Abschlussarbeit schreibt, kann man nebenher oft nicht arbeiten, um sich zu finanzieren. Immer weniger Studierende nehmen sowohl Bafög als auch Studienkredite in Anspruch.
Woran liegt das?
Beim Bafög wird davon ausgegangen, dass deutlich mehr als die elf Prozent Anspruch darauf hätten, die es gerade bekommen. Es liegt vermutlich vor allem daran, dass es sehr kompliziert ist, Bafög zu beantragen. Zwar wurde der Prozess digitalisiert, die Bewerbung ist aber trotzdem noch aufwändig. Zudem ist das Bafög weiterhin größtenteils elternabhängig. Und bei Studienkrediten erleben wir, dass sich fast alle Banken aus dem Bereich zurückgezogen haben. Vor circa 15 Jahren gab es noch mehr Banken und Sparkassen, die eine Studienfinanzierung angeboten haben.
Wenn man als Student:in jetzt sofort Geld braucht: Wie schnell würde das bei Ihnen gehen?
Eine bis zwei Wochen. Nachdem die Unterlagen eingereicht wurden und ein Gespräch mit der Bewerber:in geführt wurde, zahlen wir im nächsten Monat die erste Rate aus. Zusätzlich zu den monatlichen Raten kann man einmal im Jahr 1500 Euro für Sonderkosten bekommen. Vor allem dafür, wenn man sich einen Laptop oder ein neues Handy anschaffen muss, wenn ein Umzug ansteht oder man ein Auslandssemester macht. Diese Mehrkosten sollen auch abgedeckt sein.
Ein Studienkredit funktioniert wie ein "normaler" Kredit. Man bekommt einen bestimmten Betrag und muss das Geld zu einem späteren Zeitpunkt in voller Höhe plus Zinsen an den Kreditgeber zurückzahlen. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Kredit bekommt man den Studienkredit in der Regel jedoch monatlich ausgezahlt, also ähnlich zum Bafög. Andere Modelle sind aber auch möglich.
Besonders kurz vor dem Abschluss des Studiums nehmen viele Studierende einen Kredit auf, da sie zu diesem Zeitpunkt wegen der vielen Prüfungen oft keine Zeit mehr für Nebenjobs haben. Ein weiterer Vorteil ist, dass man den Studienkredit relativ schnell ausgezahlt bekommt, meist noch im selben Monat der Antragsstellung.
Ein viel genutzter Kreditgeber für Studienkredite ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Neben Studierenden können auch Schüler:innen und Fachkräfte eine Finanzierung erhalten. Bei einem Studienkredit der KfW muss man spätestens 18 Monate nach der letzten Kreditrate mit der Rückzahlung beginnen. Die Karenzzeiten unterscheiden sich jedoch von Institut zu Institut. Weitere Institutionen, die Studienkredite anbieten, sind beispielsweise Sparkassen, Raiffeisen- und Volksbanken und das Studentenwerk.