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"Vogue" zeigt KI-generiertes Model in Guess-Werbung und wird kritisiert

Dieses KI-Model ist in der August-Ausgabe der "Vogue" zu sehen.
Dieses KI-Model ist in der August-Ausgabe der "Vogue" zu sehen.Bild: bbc / seraphinne vallora
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"Wow, nicht mal Models können da mithalten": "Vogue" zeigt KI-Model in Guess-Werbung

Sie sieht aus wie ein Supermodel, trägt die neue Sommerkollektion von Guess – und ist komplett künstlich. In der neuen "Vogue"-Ausgabe ist erstmals ein KI-generiertes Model zu sehen. Nicht alle sind begeistert.
27.07.2025, 14:5627.07.2025, 14:56
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Blond, makellos, Model-Vibes deluxe – und komplett künstlich: In der August-Ausgabe der US-"Vogue" zeigt eine ganzseitige Werbung von Guess eine auffällig perfekte Frau in einem gestreiften Maxikleid und einem geblümten Jumpsuit. Wer genauer hinschaut, entdeckt in winziger Schrift: Diese Frau existiert nicht. Sie wurde mithilfe von KI erschaffen.

Es ist das erste Mal, dass eine rein KI-generierte Person in der "Vogue" auftaucht. Und auch wenn das laut "Vogue" keine redaktionelle, sondern eine bezahlte Werbeentscheidung war – das Internet tobt.

Die Firma hinter dem Projekt heißt Seraphinne Vallora. Dahinter stecken Valentina Gonzalez und Andreea Petrescu, die gegenüber der "BBC" erklären: Der Auftrag kam direkt von Guess-Mitgründer Paul Marciano via Instagram. Er habe zehn Entwürfe bekommen und sich schließlich für ein blondes und ein brünettes KI-Model entschieden.

"Das ist faul und billig" – Kritik von echten Models

Plus-Size-Model Felicity Hayward, seit über einem Jahrzehnt im Geschäft, nennt die Kampagne "lazy and cheap", also faul und billig. Entweder wolle Guess einfach Aufmerksamkeit, oder Geld sparen – beides gehe auf Kosten echter Menschen.

"Es ist ernüchternd und erschreckend", sagt Hayward. Denn es sei schon jetzt spürbar, dass echte Models – besonders aus marginalisierten Gruppen – seltener gebucht würden. Die 2010er waren laut ihr eine gute Zeit für Inklusion: Trans-Models wie Valentina Sampaio liefen bei Victoria's Secret, Halima Aden trug das erste Mal ein Hijab in globalen Kampagnen, und Marken wie Savage x Fenty setzten auf Körpervielfalt.

Technik ist noch nicht so weit – aber nur bei Plus-Size?

Auf Instagram wirbt Seraphinne Vallora mit hyper-perfekten Frauenbildern. Vielfalt? Kaum. Gonzalez erklärt das so: "Wenn wir Bilder mit verschiedenen Hauttönen posten, reagieren die Leute kaum. Unsere Posts ohne hellhäutige Models bekommen keine Likes."

Nach Plus-Size-KI-Models sucht man auf der Seite vergeblich. Die Technik sei dafür "noch nicht weit genug", heißt es. Ironischerweise kam gerade 2024 eine Dove-Kampagne heraus, die genau diesen Bias in KI sichtbar machte: Eine Bild-KI wurde gefragt, "die schönste Frau der Welt" zu erzeugen – herauskamen lauter junge, dünne, weiße Frauen mit blonden Haaren und blauen Augen. Ähnlich wie das Guess-KI-Model.

Was viele dabei vergessen: KI-Bilder sind nicht einfach nur schön bearbeitet – sie sind komplett synthetisch. Kein reales Vorbild, kein menschlicher Makel. Während etwa Promis wie Ashley Graham oder Jameela Jamil öffentlich auf Bildbearbeitung verzichten, geht KI gleich ganz am Menschen vorbei.

Ein Problem, vor allem für junge Menschen, warnt Vanessa Longley von der Essstörungs-Hilfsorganisation Beat. Unrealistische Bilder könnten Körperwahrnehmung und psychische Gesundheit gefährden. Besonders kritisch sei auch, dass es keine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für KI-Bilder gebe – der Hinweis in der "Vogue"-Anzeige ist winzig.

Sinead Bovell, Ex-Model und Tech-Unternehmerin, nennt das "extrem problematisch". Schon jetzt lasse sich beobachten, dass junge Mädchen Schönheits-OPs machten, um wie Filter-Versionen von sich auszusehen.

Die Entscheidung der "Vogue", eine KI-generierte Anzeige zu veröffentlichen, hat in den sozialen Medien für Wirbel gesorgt. Ein User auf X schrieb: "Wow! Als wären die Schönheitsideale nicht schon unrealistisch genug – jetzt kommt KI und macht sie völlig unerreichbar. Nicht mal Models können da noch mithalten."

Seraphinne Vallora betont, das Ziel sei nicht, echte Models zu ersetzen. Die Technologie sei ein Zusatzangebot. Man schaffe damit sogar neue Jobs – zum Beispiel, um zu testen, wie Kleidung an echten Menschen sitzt.

Auf ihrer Website wirbt das Unternehmen allerdings mit genau dem Gegenteil: weniger Aufwand, keine Fotograf:innen, keine Maskenbildner:innen, keine Locations. Alles digital. Alles günstiger.

Sara Ziff, Ex-Model und Gründerin der Model Alliance, sieht das Ganze kritisch: "Das ist kein Fortschritt, das ist Kostendruck." KI müsse so eingesetzt werden, dass Menschen nicht auf der Strecke bleiben – auch die vielen, die bei einem Shooting hinter den Kulissen arbeiten.

KI auf dem Laufsteg – und was jetzt?

Die "Vogue" selbst bleibt bei ihrer Linie: Es sei eine Anzeige gewesen, keine redaktionelle Entscheidung. Trotzdem fragen sich viele: Wird das jetzt zur neuen Realität im Modebusiness?

Die Gründerinnen von Seraphinne Vallora glauben: Ja. Ihre Technologie werde mit jeder Kampagne besser – und gefragter.

Tech-Expertin Bovell sieht es differenzierter. Sie glaubt nicht, dass echte Models komplett verschwinden. Aber sie sagt: Bald könnten alle Menschen mit KI-Avataren ausprobieren, wie Kleidung an ihnen aussieht – was einerseits praktisch ist, aber auch dazu führen könnte, dass viele irgendwann einfach keine Lust mehr auf Fake-Perfektion haben. "Vielleicht entscheidet sich die Gesellschaft irgendwann ganz bewusst dagegen. Weil wir wissen, dass es nicht echt ist."

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