Geräuchert, gegrillt oder roh im Sushi – Lachs ist für viele eine Delikatesse. In Deutschland gilt er laut Fisch-Informationszentrum als beliebtester Speisefisch, noch vor Alaska-Seelachs, Thunfisch und Hering. Im Schnitt isst jeder Deutsche 2,4 Kilogramm Lachs im Jahr, insgesamt wurden 2023 knapp 200.000 Tonnen verzehrt.
Oftmals stammt der Lachs aus unseren Supermärkten und Restaurants aus Norwegen. Das skandinavische Land gilt als weltweit größter Produzent von Zuchtlachsen. Ein Großteil von ihnen wird in sogenannten Aquakulturen gehalten; meist handelt es sich dabei um Netzgehege, die im Meer oder in Fjorden verankert sind.
Darin leben in der Regel mehrere hundert, tausend oder sogar mehr Tiere. Darin hängt sich auch die Kritik von Tierschützer:innen auf. Sie kritisieren diese Form der Massentierhaltung.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat bereits Ende 2024 einen Bericht mit dem Titel "Faule Fische" veröffentlicht. Darin kritisiert die Organisation, dass viele Lachse in Norwegen noch während der Aufzucht in den Netzgehegen sterben. Ursachen seien oftmals Infektionskrankheiten oder Verletzungen.
Hinzukommt aus Sicht von Foodwatch, dass solche großen Lachsfarmen auch der Umwelt schaden. Zum einen sind Lachse nämlich Raubfische, die mit Wildfisch gefüttert werden. Dadurch werde zur Überfischung der Weltmeere beigetragen, heißt es in dem Bericht.
Zum anderen kritisiert die Verbraucherorganisation, dass jedes Jahr 200.000 Zuchtlachse aus ihren Gehegen entkommen; die Zahl geht auf die Einschätzung eines norwegischen Wissenschaftlers zurück. Wie präzise sie ist, ist schwer zu sagen.
Erst im Februar sind aber wieder 27.000 Lachse aus einer Zuchtanlage vor der Küste Norwegens entkommen. Einer der Käfige war aus der Verankerung gerissen und auf die Seite gekippt. Das Unternehmen bezeichnete den Vorfall als "bedauerlich" und setzte ein Kopfgeld von 500 Kronen, also 43 Euro, pro Fisch aus, wie die "Frankfurter Rundschau" berichtet.
Auf Nachfrage der Zeitung, wie viele mittlerweile eingefangen seien, antwortete die Pressestelle des Unternehmens: 765. Das heißt, über 26.000 Zuchtlachse schwimmen immer noch durchs norwegische Meer. Und das hat durchaus schwere Konsequenzen.
Als Raubfische haben die Lachse in größerer Zahl natürlich einen negativen Einfluss auf das lokale Ökosystem – erst recht, wenn sie Krankheiten in sich tragen oder von Parasiten befallen sind.
"Handelsketten wie Rewe, Edeka und Aldi werben mit Nachhaltigkeit, setzen jedoch weiterhin auf problematische Lachszuchtprodukte", heißt es auf der Website. Trotz vermeintlichen Gütesiegeln wie ASC bleibe die Branche von Massensterben und Missständen geprägt. Foodwatch appelliert deshalb an die großen deutschen Lebensmittelhändler, Lachs aus Norwegen zu boykottieren.
Doch wie reagieren die auf diese radikale Forderung? Watson hat bei Rewe, Edeka, Lidl und Aldi Süd nachgefragt.
"Lidl in Deutschland setzt sich seit Jahren für die Weiterentwicklung von Tierwohlstandards ein und ist sich seiner Verantwortung bewusst", heißt es von der Pressestelle des Discounters Lidl. Neben Bio-Produkten verkaufe man überwiegend MSC-, ASC- und GGN-zertifizierte Produkte.
Dabei handelt es sich um Siegel, die nachhaltig gefangene oder gezüchtete Fische und Meeresfrüchte kennzeichnen (sollen), die unter umweltfreundlichen und sozial verantwortlichen Bedingungen produziert wurden. Foodwatch kritisiert allerdings, dass die Siegel intransparent seien und man als Verbraucher:in beispielsweise die genaue Herkunft des Fischs nicht nachvollziehen könne.
Lidl erklärt gegenüber watson:
Zu einem generellen Boykott von Lachsprodukten äußert sich der Discounter nicht. Ähnlich zurückhaltend reagiert auch Rewe. "Ganz grundsätzlich gilt der Aquakultursektor in Norwegen als sehr transparent und fortschrittlich", erklärt die Pressestelle gegenüber watson.
Gleichzeitig erkennt Rewe an, dass die Sterblichkeit der Zuchtlachse aus Norwegen im Jahr 2023 höher lag als in den Vorjahren. Die Gründe dafür seien aber vielschichtig, auch der Klimawandel spiele eine Rolle.
Von den herkömmlichen Gütesiegeln will der Lebensmittelhändler offenbar nicht Abstand nehmen. "Der ASC-Standard stellt durch sein Siegel die Einhaltung der Nachhaltigkeitsstandards des ASC sicher. Innerhalb der Lieferkette vom Produzenten bis hin zum Einzelhandel ist damit sichergestellt, dass die Rohware aus einer zertifizierten Zucht stammt." Die Rückverfolgung spezifischer Farm-Standorte sei bei dem Siegel ohnehin nicht vorgesehen.
Ein Boykott von norwegischem Lachs durch große deutsche Supermärkte scheint also ebenso unwahrscheinlich wie die Abkehr von den herkömmlichen Gütesiegeln.
Edeka und Aldi Süd ließen eine Anfrage von watson bislang unbeantwortet.