Die Bund-Länder-Konferenz am Montag kann man wohl am treffendsten zusammenfassen mit den Worten: viel Lärm um nichts. Weder Verschärfungen noch Lockerungen der Maßnahmen wurden beschlossen. Die Länder hatten sich größtenteils vehement gegen Bundeskanzlerin Angela Merkels "Winter-Knigge" gewehrt, der striktere Corona-Regeln für den Alltag vorgesehen hätte.
Ein Vorschlag Merkels war, eine allgemeine Maskenpflicht in Schulen einzuführen sowie die Klassen zu halbieren und wöchentlich abwechselnd in den Fernunterricht zu schicken. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert nun, dass keine der besprochenen Maßnahmen für Schulen umgesetzt werden. Die GEW-Vorsitzende Tepe sagte den Zeitungen des "Redaktionsnetzwerks Deutschland", es sei völlig unverständlich, warum sich die Länder gegen Wechselunterricht stemmten, der für die Schülerinnen und Schüler ab der Sekundarstufe eins gut umsetzbar sei.
"Auch der Deutsche Lehrerverband (DL) ist sehr besorgt darüber, dass es gestern keine Verständigung auf zusätzliche Hygieneschutzmaßnahmen an Schulen gegeben hat", sagt deren Präsident Heinz-Peter Meidinger gegenüber watson. Er ergänzt: "Das könnte sich noch bitter rächen."
Laut dem GEW befinden sich derzeit bundesweit 200.000 Schüler und 3000 Lehrer in Quarantäne. Meidinger, der selbst Leiter eines Gymnasiums im bayerischen Deggendorf ist, meint, diese Zahl sei schon lange durch die Realität überholt worden: "Wie dramatisch die Lage ist, zeigt der Anstieg der Schüler in Quarantäne in NRW von rund 50.000 in der vorletzten Woche auf nun weit über 70.000." Deswegen warnt der Lehrerpräsident:
Aufgrund des starken Infektionsgeschehens herrscht in Österreich ab Dienstag erneut ein harter Lockdown. Im Gegensatz zum "Lockdown light" in Deutschland sind nicht nur viele Geschäfte des nicht-täglichen Bedarfs geschlossen, sondern auch Kitas und Schulen.
In Meidingers Augen müsste ein solch drastischer Schritt in Deutschland durch rechtzeitiges Handeln verhindert werden: "Es könnte sein, dass gerade die Länderchefs, die gestern so vehement den Vorrang des Bildungsauftrags betont haben, genau diesen durch ihr Nichthandeln im Schulbereich am meisten gefährden."
Vor allem die Tatsache, dass keine allgemeine Maskenpflicht an Schulen beschlossen worden ist, kritisiert Meidinger harsch:
Es gebe immer noch Länder wie etwa Thüringen, denen selbst das zu weit geht – obwohl auch dort ein Dutzend Schulen bereits geschlossen und 100 von Quarantänemaßnahmen und Teilschließungen betroffen seien, sagt Meidinger.
In einem Punkt allerdings stimmt der Lehrerpräsident nicht mit der Lehrergewerkschaft GEW überein: "Anders als die GEW betrachten wir nicht den generellen Umstieg auf Wechselbetrieb als die überall beste Lösung", sagt Meidinger. Er und der Lehrerverband würden eine flexiblere Lösung befürworten:
Mit Sicherheit sollte an Schulen die Wiederherstellung des Mindestabstands von 1,5 Metern in Unterrichtsräumen, vor allem in Hotspotregionen, auf der Handlungsliste ganz oben stehen, sagt Meidinger. Er ergänzt: "Und noch einmal, es ist besser, jetzt für einige Wochen flexible Alternativmodelle zum kompletten Präsenzunterricht zu praktizieren, als so wie in Österreich demnächst kapitulieren zu müssen."
Vorausblickend auf die kommenden Monate plädiert Meidinger außerdem dafür, langfristige Pläne für Schulen zu erarbeiten, um sicher durch den Corona-Winter zu kommen:
Dazu würde dann auch das Angebot eines freiwilligen Zusatzförderjahres gehören – nicht für alle, aber doch für viele Schüler, glaubt Meidinger. "Es zeigt sich doch, dass die Erwartung, in diesem Schuljahr könnten die Defizite des Lockdowns aus dem letzten Schuljahr behoben und gleichzeitig der neue Lernstoff vermittelt werden, komplett illusorisch ist."