Auch im Herbst bleiben in Schulen deutschlandweit die Fenster geöffnet: Die Maßnahmen gegen das Coronavirus verlangen den Schülern und Schülerinnen sowie den Lehrenden einiges ab. "Ich unterrichte mittlerweile mit Jacke, während die Schüler sich Decken mitgebracht haben", berichtet die Berliner Lehrerin Tabea R. gegenüber watson. Seit März unterrichtet die junge Frau teils im Präsenzunterricht, teils online – und stets aber mit Maske. Auch die Schüler "tragen ihre Masken selbst im Unterricht sehr gewissenhaft", sagt die Gymnasiallehrerin.
Ob der Mund-Nasen-Schutz auch im Unterricht aufbleiben muss, ist ein sensibles Thema, zu dem sich am Dienstag Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) geäußert hat. In einem Interview mit der "Rheinischen Post" sagte sie:
Karliczeks Einschätzung und Forderung unterstützt auch der Deutsche Lehrerverband (DL). Laut dessen Präsidenten Heinz-Peter Meidinger entspräche es auch "den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, bei stark steigenden Inzidenzzahlen den Hygieneschutz an Schulen schrittweise hochzufahren und zu verstärken", wie er gegenüber watson sagt. Dazu gehört offenbar auch das Tragen von Masken im Unterricht.
Am Dienstag wurden wieder über 15.000 Fälle von Corona-Neuinfektionen gemeldet, das Land befindet sich seit knapp über einer Woche in einem "Lockdown light", bei dem Schulen und Kitas im Gegensatz zum Lockdown im Frühjahr geöffnet bleiben.
"Wer Schulen im Gegensatz zu Gaststätten, Geschäften und Theatern im Lockdownmonat November offen halten will, muss auch etwas dafür tun", sagt Meidinger. Da gäbe es nicht viele Möglichkeiten: Lüftungskonzepte, Atemschutzmasken, Isolierung von Lerngruppen, Wiedereinführung der Abstandsregel. "Wer ein neuerliches Wechseln in den Distanzbetrieb vermeiden oder möglichst lange hinausschieben will, kommt also an der Maskenpflicht auch im Klassenzimmer nicht vorbei."
Kritisch jedoch bewertet es Meidinger, der selbst Lehrer und Schulleiter eines Gymnasiums im bayerischen Deggendorf ist, dass die Bildungsministerien keine deutlicheren Pläne formulierten:
Ferner sei die Behauptung, dass Jugendliche und Kinder im Infektionsgeschehen keine Rolle spielten und deshalb auf besondere Hygieneschutzmaßnahmen an Schulen verzichtet werden könnte, längst von der Realität überholt worden. "Wir haben inzwischen mehrere Hunderttausend Schüler in Quarantänemaßnahmen", sagt Meidinger. "Bei den Infektionsfällen, bei denen eine Kontaktrückverfolgung noch möglich ist, landen die Gesundheitsämter in Hessen und NRW nach dem privaten Bereich der Bekannten und Familie sowie dem Arbeitsplatz gleich an dritter Stelle bei den Schulen."
Dazu käme, dass bei Kindern der Krankheitsverlauf bei Covid-19 häufig asymptomatisch sei, das heißt, von einer hohen Dunkelziffer an nicht erkannten Infizierten auszugehen sei.
Zu Beginn galten Kinder und Jugendliche nicht als Treiber des Infektionsgeschehens, auch erkranken sie seltener beziehungsweise weniger schwer an der vom Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19. "Trotzdem können aber auch Kinder die Infektion weitergeben, Jugendliche aufgrund ihrer höheren Zahl an Kontaktpersonen sogar noch mehr als Erwachsene", warnt Meidinger.
An das Tragen von Masken im Alltag hat sich die Bevölkerung wohl größtenteils gewöhnt, die meisten Menschen nehmen diese Maßnahme als zumutbar hin. Die Masken nun auch an allen Schulen durchgängig zu tragen, wäre ein Lösungsansatz, der eine Schließung der Bildungsstätten womöglich verhindern könnte. "Es ist ein Abwägungsprozess, wie viel Einschränkung bei Kommunikation durch Masken im Unterricht ist vertretbar, um Unterrichtsbetrieb weiter zu ermöglichen", sagt Meidinger. "Da geht es um Kompromisse."