Die Vier-Tage-Woche – für viele Arbeitnehmer:innen ist sie das Versprechen auf eine bessere Arbeitswelt, doch einige Unternehmen und Industrievertreter:innen warnen. Angesichts von Fachkräftemangel und einer zuletzt schwächelnden Volkswirtschaft sind verringerte Arbeitszeiten ihrer Meinung nach nicht umsetzbar.
Inwiefern das stimmt, will jetzt ein Pilotprojekt herausfinden, auf das sich Arbeitgeber:innen ab Donnerstag bewerben können. Sechs Monate lang soll der Versuch nach dem Modell 100-80-100 laufen, im Februar 2024 geht es los. 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit bei 100 Prozent Bezahlung also, anschließend sollen die Erkenntnisse wissenschaftlich ausgewertet werden durch ein Team der Universität Münster. Im Oktober 2024 wollen die Organisator:innen ihre Ergebnisse dann präsentieren.
Die Berliner Unternehmensberatung Intraprenör organisiert das Projekt in Deutschland gemeinsam mit der Organisation 4 Day Week Global. Die Nichtregierungsorganisation hat solche Studien bereits in anderen Ländern initiiert, unter anderem ein viel beachtetes Projekt in Großbritannien. Intraprenör hat watson einen Blick in die Planungen gewährt – und unter anderem verraten, was den meisten Unternehmen vor der Umstellung Sorge bereitet.
Das Pilotprojekt setzt explizit auf eine Vier-Tage-Woche, bei der die Arbeitszeit reduziert wird, Gehalt und angestrebte Leistung aber gleich bleiben sollen. Andere Modelle sehen beispielsweise vor, dass mit weniger Arbeitszeit auch weniger Lohn einhergeht. Darüber hinaus versuchen sich einige kleinere Unternehmen in einem Konzept, in dem an vier Tagen etwas mehr gearbeitet wird, um dann am fünften Tag die Mehrstunden der Vortage durch Freizeit auszugleichen.
Am meisten diskutiert wird aber über die erste Variante, also weniger Arbeitszeit bei gleichem Lohn. Diese strebt auch die IG Metall an, wenn sie bei ihren Forderungen für die nächsten Tarifverhandlungen in der Eisen- und Stahlindustrie eine Vier-Tage-Woche fordert. Die Idee dahinter ist: Wer nur an vier Tagen in der Woche arbeiten muss, ist konzentrierter und motivierter bei der Sache – und erfüllt seine Vorgaben auch in der geringeren Zeit noch erfolgreich.
"Wir beobachten, dass der Diskurs rund um die Vier-Tage-Woche in Deutschland polarisiert. Mit der Pilotstudie wollen wir Fans und Kritiker an einen Tisch bringen, unter dem Motto 'Einfach mal ausprobieren'", erklärt Carsten Meier, Mitgründer und Geschäftsführer von Intraprenör. Es gehe um einen ehrlichen Test des Konzepts und eine neutrale wissenschaftliche Begleitung, erklärt er.
Meier verweist auf aktuelle Studien, denen zufolge die Bindung deutscher Arbeitnehmer:innen an ihre:n Arbeitgeber:in auf einem Tiefpunkt ist und die Mehrheit der Deutschen sich gestresst fühlt. Außerdem sei die Zahl der offenen Stellen in Deutschland auf einen Höchststand gestiegen, erinnert Meier.
Der Intraprenör-Chef weist auf die Projekte aus Großbritannien und Südafrika hin, die gezeigt hätten, dass die Vier-Tage-Woche "darauf Antworten liefern kann". "Sie kann eine Lösung für diese Herausforderungen bieten", erklärt Meier.
Vor allem das Projekt aus Großbritannien hatte für Aufsehen gesorgt. 56 von 61 teilnehmenden Arbeitgeber:innen hatten in Folge der Studie mitgeteilt, dass sie die Vier-Tage-Woche beibehalten wollen. Die Krankheitstage gingen demnach während des Testzeitraums um rund zwei Drittel (65 Prozent) zurück und die Zahl der Angestellten, die in dieser Zeit das Unternehmen verließen, fiel um mehr als die Hälfte (57 Prozent).
Meier hofft, dass solche Erkenntnisse auch bei deutschen Unternehmen Gehör finden. "Wir wünschen uns 50 Unternehmen, die teilnehmen – idealerweise mit einer hohen Diversität in Branchen und Unternehmenstypen." Bislang sei das gelungen, Intraprenör hat dem Geschäftsführer zufolge schon unterschiedlichste Anfragen erhalten – von Friseursalons über Handwerksbetriebe bis zu Großunternehmen.
In den Beratungsgesprächen, die das Unternehmen mit den teilnehmenden Betrieben im Vorfeld führt, äußern viele die Sorge, ob die Leistungsfähigkeit in der Vier-Tage-Woche gehalten werden kann. "Darauf gibt es natürlich keine Pauschal-Antwort, es muss einfach ausprobiert werden", sagt Meier und erklärt: "In der Studie erhalten die Unternehmen Zugang zu Best Practices aus der ganzen Welt und können sich schrittweise dem Experiment nähern". Somit könne die Vier-Tage-Woche auch erst mal nur in einem Team, einem Bereich, einer Abteilung gestartet werden.
Während des Projektes steht Intraprenör den Betrieben beratend zur Seite. Sie stellen den Kontakt zu Expert:innen her und ermöglichen den Austausch mit anderen Unternehmen. Bei Intraprenör selbst setzen sie laut Geschäftsführer Carsten Meier seit bereits sieben Jahren auf die Vier-Tage-Woche. "Bei uns ist das ganze Team freitags nicht am Arbeiten, unsere Arbeitszeit ist von Montag bis Donnerstag, pro Woche arbeiten wir in 32-Stunden-Verträgen. Das klappt für uns subjektiv sehr gut", sagt Meier.
(mit Material von dpa)