Keine Frage, es kann ganz schön nerven, wenn dein Lieblingsmensch sich für überkandidelte Food-Blogs, das Querflötenspiel oder die Sneakers-Sammlung extrem begeistern kann, während du diese Faszination keinen Funken weit verstehst. Vor allem, wenn das geliebte Hobby mehr Geld, Zeit und Raum in der Beziehung einnimmt, als dir lieb wäre.
Denn nicht immer gelingen Kompromisse. Manchmal geht es um Grundsatzentscheidungen: Muss der Sommerurlaub wirklich immer an einem Kite-Spot stattfinden? Gehen wir zu Omas Geburtstag zusammen oder musst du da wirklich im Stadion stehen?
Und – zack! – wird das Hobby, das wir unserer Beziehung ja eigentlich gerne gönnen, zum Streitfall. Was tun? Steht es uns überhaupt zu, das Hobby eines anderen zu kritisieren? Müssen wir das aus Liebe akzeptieren? Oder bedeutet das wiederum, sich zu verbiegen?
Wir sprachen darüber mit Michael Cöllen. Der Psychologe und Paar- und Sexualtherapeut ist Autor von "Lieben und Verzeihen – wie sich Paare wiederfinden".
Er sagt: "Nervige Gewohnheiten, Hobbys, Einstellungen und Verhaltensmuster der Partner:in sollten auf Dauer keinesfalls einfach nur hingenommen werden."
Heißt also, dass es durchaus berechtigt ist, wenn dir der Kragen platzt, weil es SCHON WIEDER zum Angeln geht, den halben Tag auf der Ukulele rumgezuppelt wird oder die Tango-Community jedes Wochenende blockiert.
Der Trick ist nur, rechtzeitig Bescheid zu geben, was dich nervt und am besten auch, warum. Sonst bauen sich "innere Widerstände auf, die auf Dauer den ganzen Fluss der Gefühle blockieren können", warnt der Therapeut. Das geschieht "unbewusst", sodass wir selbst manchmal gar nicht wüssten, warum uns das alles dermaßen auf den Keks geht – bis wir explodieren.
Am Beispiel: Wenn ihr schon dreimal euer Date für die Bowlingclique verschoben habt, kann es eher mal passieren, dass du beim vierten Mal ausrastest, weil du dich zurückgesetzt fühlst und den Sport, als auch die Teammates im Affekt als idiotisch beschimpfst. Unschön.
Niemand will hören, wie die eigene Leidenschaft herabgesetzt oder sogar lächerlich gemacht wird. Um das zu verhindern, gilt es, möglichst rechtzeitig zu sprechen. "'Faires Streiten um Veränderung' ist immer sinnvoll, weil es den Dialog der Partner: innen insgesamt vertieft", sagt Cöllen und zitiert dabei das gleichnamige Buch des US-Psychologen George R. Bach.
Dann führt er aus:
Es ist also von Vorteil, das nervige Hobby möglichst rasch anzusprechen, ohne Vorwürfe. Bestenfalls erklärst du genau, was dich daran nervt. Ist es die Lautstärke der Oboe? Die Kosten des Schrebergartens? Der Zeitaufwand der Volleyballturniere am Wochenende?
Rücksicht auf die Bedürfnisse des oder der Anderen zu nehmen ist ein Zeichen von Liebe und nicht zu viel verlangt. Vor allem, da Kompromisse oft durchaus möglich sind, wenn beide aufeinander zugehen.
"Großzügigkeit und Toleranz sind für die Liebe lebenswichtig", weiß auch Michael Cöllen. Niemand sollte einem Menschen etwas verbieten, was ihm viel Freude bereitet, "die Liebenden müssen aber auch Grenzen markieren und dem Partner das für die Liebe notwendige 'Stoppschild' zeigen."
Denn, so warnt der Therapeut:
Nimmt das Hobby also mehr Raum ein als eure Beziehung, stimmt etwas nicht und du bist zu Recht sauer. Schön, wenn dein:e Partner:in Spaß hat. Nicht schön, wenn dieser Spaß auf deine Kosten geht, weil du dich einsam fühlst, ihr den Kontakt zueinander verliert oder du immer an zweiter Stelle kommst.
Auch mal alleine zu sein und einander Freiheiten lassen ist gesund und unbedingt nötig, um Paarbeziehungen lebendig zu halten. Doch Liebesbeziehungen brauchen auch die bewusste Entscheidung füreinander.
Zum Schluss fasst Cöllen noch einmal zusammen: "Dem Partner zuliebe nachgeben und auch etwas von den eigenen Wünschen zu opfern, ist richtig und notwendig, darf aber nicht die Substanz des Paares schmälern."
Heißt: Lasst einander eure Leidenschaft, wo es möglich ist. Doch eine Liebesnacht in BVB-Bettwäsche? Das wäre wirklich zu viel verlangt.