Je länger man datet, umso schwieriger wird es, unvoreingenommen auf neue Dates zuzugehen. Wer schon eine Weile Single ist, wird das wohl unterschreiben. Denn: Jede gute Erfahrung setzt die Ansprüche höher und jede miese Dating-Erfahrung (Hallo Dickpic! Hallo Ghosting!) fügt dem emotionalen Schutzwall ein weiteres Stockwerk hinzu.
Menschlich ist das verständlich, romantisch aber eine Katastrophe, denn mit soviel Ballast im Hintergrund ist das Kennenlernen einer neuen Person erschwert, weil sie sofort mit Vorgänger:innen verglichen wird. Es ist vertrackt.
Wie kann ein Neustart gelingen? Können Singles auch nach einer Reihe bitterer Erlebnisse wieder zu optimistischen Liebessucher:innen werden?
Moe Ari Brown gibt darauf Antworten. Der US-Amerikaner ist Paartherapeut und beratender Experte bei der Dating-App Hinge. Er weiß, was Singles beim Neustart oft im Weg steht und warum sie so oft zurückblicken.
Häufig stecke dahinter die "Angst vor dem Unbekannten" ist der Psychotherapeut sicher. "Oft schauen wir zurück, weil uns die Zukunft verunsichert."
Es sei zwar nicht generell verkehrt, die eigene Dating-Geschichte zu reflektieren und "aus der Vergangenheit zu lernen", aber man müsse diese auch irgendwann loslassen, um sich "nicht bremsen zu lassen"
Der ewige Blick in den Dating-Rückspiegel sei sowieso ein verzerrter, wie Moe ausführt:
Wenn man sich entweder schon im Vorfeld sicher ist, dass das nächste Date genauso enttäuschend wird wie das letzte – oder andersrum: überzeugt ist, dass die nächste Person eh nie an den oder die Ex heranreichen wird – boykottiert man erfolgreich das eigene Liebesglück, bevor es überhaupt eine Chance hatte.
"Vergleichsfalle", nennt der Therapeut das, was passiert, wenn Singles beginnen, all ihre Verabredungen im Geiste gegenüberzustellen. "Der Vergleich mit vergangenen Dating-Erfahrungen oder dem Dating-Leben anderer ist eine trügerische Falle", warnt er deutlich.
Das ist Selbst-Sabotage und zudem unfair dem Menschen gegenüber, den du gerade erst neu kennenlernst. Moe: "Jede Beziehung ist einzigartig und verdient eine objektive Betrachtung."
Frage dich ehrlich: Würdest du einen Menschen treffen wollen, der schon beim ersten Date misstrauisch nach Red Flags an dir sucht? Wohl nicht. Auch wenn dieses Misstrauen verständlich ist, besonders, wenn Singles schmerzhafte Erfahrungen in der Liebe machen mussten, wie Moe sagt.
Der Mensch sei "darauf programmiert, Schmerz aus dem Weg zu gehen", ordnet der Therapeut das Phänomen psychologisch ein, deshalb "können Ablehnungen oder Trennungen uns übervorsichtig werden lassen."
Auf diesem Weg findet aber niemand die Liebe, gibt er zu Bedenken. "Wir wollen ja nicht überleben, sondern eine erfüllende Partnerschaft eingehen", sagt der Experte. Das gehe nicht, ohne ein gewisses Risiko:
Stellt sich die Frage: Wie soll das gehen? Wirklich für jedes neue Date offen zu sein, klingt kompliziert. Besonders, wenn man schon desillusioniert ist.
Moe hat ein paar sehr konkrete Tipps, wie du den Neustart angehen kannst, auch wenn es in der Vergangenheit ein paar schlechte Dating-Erfahrungen gab.
Er rät zum einen dazu, sich ab jetzt bewusst Zeit für die eigene mentale Gesundheit zu nehmen, bevor es zur ersten Verabredung geht. "Stärke dein Selbstvertrauen, indem du vor, während und nach einem Date positive Affirmationen wiederholst", sagt der Therapeut. Er glaubt, die positiven Selbstgespräche können "helfen, eine optimistische Haltung zu bewahren."
Außerdem sollte man nicht eilig, gestresst und nebenbei neue Menschen kennenlernen. Das ist anstrengend für einen selbst und unhöflich für das Date. Moe rät zu mehr bewusster Ruhe und Reflexion:
Drehen die Gedanken trotzdem noch durch, hilft es, sich an das soziale Umfeld zu wenden. Der aktive Austausch mit Freund:innen oder der Familie sei wichtig, wenn Ängste und Unsicherheiten hochkommen, glaubt Moe: "Die Unterstützung durch dein Umfeld stärkt deine emotionale Widerstandskraft und gibt dir Sicherheit."
Zu guter Letzt führe aber kein Weg am Sprung "ins kalte Wasser" vorbei, ist der Psychologe überzeugt. Ohne diesen ist ein Neustart nicht möglich, denn alle neuen Erfahrungen, auch die guten, entstünden erst, wenn "die Komfortzone verlassen" würde.
Es lohne sich, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, wenn dafür die Aussicht auf neues, authentisches Liebesglück locke. Moe macht deswegen noch einmal Mut: "Lass dich durch Unsicherheiten oder Selbstzweifel nicht davon abhalten."