
Die Frage nach dem Babybauch ist selten eine gute Idee.Bild: ki / chatgpt
Sexistische Scheiße
Eine Schwangerschaft ist ein sehr persönliches Thema. Warum glauben trotzdem so viele, dass der Bauch – ach, allgemein der Körper einer Frau von anderen kommentiert werden dürfte?
20.08.2025, 07:4320.08.2025, 07:43
Ich drehte mich zu allen Seiten um, weil ich mir sicher war, ich konnte nicht gemeint sein. Doch da war niemand. Die Verkäuferin in der Parfümerie nickte mir aufmunternd zu. Sie hatte diese Frage wirklich mir gestellt: "Wann ist es denn so weit?"
Diese Frage war sicher nur nett gemeint. Die Frau wollte nichts Böses. Das Problem war nur: Ich war nicht schwanger.
Ich bereute umgehend, dass ich mir den Nachschlag von der Pasta heute Mittag gegönnt hatte. In meinem Kopf legte ich mir Erklärungen zurecht, mehr für mich selbst als für die Verkäuferin: Es war gerade stressig auf der Arbeit. In diesen Phasen neigte ich dazu, mehr zu essen. Doch ich sagte nichts. Denn die Situation war mir maximal unangenehm.
Ich verließ den Laden, ohne etwas zu kaufen. Der Tag war gelaufen.
Über "Sexistische Scheiße"
Ronja Brier schreibt in dieser Kolumne über Alltags-Sexismus, den wir alle kennen, selbst erfahren oder in der Öffentlichkeit wahrnehmen. Der trotzdem oft genug kleingeredet wird oder über den hinweggesehen wird. Unsere stellvertretende Chefredakteurin hat genug davon! In ihren Texten will sie informieren, widersprechen oder sich einfach mal über sexistische Scheiße auslassen.
Als ich zu Hause war, konnte ich nicht aufhören, mich im Spiegel zu mustern. Ich fühlte mich schrecklich. Doch das brachte mich zum Nachdenken.
Eine Schwangerschaft geht niemanden etwas an, außer die Frau selbst
Eine Schwangerschaft ist ein sehr persönliches Thema. Es ist ein so persönliches Thema, dass es niemanden etwas angeht, außer die Frau selbst (und die Person, die sich nach der Geburt mit um das Kind kümmert).
Genau deshalb sollte eine Frau selbst entscheiden, wann sie von ihrer Schwangerschaft erzählt – und wann nicht. Gerade in den ersten Monaten besteht zudem ein Risiko, das Kind zu verlieren. Dann ist das Thema besonders sensibel. Was ich meine, ist: Wenn eine Frau eine Schwangerschaft nicht selbst anspricht, hat das vielleicht einen Grund.
Andere sollten das verdammt noch mal respektieren.
Denke ich an die Dame aus der Parfümerie, dann fällt mir bis heute kein einziger guter Grund ein, warum ich eine Schwangerschaft mit ihr, die ich nie zuvor gesehen hatte und hoffentlich nie wieder sehe, teilen sollte.
Aber wer so fragt – "Na, wann ist es denn so weit?" – der glaubt ja, die Schwangerschaft einer fremden Person gehe einen etwas an. Und das zeugt vor allem von mangelndem Taktgefühl. Es ist eine der unverschämtesten Fragen, die man einer Frau stellen kann.
Denn sie zwingt eine Frau, sich dazu zu verhalten. Sie bringt sie in eine Situation, in der sie über ihre Schwangerschaft sprechen muss. Ob sie will oder nicht.
An der Stelle muss ich vielleicht einmal sagen: Das sieht ganz bestimmt nicht jede Frau wie ich. Ich kenne Frauen, die freuen sich, wenn sie über ihren Babybauch sprechen können, auch mit Fremden. Das ist schön für sie. Aber das geht eben nicht allen so.
Auf Reddit tauschen sich Frauen über die schlagfertigsten Reaktionen aus. Das zeigt: Das ist ein Thema, das viele Frauen kennen. Meine persönlichen Lieblingsantworten auf die Frage nach der Schwangerschaft sind:
- "Warum fragst du?" – und dann die andere Person schön auflaufen lassen.
- "Der Vater heißt Lieferando!"
- Oder einfach die Gegenfrage stellen: "Nein, du?"
Kein Alkohol? Warum das gar nichts heißen muss
Auch, wenn Frauen ausgehen und keinen Alkohol trinken, bekommen sie oftmals diese Frage gestellt. Auch in diesem Fall ist die Frage übergriffig – und kann schon einmal eine Party ruinieren, zumindest für die Gefragte.
Mein persönliches Beispiel (die Frau sieht schwanger aus, ist es aber gar nicht) ist ja nur der Klassiker. Was, wenn sie sogar schwanger sein will, es seit Jahren versucht, es aber nicht ist? Eine Befragung des Bundesfamilienministeriums zeigt: In Deutschland ist fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos.
Wenn der Körper einer Frau der öffentlichen Meinung preisgegeben wird
Ich denke bei dem Thema auch an prominente Frauen, die in Magazinen abgebildet werden – und zwar immer und immer wieder mit der Frage, ob da Nachwuchs unterwegs sein könnte? Das muss man sich mal vorstellen, welche Komplexe diese Frage auslösen kann, wenn sie nicht zwischen zwei Frauen in einer Parfümerie fällt, sondern in einem Artikel, der hunderttausende Leser:innen erreicht.
Dass der Bauch einer Frau nicht ihr gehört, sondern der öffentlichen Meinung preisgegeben wird, haben wir auch gesehen bei der Schauspielerin Margot Robbie, die 2024 Mutter geworden ist. Über ihre Schwangerschaft gab es auf Social Media unzählige negative Kommentare – und sogar Männer, die sich öffentlich fragten, warum sie das getan habe. Die Schwangerschaft würde schließlich ihren bisher perfekten Körper ruinieren.
Als ob diese Männer das irgendetwas angehen würde. Als ob sie irgendeinen Anspruch auf Robbies Körper hätten. Als ob ihr Körper das Einzige wäre, worum es Schauspielerinnen geht.
Das ist ein Phänomen, das sich auch losgelöst von einer Schwangerschaft beobachten lässt: Besonders häufig fühlen sich andere ermutigt, sich über den Körper einer Frau zu äußern, wenn diese sich im Bikini zeigt. Dann geht es oftmals um die Frage, wie sehr jemand in Shape ist. Doch ein Strandbesuch ist keine Einladung, den Körper einer Frau zu kommentieren.
Mein Bauch geht genau wie meine Cellulite nur mich etwas an.
Die Frage nach dem Babybauch ist Bodyshaming at its best
Und damit sind wir beim nächsten wichtigen Punkt. Denn die Grenzüberschreitung ist ja nur ein Aspekt, der mich stört an der Frage nach dem Babybauch. Was dazu kommt, ist: Bodyshaming.
Das erklärt auch, warum ich mich in der Parfümerie so geschämt habe. Mir wurde das Gefühl vermittelt, dass mein Körper so, wie er war, nicht in Ordnung war.
Dabei war der Fehler nicht mein Körper. Und auch nicht die Extra-Portion Pasta.
Selbst die Verkäuferin war nicht das eigentliche Problem, sondern die gängigen Schönheitsideale in der Gesellschaft, denen ich ganz offensichtlich nicht entsprochen habe: Ein kugeliger Bauch bei einer Frau wird immer noch zu oft nur dann akzeptiert, wenn sie schwanger ist.
Viele müssen jetzt stark sein: Nein, nicht jede Frau will Kinder
Doch was der Babybauch-Frage zugrunde liegt – übrigens: genau wie fast allen Themen, die von Feminist:innen als Problem identifiziert werden – ist: ein längst überholtes Rollenbild, das immer noch viel zu fest in der Gesellschaft verankert ist.
In diesem Fall ist das die Vorstellung, dass jede Frau irgendwann Kinder will. Viele halten den Kinderwunsch bei Frauen bis heute für völlig selbstverständlich. Für einen Fakt, von dem es auch keine Ausnahmen gibt. Die Verkäuferin in der Parfümerie hat sich gar nicht vorstellen können, dass eine Schwangerschaft nicht per se etwas Gutes sein könnte.
Und wenn Frauen das nicht so sehen? Dann stimmt natürlich mit den Frauen irgendetwas nicht, so denken auch heute noch viele.
Das Problem ist die Erwartung, die mit dieser Denkweise an Frauen gestellt wird: Lebensaufgabe Mutterglück! Und wenn eine Frau im gebärfähigen Alter ist und keine Kinder hat, wird ihr leider oft das Gefühl vermittelt, ihr fehle etwas.
- Über dieses Thema habe ich hier bereits geschrieben.
Die Frage nach dem Babybauch kann so viel machen, so viel auslösen in einer Frau.
Zum Schluss daher ein ganz konstruktiver Vorschlag. Denn es ist eigentlich gar nicht so kompliziert, was in solchen Situationen zu tun ist: Einfach die Klappe halten und nicht fragen! Kommentare über einen vermeintlichen Babybauch sind einfach viel zu selten eine gute Idee.
Viele Grüße gehen raus an die Parfum-Verkäuferin.
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George Orwell hätte seine Freude an der stillen Gewissheit, dass auch das Paradies längst verkabelt ist. Wo andere noch den Sand zwischen den Zehen spüren, witterte er schon die totale Erfassung. So ist es vielleicht nur folgerichtig, dass selbst die Balearen inzwischen Sensoren dort platzieren, wo sonst höchstens Muscheln im Wind klirren.