Wie lange man eine Beziehung betrauern sollte, bevor man sich wieder auf den Dating-Markt stürzt, ist eine umstrittene Frage. Die einen schwören auf frisch getrennte Singles, die sich quasi noch im Beziehungsmodus befinden, während andere befürchten, als Lückenbüßer:in herhalten zu müssen.
Es gibt Menschen, die nach einer Trennung erst einmal ihre Wunden lecken müssen und eine Weile Single bleiben wollen. Andere laden sich erst einmal die einschlägigen Dating-Apps herunter und sind schon am Abend der Trennung online auf der Suche nach der nächsten Liebe (oder zumindest Sex).
Erlaubt ist natürlich alles, aber – was ist auch gesund? Wann ist es vertretbar, nach dem Schlussmachen wieder zu daten, ohne sich und andere dabei zu verletzen?
Wir sprachen darüber mit Birgit Fehst. Die Buchautorin ("Harte Wahrheiten") studierte Psychologie und arbeitet heute als Paar- und Sexualtherapeutin in Berlin.
"Das kann man nicht pauschal sagen", nimmt die Expertin die Hoffnung auf eine allgemeingültige Richtlinie. Es ist ein Unterschied, ob die Beziehung schon vor Monaten emotional beendet war, man sich nach vielen Gesprächen einvernehmlich gegeneinander entschieden hat; oder ob die Liebe mit einem dramatischen Knall spontan im Streit aufgekündigt wurde, es an Gefühlen aber noch brodelt.
Denn seien wir ehrlich: Niemand will eine tickende Zeitbombe daten, die noch nicht über den oder die Ex hinweg ist. Ist die Trennung aber verwunden, gibt es keinen Grund, aus reinem Taktgefühl künstlich noch Wochen verstreichen zu lassen.
Auf das Innenleben kommt es an, erklärt die Psychologin: "Sobald man emotional wieder arbeitsfähig ist, kann man auch wieder daten." Was das heißen soll? Birgit Fehst führt es aus:
Es ist nur fair, dem neuen Date die Aufmerksamkeit zu schenken, die es verdient hat. Das sollte das Minimum beim Wiedereinstieg ins Dating sein.
Es geht aber noch besser: "Ganz großartig wäre es natürlich auch, wenn man die letzte Beziehung auch noch reflektiert und daraus gelernt hat", sagt die Expertin weiter. Jedes Scheitern ist schließlich auch eine Chance, sich weiterzuentwickeln. Zu erkennen, "was man will und was man nicht will, zum Beispiel. Oder auch, was man an seinem eigenen Verhalten noch ändern darf."
In einem solchen Fall wäre ein frisch-getrennter Mensch sogar ein richtiger guter Fang, weil er sich mit den eigenen Beziehungsmustern auseinandergesetzt hat.
So oder so lohnt es sich, in der Frage auf das eigene Bauchgefühl zu hören, zumindest wenn man selbst der besagte Neu-Datende ist. Bin ich wirklich über die Ex-Beziehung hinweg? Habe ich verstanden, was damals das Problem war? Weiß ich, was ich derzeit in meinem Liebesleben suche?
Wer in diesen Fragen noch unsicher ist, darf sich auch mal eine Pause gönnen. Schließlich kann Dating emotionale Schwerstarbeit sein. Wenn nun aber ausgerechnet in dieser Zeit ein ganz toller Mensch daherkommt, braucht man sich nicht künstlich bremsen, sagt Birgit Fehst: "Wenn man zufällig jemanden kennenlernt, während man noch mitten im Prozess ist, sollte man den nicht wegstoßen, sondern mit ihm sprechen und es langsam angehen lassen."
Ein langsames Kennenlernen, sorgsame und ehrliche Kommunikation kann den Übergang erleichtern. Das ist in jedem Fall besser als einem tollen Menschen aus Prinzip eine Absage zu erteilen, nur weil das Timing nicht stimmt. "Sonst bereut man die verpasste Chance irgendwann", mahnt auch die Psychologin. Oder um Schlagerbarden Jürgen Marcus zu zitieren: "Was einmal war, ist vorbei und vergessen und zählt nicht mehr …"