Wer fühlt sich wirklich einsamer: Singles oder Vergebene?
Singles werden auch heute noch zu oft behandelt wie einsiedlerische Wunderlinge. So wird von einer "male loneliness epedemic" gesprochen, als ob das Fehlen einer Beziehung Single-Männer automatisch zur Einsamkeit verdammen würde.
Gleichzeitig ist es für viele schwer vorstellbar, dass auch vergebene Personen sich zu zweit einsam fühlen. Natürlich liegt der Gedanke nahe, dass man sich geborgener fühlt, wenn da noch jemand bei einem ist, aber hängt unser Einsamkeitsgefühl wirklich mit dem Beziehungsstatus zusammen?
Watson sprach darüber mit Markus Ernst. Er studierte Psychologie an der Universität Marburg, arbeitet als Paartherapeut und befasste sich als Parship-Experte zuletzt mit deren "Einsamkeits-Index".
In der Studie (2063 Befragte aus Deutschland im Alter von 18 bis 79 Jahren, 2025) gaben 26 Prozent der Singles an, sich "eher bis äußerst einsam" zu fühlen, gegenüber 14 Prozent der in Beziehung lebenden Menschen. Ergo fühlen sich Alleinstehende also tatsächlich ein bisschen öfter auch alleine.
40 Prozent der Singles fühlen sich heute einsamer als in Ex-Beziehungen
"Die unterschiedliche Wahrnehmung von Einsamkeit zwischen Singles und Liierten wird deutlich", bestätigt der Psychologe. "Singles geben häufiger an als Liierte, dass ihnen grundsätzlich wertvolle soziale Beziehungen fehlen." Zudem trauen sie sich laut Eigenangaben "deutlich häufiger nicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, die sie interessant finden."
Nun könnte das zwar einfach bedeuten, dass schüchterne Menschen sowohl Schwierigkeiten haben, Freundschaften zu schließen als auch seltener in Beziehungen sind, doch Markus Ernst widerspricht dieser These:
Im Kontrast haben sich dieselben Menschen also offenbar in Beziehungen geborgener gefühlt als als Single. Gleichzeitig wäre es Unsinn, anzunehmen, dass eine Partnerschaft als Wundermittel gegen Einsamkeit helfe – viele andere Faktoren sind genauso entscheidend.
"Das Gefühl von Einsamkeit beruht nicht nur auf dem Beziehungsstatus, sondern auch auf Alter, Geschlecht, sozialer Eingebundenheit, Lebensumständen und psychischer Verfassung", erklärt der Paartherapeut gegenüber watson. "Der wichtigste Schutzfaktor gegen Einsamkeit ist eine stabile soziale Einbindung – unabhängig davon, ob jemand in einer Partnerschaft lebt oder nicht."
Heißt im Klartext: Wer enge Freundschaften pflegt und ein gutes familiäres Umfeld besitzt, fühlt sich "signifikant weniger einsam." Sowohl liiert als auch solo.
Gen Z fühlt sich öfter einsam als die Boomer-Generation
Frauen sind zwar oft gut sozial eingebunden, dennoch macht ihnen die Angst vor dem Alleinsein mehr zu schaffen. Markus Ernst: "Frauen berichten tendenziell häufiger von Einsamkeit, sind aber auch reflektierter und ausdrucksfähiger im Umgang mit Emotionen." Männer seien hingegen "stärker betroffen, wenn sie allein leben, allerdings auch weniger offen, Einsamkeit zuzugeben."
Zudem gebe es Unterschiede zwischen den Generationen. Der Psychologe weist darauf hin, dass es nicht "wie oft angenommen Senioren" waren, die sich als einsam bezeichneten, sondern, "dass junge Erwachsene und Menschen in der Lebensmitte besonders betroffen sind" – die Gen Z und Millennials.
Obwohl diese in einer Lebensphase stecken, in der sie vermutlich täglich im Fitnessstudio oder am Arbeitsplatz Menschen begegnen, fühlten sie sich einsam. Das bestätigt, was der Paartherapeut abschließend erklärt, nämlich dass oft "psychische Faktoren" eine Rolle spielten.
Der Experte führt aus:
Wenn das nächste Mal also ein dummes Klischee im Gespräch hervorgeholt ist, lohnt es sich darauf hinzuweisen, dass auch vergebene Menschen sich unendlich alleine fühlen können – und so mancher Single sozial pappsatt ist.
