Die meisten Menschen waren schon Opfer, manche vielleicht auch Täter:in. Von Sätzen, die im Streit fallen und tief unter der Gürtellinie landen. Besonders häufig passiert das in emotionalen Beziehungen, zum Beispiel eben in der Liebe. "Love me tender", kann Elvis da noch so oft flehen, wie er mag. Zwischen Paaren wird es manchmal verbal brutal.
Was jetzt? Wir sprachen mit Therapeutin Vera Matt über verbale Tiefschläge im Streit und Fake-Entschuldigungen. Sie ist Paartherapeutin und hat eine psychotherapeutische Praxis in Brandenburg.
Was sollte man tunlichst gar nicht erst aufbringen, wenn man den Frieden wahren will? Es gäbe nicht den einen Satz, den man sich verkneifen sollte, sagt Vera Matt. Denn was unter der Gürtellinie ist, sei "subjektiv und hat meist mit Identitätsverletzungen zu tun."
Pauschale Vorwürfe wie "du bist immer so und so" wären ein häufiger Streitpunkt, sagt die Therapeutin. Sehr schmerzhaft sei oft auch "der Vergleich mit den Eltern".
Wenn es im Streit so richtig weh tat, hallen solche Sätze nicht nur ein paar Tage nach, manche Tiefschläger überdauern sogar die Beziehung oder dringen noch Jahre später wieder ins Gedächtnis.
Ist es also nur logisch und fair, wenn wir im Streit erwidern: "Dass du DAS gerade gesagt hast! Diesen Satz werde ich dir nie verzeihen"? Vera Matt sagt, inzwischen wäre sie überzeugt: "Nicht verzeihen wollen ist nicht der Weg."
Es gehöre leider dazu, auch einmal verletzt zu werden, wenn man sich auf andere Menschen emotional einließe, ganz besonders in romantischen Beziehungen. Das könne nicht umgangen werden.
"Es ist nicht alles Liebe, was im Namen der Liebe geschieht, das ist leider so", sagt die Therapeutin klar. "Das tut uns weh, das hinterlässt Wunden, ein gebrochenes Herz und verletztes Vertrauen, aber wir müssen irgendwie damit klarkommen." Sie führt weiter aus:
Nicht verzeihen zu wollen, ist somit das berühmte Messer, mit dem man sich ins eigene Fleisch schneidet. "Es ist auch nicht wirklich cool zu sagen: 'Das verzeihe ich dir nie'", sagt Vera Matt weiter. "Es ist nicht mächtig oder souverän, kein Zeichen von Handlungsfähigkeit oder Entschlossenheit, sondern eigentlich ein Zeichen von Hilflosigkeit."
Prinzipiell gelte viel eher: Eine Verletzung tue nur so lange weh, wie man sie verdrängt. Hat man noch nicht aufgearbeitet, dass die Eltern einen einst faul und ambitionslos nannten, tut es also doppelt weh, wenn dieser Vorwurf in der Partnerschaft wieder fällt.
"Alles, was wir verdrängen und nicht verarbeiten, erleben wir mit einer noch viel schlimmeren Heftigkeit, wenn es dann doch wieder hochkommt, sei es durch einen Trigger oder eine tatsächliche Wiederholung des Erlebnisses", sagt die Therapeutin und erklärt:
Dieser sinnbildliche Schrank voller Wut-Schubladen wird allerdings niemals leergeräumt, wenn wir den Krempel darin sammeln und bewahren. "Das klingt jetzt gleich total kirchlich", sagt die Expertin lachend, "aber die eigentliche Frage nach einer großen Verletzung sollte sein: Wie kann ich verzeihen und loslassen lernen?"
Nicht aus altruistischen Gründen, nicht als Teil einer aufopfernden Leidensgeschichte, sondern für das eigene Wohl. Auch damit man sich selbst wieder handlungsfähig fühlt, wie Vera Matt ausführt: "Die andere Person war böse, ja. Aber das war nun einmal ihr Part und darüber habe ich null Kontrolle. Aber worüber ich volle Kontrolle und auch die Entscheidungsgewalt habe, ist mein Leben."
Sie ist überzeugt: "Verzeihen ist echte Macht und echte Handlungsfähigkeit und echte Selbstverantwortung."
Loslassen, auch wenn es schwerfällt, sei also die beste Lösung, wenn man sich durch eine Aussage verletzt fühlt. Aber was ist eigentlich, wenn man selbst die Person war, der das Unaussprechliche über die Lippen rutschte?
Gibt es einen Weg, das wieder geradezubiegen? Sollte man erklären, woher dieser Ausspruch kam? Vorsicht, sagt die Therapeutin aus Erfahrung: "Es ist oft so, dass Menschen eine Entschuldigung benutzen, um sich zu entlasten und dieses Problem-Päckchen sozusagen dem Anderen zuzuschieben. Wenn man sich rechtfertigt, ist das keine ehrliche Entschuldigung, sondern eigentlich ein Nachtreten."
Sie veranschaulicht an einem praxisnahen Beispiel:
Eine echte Entschuldigung ist es erst, wenn die volle Verantwortung dafür übernommen wird, dass man das Gegenüber sehr verletzt hat, sagt Vera Matt. "Das war sehr ungerecht von mir, tut mir wirklich leid" oder "Entschuldige, dass ich dir weh getan habe, das war viel zu viel."
Mehr gäbe es dazu manchmal gar nicht mehr zu sagen. Dann heißt es nur noch die Stille und die abschwellende Wut aushalten können, die der oder die Andere unter Umständen braucht, um verzeihen zu können.
Und man sollte dem Drang widerstehen, in diese Stille hinein zu dozieren: "Aber du könntest dich auch mal entschuldigen, weil du gestern auf dem Weg zu Mia..." Sonst hätte man nicht den Streit beendet, mahnt Vera Matt abschließend, "sondern nur Runde Zwei eingeläutet."