Betrogen zu werden, ist nicht schön. Doch wenigstens sind die Gefühle dann eindeutig (nämlich zumeist wütend!). Der oder die Betrüger:in hingegen schlägt sich nach einem Seitensprung mit einem Potpourri an Emotionen herum, die nur von einer Sache übertrumpft werden. Der Stimme im Kopf, die fragt: "Willst du deinen Fehltritt jetzt beichten oder lieber nicht?!"
Es nicht zu erzählen, wäre schlicht feige. Es zu erzählen mitunter egoistisch, wenn es in erster Linie darum geht, das eigene Gewissen zu erleichtern. Andererseits: jede:r sollte das Recht haben zu wissen, dass die Beziehung die monogamen Gefilde verlassen hat, oder?
Es ist ein uraltes Streitthema. Wir haben darüber mit Mignon Kowollik gesprochen. Sie arbeitet als Sexual-Coach für Paare und Singles in Hamburg.
Für sie ist es in erster Linie wichtig, sich anzuschauen, was überhaupt die Gründe für die Affäre waren. "Für Fremdgehen gibt es viele verschiedene Ursachen, so kann ein Seitensprung spontan und aus dem Affekt heraus geschehen, sich anbahnen oder vielleicht auch geplant sein", sagt sie.
Je nachdem gewinnt oder verliert ebenjener Fehltritt auch an Bedeutung. Ein von langer Hand geplanter Seitensprung, in den monatelang Nachrichten, Planung und Heimlichtuerei investiert wurde, ist logischerweise ein deftigerer Betrug, als ein One-Night-Stand im Vollrausch, der aus einer Sondersituation heraus geschah.
"Möglicherweise wurde auch vorab bereits über Gelüste oder Sehnsüchte gesprochen, die trotz dessen in der eigenen Beziehung nicht erfüllt wurden, wie 29 Prozent der Mitglieder des Datingportals 'Ashley Madison' bei einer Umfrage angeben", berichtet die Sexualberaterin.
Unerfüllte Bedürfnisse, ob sexuell oder emotional, sind in einer Beziehung nie ein gutes Zeichen. Der Betrug wäre dann im Prinzip nur das Symptom der bereits maladen Partnerschaft.
"Eventuell fand aber auch gar kein vorheriger Austausch statt und es stellt sich die Frage, ob eine 'Beichte' Sinn macht, wenn schon in der Vergangenheit keine Kommunikation zum Thema Sexualität stattgefunden hat", gibt Kowollik zu Bedenken.
Oder anders gesagt: Paare, die nicht offen miteinander kommunizieren, haben eigentlich noch größere Probleme. Das Gespräch, was dann gesucht werden müsste, wäre vielleicht nicht mehr: "Ich bin fremdgegangen", sondern "Sind wir überhaupt noch glücklich?!"
Wenn nun aber beide Seiten durchaus offen über ihre Bedürfnisse sprechen und versuchen, einander gemeinsam "satt" zu machen, sieht die Sache anders aus.
Denn auch in eigentlich funktionierenden, monogamen Partnerschaften kommt es zu Seitensprüngen. "In vielen Fällen ist Ehrlichkeit zwar wichtig, doch es ist genauso bedeutend, die Beweggründe für den Fehltritt zu verstehen", sagt Mignon Kowollik dazu und führt aus:
Es wäre dann aber mindestens die Aufgabe des oder der Betrüger:in herauszufinden, wie es dazu kommen konnte und sicherzustellen, dass es bei einem einmaligen Vorfall bleibt.
Für viele sei Fremdgehen immer noch das Ende der Beziehung, weiß die Sexualberaterin. Das ist viel Druck. Kowollik: "Letztendlich ist die Erwartung, dass der Partner einen zu hundert Prozent und jederzeit vollkommen sowohl emotional als auch sexuell befriedigen kann, für einen einzigen Menschen kaum zu erfüllen."
Partnerschaften, in denen der Treue-Anspruch niedriger ist, machen es sich da bedeutend leichter, glaubt sie. Es sei in Ordnung, gemeinsam zu entscheiden, dass es "für bestimmte Aspekte einen oder mehrere sekundäre Partner" geben dürfe, sagt Kowollik. "Dies bedeutet nicht, dass die primäre Beziehung unzureichend ist."
Einen Fehltritt zu verschweigen oder Seitensprünge direkt in die Beziehung einkalkulieren – das ist aber natürlich nicht immer die beste Lösung! Ganz im Gegenteil: Es gibt zahlreiche Fälle von Betrug, in denen kein Weg am Geständnis vorbeiführt.
Zum Beispiel, "wenn das Fremdgehen ein tieferliegendes Problem in der Partnerschaft aufdeckt oder wiederholt auftritt", sagt die Sexualberaterin. In vielen Fällen bleibt es nämlich nicht bei dem einen Mal, das man ehrlich bereut, sondern ein Seitensprung macht geradezu süchtig und führt direkt zum nächsten.
Soweit sollte es auf keinen Fall kommen. Handelt es sich nicht nur um einen Fehltritt, sondern ausgewachsene Affären und anhaltenden Betrug "ist die Offenheit über das Geschehene und vor allem die nachfolgende Kommunikation entscheidend, um gemeinsam eine Lösung zu finden", sagt Kowollik.
Wie konnte es so weit kommen? Wonach sucht der betrügende Part im Außen? Lohnt es sich, an dieser Beziehung festzuhalten? Ist eine Therapie vonnöten?
Manch ein:e Fremdgänger:in schweigt in erster Linie aus Angst vor der Reaktion des Gegenübers. Doch die sei oft unvorhersehbar, sagt Kowollik:
Es gäbe allerdings ein Ereignis, was den Schmerz und die Wut des Betrugs "ziemlich sicher verschlimmert", gibt die Sexualberaterin zu Bedenken, nämlich "wenn dieser zufällig oder durch Dritte ans Licht gebracht wird."
Denn wer zu lange grübelt, ob er oder sie gestehen soll oder nicht, dem wird die Entscheidung zuweilen abgenommen...