Können alle Frauen Squirten lernen?
"Squirting Anleitung", "Squirting lernen", "Geht Squirting bei jeder Frau?" – diese Begriffe werden in Deutschland am häufigsten im Zusammenhang mit weiblicher Ejakulation gegoogelt. Was zwei Dinge zeigt: Squirten scheint (erstens) ein begehrenswerter Skill zu sein. Ein Skill, den aber (zweitens) nicht alle beherrschen.
Was steckt hinter der weiblichen Ejakulation? Ist das lustvolle Abspritzen ein seltenes Phänomen oder im Prinzip bei jedem Orgasmus möglich?
Wir haben Lea Holzfurtner gefragt. Sie ist klinische Sexologin und Autorin des Buches "Dein Orgasmus". Sie coacht Menschen mit Vulva und Paare bei Orgasmus- und Lustproblemen in ihrer Praxis in Berlin oder online.
Lustvoll abzuspritzen ist kein rein männliches Vergnügen
"Sowohl Menschen mit Penis als auch Menschen mit Vulva können ejakulieren", führt sie in das Thema ein. Denn alle hätten körperlich grundsätzlich die Voraussetzungen, die "es braucht, damit diese Flüssigkeiten produziert und an die Oberfläche befördert werden können."
Warum es dennoch nicht bei jedem weiblichen Orgasmus dazu kommt, viele Frauen selbst beim Masturbieren noch nie wahrnehmbar abgespritzt haben, hat viele Gründe.
"Zu Squirting gibt es viel zu wenig Forschung", sagt Holzfurtner. Die wenigen Studien, die es gebe, seien "nicht mit vielen Teilnehmenden ausgestattet gewesen" und damit nur begrenzt aussagekräftig. "Studien müssen nämlich auch finanziert werden", sagt sie – und ergänzt:
Allerdings gebe es zumindest ein paar wenige Studien, aus denen hervorgeht, "dass sich die Squirtingflüssigkeit von Urin unterscheidet – obwohl trotzdem Spuren von Urin in ihr enthalten sind." Es handelt sich also nicht nur, wie landläufig oft angenommen wird, um etwas losgelassene Pipi.
Squirting war schon in der Antike ein bekanntes Phänomen
Schon Aristoteles notierte in seinem "De generatione animalium" etwa 300 v. Chr.: "Auch Frauen ejakulieren aus ihrem Körper. Manchmal in ihren Uterus – der dann feucht wird – und manchmal auch außerhalb von ihm." Das Phänomen ist also schon lange bekannt.
Doch wurde es, je nach Zeitgeist, entweder verteufelt oder gefeiert. Squirting war immer schon etwas, "das Menschen mit Vulva entweder unbedingt produzieren sollen oder etwas, für das sie sich schämen müssen und das deswegen nur im Geheimen passiert", sagt die Sexologin.
Der Versuch, abzuspritzen, vielleicht auch, um den Lover-Qualitäten der Bettpartner:innen zu schmeicheln, verursacht enormen "Leistungsdruck", weiß sie. In einem Umfeld, in dem Squirten verpönt oder unbekannt ist, wird das nasse Phänomen hingegen oft von Scham begleitet. So stark, dass einige sich bemühen es zurückzuhalten.
Eines erkenne man an diesem Beispiel zumindest gut, sagt Lea Holzfurtner: "Die Sexualität von Menschen mit Vulva ist immer 'falsch'. Wir können es nicht richtig machen. Egal ob wir abspritzen oder nicht."
Momentan gilt es eher als heiß, das Bett lustvoll einzunässen, wie die Therapeutin aus ihrer Praxis weiß:
Wie es überhaupt zur weiblichen Ejakulation kommt
Doch trotz all der guten Ratschläge und Tutorials wäre immer noch "unglaublich viel Missinformation dazu im Umlauf."
Zeit für einen kleinen Fakten-Check. Die Flüssigkeit, die beim Squirten austritt, ist logischerweise keine Samenflüssigkeit und auch nicht (nur) Harnstoff. Stattdessen wird die Flüssigkeit "in den Paraurethral-Drüsen produziert, die an der Harnröhre entlang wie ein Baumgeflecht verlaufen", erklärt Holzfurtner.
Diese sind das weibliche Äquivalent zur Prostata und produzieren ein Sekret, das dünnflüssig ist und bei sexueller Erregung austreten – oder herausschießen – kann. Viele Menschen nehmen an, dass nur durch die Stimulation des ominösen "G-Punkts" zum Squirten animiert werden kann. Dieser Idee widerspricht die Expertin aus mehreren Gründen.
So gebe es "den G-Punkt nicht. Er ist kein geheimer Knopf, sondern eine Fläche", die sich Clito-Urethral-Vaginal-Fläche nennt und deren Stimulation sich "für viele Menschen mit Vulva gut anfühlen kann, weil dort eben auch der im Inneren liegende Teil der Klitoris stimuliert wird."
Squirting in Pornos ist oft Fake, doch man kann es tatsächlich üben
Das führe aber nicht zwangsläufig zur weiblichen Ejakulation. "Tatsächlich braucht es keine CUV-Flächen-Stimulation, externe klitorale Stimulation scheint laut Erfahrungsberichten auszureichen", fasst Holzfurtner zusammen.
Wie viel Flüssigkeit beim Squirten austräte, sei "total unterschiedlich", erklärt sie weiter. Die Menge reiche "vom Teelöffel bis zur Fontäne, die man aus Pornos vielleicht kennt". Wobei die wilde Spritzerei in Erotikfilmen kein Maßstab für echten Sex sein sollte, da sie "dort oft gefakt ist", beruhigt Lea Holzfurtner.
Wenn du dennoch neugierig bist, wie sich das anfühlt, gilt es zu experimentieren und vor allem zu entspannen. Die Expertin führt aus:
Jetzt einfach dranbleiben und schauen, was passiert. Denn oft sei es "die Angst, aus Versehen wirklich zu pinkeln, die Menschen mit Vulva dann davon abhält, in dieser Situation loszulassen", sagt Holzfurtner abschließend.