Es gibt wohl kaum eine Sache, auf die Deutsche sich mehr einbilden als auf ihre jahrhundertealte Brotkultur. Dank des Einsatzes der deutschen Bäcker schaffte es die Brotkultur mit ihren Tausenden Sorten im Jahr 2014 sogar in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Unesco.
Mit einem Probekauf bei einer Bäckerei im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach hat das Landesamt für Mess- und Eichwesen nun für Aufruhr im Brotland Deutschland gesorgt. Wegen eines Wucherpreises für ein halbes Brot fürchteten viele plötzlich ein Verkaufsverbot von geschnittenem Brot.
Hintergrund war ein 2-Kilogramm-Brot, das in kleineren Abpackungen über die Bäckertheke in der Nähe von Mainz ging. Das gesamte Brot lag für einen Preis von 7,65 Euro in der Auslage. Bei einem Kauf von einem Viertel des gleichen Brotes zahlten Kund:innen hingegen 2,40 Euro, was bei dem ganzen Brot einen höheren Gesamtpreis von 9,60 Euro bedeuten würde.
Gesetzlich gesehen müssen Bäcker:innen in Deutschland vorverpackte Brote und Brötchen mit mehr als 250 Gramm vor dem Verkauf auf einer preisberechnenden Waage abwiegen. Da dies bei besagtem Probekauf offenbar nicht der Fall war, soll das Eichamt daher den Betreiber der kleinen Bäckerei verwarnt haben.
In mehreren Medien sowie in den sozialen Netzwerken wurde der Vorfall aus Rheinland-Pfalz aufgegriffen. In der CDU-Landtagsfraktion prangerte man einen Regulierungswahn an, mitunter wurde von einem angeblichen Bußgeld in dreistelligem Bereich gesprochen.
"Ihr habt sicher Ideen, mit welchen Themen sich das FDP-Wirtschaftsministerium in RLP vielleicht eher beschäftigen sollte", twitterte die CDU-Landesfraktion und bat um Vorschläge für wichtigere Themen. Auch viele Verbraucher:innen beschwerten sich über die mögliche Regulierung. "Unsere Bürokratie hat wohl Langeweile", schreibt eine Reddit-Nutzerin.
Das Landesamt stellte klar, dass keine Strafe verhängt wurde. Stefan Körber, der Geschäftsführer des zuständigen Bäcker-Innungsverbands Südwest, gab ebenfalls an, dass ihm kein Verkaufsverbot für halbe Brote bekannt sei.
Eine der größten Bäckereiketten aus Rheinland-Pfalz warb nach den Berichten über den Vorfall hingegen direkt mit dem Slogan "Keine halben Sachen mehr" und stoppte eigenständig den Verkauf von halben Broten. Man könne in den mehr als 200 Filialen der Kette Görtz nicht vollständig gewährleisten, die exakten Preise für geschnittene Brotwaren anzugeben.
Viele weitere Bäckereien klinkten sich in die Diskussion ein und kritisierten den Mehraufwand beim Wiegen sowie die hohen Preise und nötigen Kontrollen für geeichte Waagen.
Expert:innen weisen hingegen darauf hin, dass entscheidend sei, ob Brotwaren in der Filiale auf Wunsch einzelner Kund:innen gewogen werden oder bereits vorverpackt wurden. In erstem Fall ist keine Eichwaage nötig und Bäcker:innen müssen keinerlei Vorgaben vom Landesamt fürchten.
Das Landesamt unterstrich zudem, dass entsprechende Gesetze lediglich dem Schutz der Verbraucher:innen dienen. Wer also auf eigenen Wunsch geschnitten Brot bestellt, muss sich nicht um sein Kulturgut sorgen.