In Deutschland ist man auf vieles in der eigenen Landesgeschichte nicht stolz. Und doch gibt da etwas, eine Regel, ein Gebot sogar, das seit Jahrhunderten besteht und für viele Deutsche ein Heiligtum darstellt: Bier, gebraut nach dem Reinheitsgebot von 1516. Hopfen, Malz, Hefe und Wasser: Mehr darf, mehr soll und mehr braucht ein Bier demnach nicht zu beinhalten.
Diese Regel besteht hierzulande so ewig wie kaum eine zweite. Und auch wenn regelmäßig über die besten und grässlichsten regionalen Biere gestritten wird, so bevorzugen viele ein ungeliebtes deutsches gegenüber einem starken belgischen, einem würzigen irischen oder einem dünnen US-amerikanischen Bier.
Nun droht das Reinheitsgebot jedoch zu verschwinden. Verantwortlich ist dafür eine Sondergenehmigung für die Produktion eines besonderen Bieres. Dieses bringt die Branche in Aufruhr.
Doch was ist passiert, das die Bierbrauereien so verärgert? Ganz einfach: Das Reinheitsgebot wird umgangen. Und das ganz legal. Gesetzlich verankert ist es nämlich im sogenannten "Vorläufigen Biergesetz", das seit 1993 in Deutschland gilt – im Falle von "besonderen Bieren" jedoch Ausnahmen vom Reinheitsgebot kennt.
Eine solche Ausnahme haben die Behörden für die ursprünglich mexikanische Marke Corona Extra gemacht. Diese setzt statt auf Gerste auf Mais. Das Getränk wird vom weltgrößten Bier-Konzern AB Indev hergestellt, dem in Deutschland unter anderem auch Beck's, Diebels und Hasseröder gehören. Und in einer Hasseröder-Brauerei in Wernigerode im Harz wird nun Corona Extra gebraut, genehmigt als "besonderes Bier".
Eine Pressesprecherin des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt begründete die Ausnahme gegenüber dem Fachportal "Getränke News" damit, dass "Mais dem Bier seinen besonderen Geschmack verleiht". Dennoch habe es die "charakteristischen Grundzüge eines untergärigen Bieres" gemäß dem "Vorläufigen Biergesetz".
Wie das Fachportal schreibt, geben sich Branchenvertreter nach der Entscheidung nach außen hin gelassen, "doch hinter den Kulissen brodelt es. Von der Verletzung eines Tabus ist die Rede."
Namentlich wollte sich laut "Getränke News" niemand aus der Branche zitieren lassen. Ein "Branchenkenner" erklärte, was die Konkurrenten so aufregt: Corona solle in Wernigerode in großer Menge produziert werden. Da werde es nicht lange dauern, bis billige Nachahmungen auf den Markt kämen, die ebenfalls nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut werden. "Getränke News" schreibt, "es drohe ein Dammbruch".
Es bestehe die Sorge, dass eine Mentalität nach dem Motto "Was interessiert mich das Reinheitsgebot?" entstehe. Es gehe "um nichts weniger als das Image der deutschen Brauereien". Dementsprechend sauer ist die Branche vor allem auf die Behörden, welche die Ausnahme für Corona Extra zugelassen haben.
Ein weiterer Grund dafür ist, dass die Marke mit der Zulassung des Brauens nach ihrem Rezept gewissermaßen wirtschaftlich begünstigt wird, so der Vorwurf. Ein Brauereivertreter kritisiert: "Mais ist billig, daraus wird sonst Viehfutter oder Biogas. Jetzt wird in Deutschland erstmals ein Massenbier mit Mais gebraut." Es entstehe eine Wettbewerbsverzerrung.