Der Bau der Berliner Mauer begann in der Nacht zum 13. August 1961. Polizisten und Soldaten riegelten die Grenze zu West-Berlin ohne Vorwarnung ab, um die Einwohner:innen der DDR daran zu hindern, weiter in den Westen abzuwandern. Mehr als 28 Jahre sollte das Monument letztlich stehen, die gesamte Stadt teilen, Familien trennen und die Geschichte eines ganzen Landes prägen.
Am 9. November 1989 war es dann Günter Schabowski, der Zentralkomitee-Sekretär für Information, der bekannt gab, dass die DDR ihre Grenzen geöffnet habe. Seines Wissens gelte die Reisefreiheit "ab sofort". Daraufhin strömten unzählige Menschen zur Grenze, die Mauer war Geschichte und ein Jahr später auch die deutsche Teilung.
Doch auch wenn "der Osten" längst kein einheitlicher Block mehr ist und sich die (gar nicht mehr so) neuen Bundesländer in mehr als einem Punkt voneinander unterscheiden, gibt es einige Dinge, an denen die einstige Teilung unseres Landes weiter sichtbar ist – selbst 35 Jahre nach Mauerfall.
Nach den diesjährigen Landtagswahlen dürfte es vielen Menschen wieder aufgefallen sein: In ostdeutschen Bundesländern fallen die Wahlergebnisse teils deutlich anders aus als in westdeutschen. Am auffälligsten waren 2024 die Zugewinne für die AfD. In Sachsen und Brandenburg landete die in Teilen rechtsextreme Partei auf dem zweiten Platz (hinter CDU beziehungsweise SPD) mit jeweils rund einem Drittel der Stimmen.
In Thüringen konnte die AfD sogar den Wahlsieg erringen und erreichte mit 32,8 Prozent der Stimmen ihr bestes Landtagswahlergebnis überhaupt. Von solchen Zahlen ist die Partei in den alten Bundesländern weit entfernt. Dort erzielte sie ihr bestes Ergebnis 2023 in Hessen mit 18,4 Prozent.
Diese Diskrepanz zeigte sich auch bei der Bundestagswahl 2021: Während die AfD im Westen gerade einmal 8,2 Prozent der Stimmen holte, waren es im Osten 20,5 Prozent. Damit war sie zweitstärkste Kraft hinter der SPD und noch vor der Union.
Die Ursachen für das Wahlverhalten sind komplex. Manche vermuten, dass Menschen, die in der DDR aufwuchsen, eine Skepsis gegenüber etablierten Parteien entwickelt haben und deshalb eher neuen Parteien ihre Stimme geben. Anderen führen wirtschaftliche Gründe an. Die Menschen im Osten Deutschlands fühlen sich abgehängt und nicht ernst genommen.
Die Vermögensverteilung zwischen Ost und West fällt nämlich weiter sehr ungleich aus, wie eine Auswertung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) 2021 zeigte. Demnach kamen nur 6,1 Prozent der Millionäre und 8,1 Prozent der Wohlhabenden aus ostdeutschen Bundesländern. Als wohlhabend zählten dabei diejenigen mit einem Vermögen zwischen 126.000 und einer Million Euro.
Im Gegenzug sind Ostdeutsche in der unteren Hälfte der Vermögensverteilung (weniger als 22.800 Euro) mit 20,3 Prozent stärker vertreten als in der Gesamtbevölkerung. Dort liegt ihr Anteil bei rund 16 Prozent.
Auch was Wohneigentum angeht, ist die Teilung Deutschlands noch sichtbar – wenn auch nicht ganz so gravierend. Die gesamtdeutsche Eigentumsquote lag 2018 laut Destatis bei 42,1 Prozent. Während knapp 45 Prozent der Bewohner:innen des früheren Bundesgebiets als Immobilieneigentümer:innen zählen, waren es in den neuen Bundesländern und Berlin nur 31,4 Prozent.
Eine neue Auswertung des Institutes der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt allerdings: Seit 2011 sind die Eigentumsquoten auf dem Land und in den Städten im Westen deutlich gesunken, während sie in allen ostdeutschen Bundesländern deutlich zugelegt haben. Das sei auf Nachholeffekte seit der Wiedervereinigung zurückzuführen.
In der DDR war der Erwerb von Wohneigentum nur eingeschränkt möglich, gleichzeitig subventionierte der Staat die Mietkosten stark. Im Osten war es also lange Zeit attraktiver und einfacher, zu Miete zu wohnen.
Eine weitere Folge des sozialistischen DDR-Staats: Im Osten ist die Kirchenbindung sehr viel geringer als im Westen. Bei einer Eurobarometer-Umfrage im Dezember 2018 ordneten sich 74 Prozent der Befragten aus Westdeutschland einer christlichen Religionsgemeinschaft zu. In Ostdeutschland war das nur bei einem Viertel der Fall.
Besonders niedrig fallen die Mitgliedszahlen der evangelischen und katholischen Kirche in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg aus. Dort lag ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung nur bei 18,3 Prozent. Nur in Sachsen-Anhalt waren es mit 15,3 Prozent noch weniger.
Zum Vergleich: Im Saarland waren 2018 fast drei Viertel der Bevölkerung entweder katholisch oder evangelisch – der bundesweit höchste Wert.
Grund für die unterschiedliche Entwicklung: Während die Kirchenbindung im Westen über Jahrzehnte hinweg langsam nachließ, wurde in der DDR eine Säkularisierung forciert. Der Staat unterdrückte Religion systematisch und schränkte die staatliche Förderung für Kirchen stark ein. So entwickelte sich laut Bundeszentrale für politische Bildung eine "Kultur der Konfessionslosigkeit".
Dabei war die Ausgangslage nach dem Zweiten Weltkrieg recht ähnlich: Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland waren über 90 Prozent der Menschen Mitglieder der evangelischen oder katholischen Kirche.
Nach dem Mauerfall hat sich die Bevölkerung in den alten und neuen Bundesländern unterschiedlich entwickelt. Zum Zeitpunkt der deutschen Einheit im Jahr 1990 lebten laut Statistischem Bundesamt (Destatis) 15 Millionen Menschen in Ostdeutschland (ohne Berlin). Westdeutschland (früheres Bundesgebiet ohne Berlin-West) zählte indes rund 62 Millionen Einwohner:innen, also viermal so viel.
Diese Diskrepanz hat sich in den darauffolgenden Jahren noch weiter verstärkt: Bis 2022 nahm die Bevölkerung in den westlichen Bundesländern um 10 Prozent zu, während sie im Osten um 15 Prozent abnahm. Mittlerweile leben laut Destatis fünfmal so viele Menschen im Westen als im Osten.
Diese Entwicklung hat unterschiedliche Gründe.
Zum einen sind vor allem in den 1990er- und 2000er-Jahren mehr Menschen von Ost nach West abgewandert als umgekehrt. Gemäß Destatis waren es vor allem junge und mittelalte Menschen, die den ostdeutschen Bundesländern den Rücken gekehrt haben. Dadurch soll Ostdeutschland zwischen 1991 und 2023 rund 1,2 Millionen Einwohner:innen verloren haben.
Gleichzeitig fiel die Zuwanderung aus dem Ausland im Osten geringer aus als im Westen. So liegt Destatis zufolge der Anteil der ausländischen Bevölkerung Ende 2022 im Westen bei 16 Prozent (10,6 Millionen Menschen) und im Osten bei sieben Prozent (908 000 Menschen).
Ende 1990 sollen in den alten Bundesländern noch fünf Millionen Ausländer:innen gelebt haben (acht Prozent der Bevölkerung), während es im Osten gerade mal 112.000 waren (ein Prozent).
In Berlin ist die einstige Teilung bis heute im Stadtbild erkennbar. Die East Side Gallery oder den Checkpoint Charlie kennen wohl die meisten. Manche haben vielleicht sogar schon die Gedenkstätte Hohenschönhausen besucht, die sich im ehemaligen zentralen Untersuchungsgefängnis der Stasi befindet.
Was vielen aber wahrscheinlich noch nicht aufgefallen ist: Im Osten Berlins gibt es weitaus mehr Straßenbahnlinien als im Westen. Das liegt daran, dass im Westteil das Tramnetz nach dem Zweiten Weltkrieg schrittweise stillgelegt wurde, um auf den Straßen Platz für den individuellen Autoverkehr zu schaffen.
Die Straßenbahn wurde im Westen als veraltetes Verkehrsmittel angesehen. In Ost-Berlin setzte man dennoch weiter auf die Tram. Dadurch konnten beispielsweise auch äußere Bezirke wie Marzahn oder Hohenschönhausen an die Innenstadt angeschlossen werden.