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Adé Corona-Warn-App: Ein Nachruf auf unseren digitalen Retter

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Wie oft haben wir ernüchtert auf unseren Handybildschirm gestarrt, weil wieder mal die rote Kachel darauf zu sehen war? Das ist jetzt vorbei.Bild: iStockphoto / KatarzynaBialasiewicz
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Adé Corona-Warn-App: Ein Nachruf auf unseren digitalen Retter

30.04.2023, 13:41
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Zum 1. Mai geht wahrlich eine Ära zu Ende, die letzte Covid-Bastion fällt: Die Corona-Warn-App wird offiziell in den "Ruhezustand" versetzt. Das heißt, sie wird nicht mehr aktualisiert, kann aber jederzeit wieder aktiviert werden.

Auf den meisten Smartphones wird sie wohl weiterhin als Scheintoter dahin vegetieren. Denn wer weiß, vielleicht braucht man das Zertifikat im nächsten Urlaub doch noch? Wissenschaftler warnen schließlich immer wieder davor, dass Pandemien wegen der Klimakrise in Zukunft häufiger auftreten könnten... Doch daran wollen wir nicht denken. Wir gehen lieber vom besten Szenario aus: Dass wir dich nie mehr wiedersehen, liebe Corona-Warn-App.

Obwohl es Corona noch gibt – die Warn-App gibt es bald nicht mehr.
Obwohl es Corona noch gibt – die Warn-App gibt es bald nicht mehr.bild: watson

Ach, Corona-App: Du wolltest uns vor bösen Viren beschützen und warst der erhobene Zeigefinger, wenn wir mal nicht vernünftig waren und uns unter zu viele Menschen gemischt haben. Das hat manchmal ziemlich genervt: Vor allem, wenn da plötzlich wieder mal eine rote Warnung von dir auftauchte, wenn wir gerade auf dem Weg zu einem Geburtstag waren oder in den Urlaub wollten.

Ich gebe zu, in diesen Momenten hab ich dich auch manchmal gehasst und mir gewünscht, es gäbe dich nicht. Ich habe sogar überlegt, den Kontakt mit dir abzubrechen, weil deine Vorsicht so genervt hat.

Aber du hast es ja nur gut gemeint mit uns. Du hast uns nicht verurteilt, wenn wir einen Fehler machten, du hast uns nur einen kleinen Schreck eingejagt und uns dann gesagt, wie wir uns jetzt am besten verhalten sollten. Mit liebevoller Strenge wolltest du uns den richtigen Weg weisen und dafür haben wir dir gerne ein bisschen Speicherplatz in unserem Leben eingeräumt.

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Ab 1. Mai müssen wir ohne unsere Corona-Warn-App klarkommen. Bild: iStockphoto / Boris Jovanovic

Die Corona-App brachte Spannung in ein langweiliges Covid-Leben

Was waren das nicht für Zeiten, als wir deine App jeden Tag mit ähnlicher großer Erwartung wie Tinder öffneten. Welche Ampelfarbe würde uns heute erwarten? Ja, du hast mit unseren Gefühlen gespielt. Beim Öffnen der App diese Angst, dann Erleichterung: keine neue Warnung. Doch schon wenige Stunden später konnte es passieren und eine Push-Benachrichtigung aufploppen: "Achtung, Sie haben eine Risikobegegnung gehabt."

Danach, zumindest in den Corona-Peaks, trat meist eine Kettenreaktion in Gang: Wie hoch war das Risiko, wann war die Begegnung, welcher Infizierte könnte der Schuldige sein und an welchem Ort war die Begegnung? Hatte man sich leichtfertig verhalten? Und, am wichtigsten: Hatte man beim Kontakt seine Maske getragen und sich danach die Hände auch gut genug gewaschen?

Aus fast schon manischer Gewohnheit und leicht schlechtem Gewissen war man da gleich wieder ans Waschbecken gepilgert und hatte die, von Desinfektionsmittel und Seife ganz rissigen, Hände noch einmal gewaschen. Und diesmal wirklich zwei ganze, verfluchte "Happy Birthday"-Lieder lang – das ist laut Experten nämlich genau die Zeit, die sorgfältiges Händewaschen dauert.

Wie nah am Rand des Wahnsinns wir zu Pandemiezeiten wirklich waren? Nah genug offenbar, um uns während des Händewaschens mit glasigem Blick ein Geburtstagslied vorzuträllern oder zumindest zu murmeln.

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Was dann folgte, war die Abwägung bei einer Risikobegegnung: Sollte ich mich auch testen lassen oder lieber abwarten bis Symptome kommen? Sollte ich jetzt zu Hause bleiben und wenn ja, wie lange? Sich doch gleich auch im Zimmer zu Hause vom Rest der Familie und Mitbewohner:innen isolieren? Wäre es okay, das Kind an der Kita-Tür abzugeben, wenn man nicht reingeht? Und überhaupt, warum roch plötzlich diese verdammte Blume nicht mehr? Oder war das überhaupt keine duftende Blume?

Oft endete deine Corona-App-Warnmeldung mit einem positiven Corona-Test.
Oft endete deine Corona-App-Warnmeldung mit einem positiven Corona-Test. Bild: iStockphoto / KatarzynaBialasiewicz

Die Corona-Panik war nicht nur real, sie war auch in unserem Kopf ein ständiger Begleiter. Doch du, Corona-Warn-App, warst für uns da und hast uns mit nüchterner Neutralität geschrieben, was nun in unserem Fall das angebrachte Verhalten wäre.

Das Ende einer wechselhaften Beziehung

Du, liebe App, hattest auch lustige Seiten: Beispielsweise das Kontakt-Bingo. Mit Freunden wurde gerne abgeglichen, wann und wie viele Risikobegegnungen man jeweils hatte und wer in der Freundesgruppe wohl der Auslöser dafür gewesen war. Und auch, als die Zeiten besser wurden, warst du an unserer Seite: Niemals werden wir das triumphale Gefühl vergessen, unsere erste und dann auch noch zweite Impfung in dein kleines Gehirn zu speichern. Du gabst uns ein Stück Freiheit wieder.

Unsere Beziehung war ein Auf und Ab, zugegeben. Es gab Zeiten, da haben wir nicht richtig achtgegeben auf dich, an anderen haben wir dich so ernsthaft konsultiert wie die täglichen Nachrichten. Nun gibt es keinen digitalen Ritter mehr, der uns davor warnt, wenn wir mit Virenschleudern in Kontakt treten.

Drei Jahre lang warst du unser treuer Begleiter in der Pandemie, liebe Corona-Warn-App: Du warst unser Sancho Panza, der uns vor den gefährlichen Windmühlen gewarnt hat. Werden wir dich vermissen? Um ehrlich zu sein: Wohl kaum. Es war schön, solange es währte. Nun ist es Zeit, getrennte Wege zu gehen.

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