Die Coronapandemie haben viele aus ihrem Gedächtnis verdrängt. Zu schmerzhaft und unangenehm waren die Erinnerungen an soziale Isolierung, teils tödliche Erkrankungen im Bekanntenkreis und die Unsicherheiten des Lockdown-Lebens. Umso mehr mag es manche beunruhigen, dass Expert:innen derzeit vor der Gefahr einer weiteren Pandemie warnen.
Diese nennt sich H5N1 und ist eine Form der Vogelgrippe aus China. Diese wird vor allem in den USA zunehmend zum Problem. Expert:innen warnen jedoch auch vor der globalen Gefahr einer Pandemie – etwa der seit Corona deutschlandweit bekannte Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité.
Trotzdem wird in den USA nur sehr wenig unternommen, um der rasanten Ausbreitung entgegenzuwirken. Woran liegt das?
Nachdem der H5N1-Virus zunächst unter Hühnern übertragen wurde, gab es 1997 den ersten Fall eines mit der Vogelgrippe angesteckten Menschen in Hongkong. Nachdem dieser Patient, ein kleiner Junge, starb, töteten die örtlichen Behörden 1,5 Millionen Hühner in der Stadt und auch andere Vögel. Seitdem gab es dort über Jahre keine Ansteckungen von Tieren auf Menschen mehr.
Dennoch gab es auf der ganzen Welt seitdem lokale oder regionale Ausbrüche, auch Menschen fielen diesen zum Opfer. Mindestens 889 Menschen haben sich mittlerweile mit der H5N1-Vogelgrippe angesteckt – und 463 starben daran. Auch wenn die Dunkelziffer der Infektionen wohl sehr viel höher liegt, zeigt die Statistik, wie gefährlich, gar tödlich der Virus ist.
Die Symptome können bei einer Erkrankung sehr unterschiedlich sein, sie reichen von Fieber, Bindehautentzündungen, Durchfall und Erbrechen bis hin zu Husten, Halskratzen und Atemnot. Letzteres bezeichnet der "Spiegel" als "bedenklich, denn über die Atemluft oder den Auswurf beim Husten könnten theoretisch andere Menschen leicht infiziert werden".
Einerseits ist ein solcher Fall einer Übertragung von Mensch auf Mensch noch nicht registriert worden. Andererseits ist eine der großen Gefahren der Vogelgrippe, dass sich der Erreger ständig genetisch verändert. Durch diese Veränderungen ist es in den USA nun ab März zu zahlreichen Übertragungen von H5N1 auf Kühe gekommen.
Laut "Spiegel" sei es eine besorgniserregende Entwicklung, da der Weg "von der Kuh zum Menschen" nicht weit sei. Dies "beunruhigt wohl alle Wissenschaftler, die sich damit auskennen", äußerte Virologe Drosten gegenüber dem Nachrichtenmagazin.
Bisher sind laut US-Behörden 132 Kuhherden in zwölf verschiedenen Bundesstaaten von H5N1 betroffen. Diese haben bisher wiederum lediglich drei Menschen offiziell angesteckt.
Dennoch ist die Lage gefährlich, da der Virus über die Milch der Kühe übertragen wird. In den betroffenen Gebieten sei jede fünfte Milchpackung mit H5N1 verseucht.
Gerade um eine mögliche Dunkelziffer an Fällen zu erfassen, sollte also weitläufig auf den Virus getestet werden, etwa auf den Farmen. So können Fachleute und Behörden ein Bild darüber bekommen, über welche Übertragungswege sich die Menschen anstecken.
Eine solche großangelegte Strategie gibt es laut "Spiegel" jedoch nicht. Viele Fachleute würden kritisieren, dass das US-Landwirtschaftsministerium Genomsequenzen des Erregers nur sporadisch veröffentlicht und wichtige Daten zurückhalten würde. Impfungen würden weder den Farmern noch ihren Tieren bereitgestellt werden. Ex-Harvard-Epidemiologe Michael Mina erklärt:
Grund dafür ist laut dem Nachrichtenmagazin ein "Kompetenzwirrwarr" seitens der Behörden. Doch auch die Landwirte hätten häufig kein Interesse daran, Ausbrüche der Vogelgrippe auf ihren Farmen zu melden. Denn infolgedessen würden sie unter Quarantäne fallen und müssten finanzielle Einbußen ertragen.
Zudem würden viele Farmmitarbeiter:innen "weder Aufenthaltstitel noch Krankenversicherung oder eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall" haben. Daher würden viele im Zweifel eher krank weiterarbeiten, als ihre Symptome zu melden.
Immerhin: Wie die "New York Times" berichtet, zeigen sich Expert:innen wie Virologe Jürgen Richt von der Kansas State University erleichtert, weil eine Übertragung über eine Atemwegsinfektion bisher nicht nachgewiesen werden konnte.
Stattdessen seien hauptsächlich kontaminierte Melkmaschinen für die Übertragungen zuständig. Richt macht das demnach Hoffnung: "Ich glaube, das ist eine gute Nachricht, dass wir es wahrscheinlich leichter kontrollieren können, als die Leute dachten. (...) Hoffentlich können wir dem Ding jetzt in den Hintern treten und es ausknocken."