Das deutsche Gesundheitswesen hängt in Sachen Digitalisierung um Jahrzehnte zurück, sagt niemand geringeres als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Der SPD-Politiker hat es sich auf die Fahnen geschrieben, das schleunigst zu ändern. Neben der elektronischen Patientenakte, die der Minister bis Ende 2024 für alle verpflichtend machen will, ist ein wesentlicher Baustein in seinem Vorhaben die Einführung des E-Rezepts.
Zum 1. Juli soll es kommen, hat Lauterbach jetzt gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) verkündet. "Das E-Rezept ist endlich alltagstauglich", sagte er. "Zum 1. Juli 2023 können Patienten das erste Mal das E-Rezept in den Apotheken ganz einfach mit ihrer Versichertenkarte abrufen". Lauterbach rechnet damit, dass bis Ende Juli voraussichtlich 80 Prozent der Apotheken in Deutschland an das System angeschlossen sein werden.
Bislang wurden Rezepte immer auf rosa Papier ausgedruckt und den Patient:innen ausgehändigt. Nur gegen Vorlage des "rosa Wischs" gab es in der Apotheke dann das betreffende Medikament. Doch dieses System gilt als veraltet. Es erzeugt viel Papier, ist ein Mehraufwand für die Praxen und birgt die Gefahr, dass die Patient:innen den Zettel verlieren, bevor sie ihn in der Apotheke einlösen können. Das E-Rezept soll dabei nun Abhilfe schaffen.
Statt einem Zettel geben die Praxen künftig QR-Codes aus, die über die E-Rezept-App der gematik abgerufen und in der Apotheke vorgezeigt werden können. Die gematik wurde 2005 von den zentralen Akteuren des Gesundheitswesen gegründet, um die Digitalisierung der Branche voranzutreiben.
Menschen ohne Smartphone können sich den Code auch in der Praxis ausdrucken lassen. Die Codes sollen fälschungssicherer sein sowie Zeit und Wege sparen. Die Daten zu den Rezepten werden verschlüsselt auf gesicherten Servern gespeichert, über die Apotheken, Arztpraxen und andere Beteiligte des deutschen Gesundheitswesens kommunizieren.
Damit E-Rezepte flächendeckend zum Einsatz kommen können, brauchen die beteiligten Stellen eine entsprechende Software. Die allermeisten der ohnehin stark digitalisierten Apotheken haben diese laut dem Apothekenverband ABDA schon länger installiert, seit dem 1. September 2022 stehen sie schon bereit. Bei den Praxen war das zunächst nicht der Fall.
Die E-Rezept-App soll auch andere digitale Dienste mit sich bringen. Es sollen Medikationserinnerungen und -pläne erstellt oder Wechselwirkungs-Checks durchgeführt werden können. Für die Nutzung der App braucht man eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte sowie die Versicherten-PIN der jeweiligen Krankenkasse.
Ursprünglich sollten die digitalen Rezepte schon ab dem 1. Januar 2022 kommen. Die Idee stammt noch von Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn (CDU). Doch der amtierende Gesundheitsminister verschob den Start und verlängerte die Testphase, die in der Region Westfalen-Lippe lief.
Die Ärzt:innen, Kassen und Apotheken sollten zunächst noch mehr Erfahrung sammeln, erklärte Lauterbach. In der zweiten Pilot-Region Schleswig-Holstein war der kassenärztliche Verband zuvor wegen Datenschutzbedenken kurzfristig ausgestiegen. Nur die Kassenzahnärzt:innen machten bei dem Pilotprojekt mit.
Noch Ende Dezember hatten die Chef:innen der größten gesetzlichen Krankenkassen den Minister gewarnt, dass das E-Rezept nicht startklar sei. Sie forderten damals mehr Massentests.