Bereits zehn Jahre ist es her, dass Ozempic in den USA auf den Markt kam. Doch erst seit rund zwei Jahren ist das "am schlechtesten gehütete Geheimnis Hollywoods" in aller Munde. Auf die Abnehmspritze schwören seitdem Schauspieler:innen, Rockstars wie Politiker:innen.
Das eigentlich für Diabetiker:innen entwickelte Medikament hinterlässt auch in Deutschland Spuren. Angesichts steigender Adipositasraten wächst hierzulande die Nachfrage. Immer mehr Menschen vertrauen auf die Abnehmspritze, um in Form zu kommen. Nun wurde erstmals ein ähnliches Produkt für Kinder entwickelt.
Jünger als je zuvor ist die neue Zielgruppe, die nun mit einer Abnehmspritze ausgestattet werden soll. Schon für sechsjährige Kinder soll eine neue Variante der gewichtsreduzierenden Arznei künftig verfügbar sein. Möglich macht das der dänische Pharmazie-Konzern Novo Nordisk.
Dieser veröffentlichte am Dienstag die Ergebnisse einer klinischen Untersuchung über den Wirkstoff Liraglutide, der auch in den Verkaufsrennern Ozempic und Wegovy enthalten ist.
Im Rahmen der Studie wurde die Wirkung des Medikaments unter dem Namen Saxenda bei 82 Kindern zwischen sechs und elf Jahren getestet. 56 Wochen lang wurde den Kindern entweder der Appetithemmer oder ein Placebo verabreicht.
Die Untersuchungsergebnisse überzeugten offenbar die Pharmazeut:innen. Studienleiterin Claudia Fox sah sich im Anschluss bestätigt. Die Kinderärztin von der University of Minnesota schloss mit Blick auf die Abnehmspritze für Kinder ab 12 Jahren aus den Tests, "dass es wahrscheinlich besser ist, früher zu intervenieren als zu warten, bis das Kind zum Jugendlichen wird".
Zielgruppe für die Spritzen sind dabei Kinder mit extremem Übergewicht ab einem Body-Mass-Index von 31. Begleitend wurden Eltern und Kind von Lifestyle-Coaches mit Ernährungstipp beraten.
Laut Hersteller soll Liraglutide nicht nur kurzfristig für Gewichtsverlust bei Kindern sorgen. Von der Verringerung der Adipositasrate versprechen sich Ärzt:innen auch einen Rückgang chronischer Krankheiten, die auf Übergewicht in der Kindheit zurückzuführen sind. Dazu gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Leber- und Nierenbeschwerden sowie Typ-2-Diabetes.
5,8 Prozent der Kinder konnten im Laufe der klinischen Untersuchung ihren Body-Mass-Index und damit ihren Körperfettanteil reduzieren. In der Kontrollgruppe nahmen 1,6 Prozent der Kinder sogar zu. Rund die Hälfte der Kinder, denen Liraglutide verabreicht wurden, reduzierten ihren BMI um mindestens fünf Prozent. Das gelang mit Placebo nur in neun Prozent der Fälle.
In der Studie traten allerdings auch unangenehme Nebeneffekte auf. Diese betrafen vor allem die Verdauung. Dazu zählten vor allem Erbrechen und Übelkeit, aber auch Schwindel und Durchfall. Für eine erfolgreiche Therapie sei zudem eine Änderung der Ernährungsangewohnheiten nötig.
Zweifel bleiben Gesundheitsexpert:innen dennoch an dem Medikament. Die Sorge ist, dass Kinder unerwartete Langzeiteffekte zeigen könnten, wenn bereits ab dem Kindheitsalter regelmäßig Medikamente zugeführt werden.
Kinderarzt Roy Kim von der Kinderklinik in Cleveland sagt dem US-Sender NBC, dass die Spritzen womöglich das Wachstum hemmen könnten. Weitere Befürchtungen betreffen die Entwicklung schwerer Krankheiten wie Pankreatitis, Schilddrüsenkrebs sowie die Dichtheit der Knochenstruktur.
Zudem merkte er an, dass der Gewichtsverlust "relativ klein" ausgefallen sei angesichts der invasiven Art der Behandlung. Dennoch wagte er leisen Optimismus: "Es ist ein Vorgeschmack auf das, was kommen könnte."
Novo Nordisk beantragte nun bei der zuständigen US-Aufsichtsbehörde für Medikamentenkontrolle eine Ausweitung der Tests auf deutlich größerer Ebene.