Immer wieder kommt die Frage auf, was denn nun bei der Ausbreitung des Coronavirus eine Rolle spielt. Immer wieder ist auch von sogenannten Superspreadern die Rede, also Menschen, die besonders viele andere anstecken. Selbiges gilt für Situationen, in denen es zu vielen Ansteckungen kommen kann, etwa Großveranstaltungen wie Messen oder Festivals.
Ein bekanntes, gut untersuchtes Superspreader-Ereignis wäre etwa eine Chorprobe im US-Bundesstaat Washington. Dort steckte eine Person 52 weitere an. Auch im südkoreanischen Seoul kam es zu so einem Ereignis. Nachdem die Beschränkungen gelockert wurden, besuchte ein Mann mehrere Clubs in der Stadt.
Das Problem: Er wurde später positiv auf das Coronavirus getestet. Darauf suchten Beamte nach infizierten Kontaktpersonen und stießen auf mindestens 170 Menschen, die sich womöglich auch infizierten.
Solche Anhäufungen oder Cluster von Infektionen gab es auch in Deutschland, etwa nach einem Baptisten-Konzert in Frankfurt, nachdem sich wohl rund 200 Menschen mit dem Virus infizierten. Solche Vorfälle sind besonders gefährlich, ließen sich aber vermeiden, wenn von vornherein Personen identifiziert werden, die wesentlich infektiöser sind als andere. Und die deshalb etwa zehn weitere Personen anstecken, während andere Menschen das Virus nur auf eine übertragen.
Allerdings sei das fast unmöglich, erklärt Virologe Christian Drosten im "NDR"-Podcast "Coronavirus Update". So handle es sich eher um Glück, einen Superspreader aufzuspüren. Möglich ist das etwa, wenn die Person bereits viele Menschen angesteckt hat und Infektionsketten zurückverfolgt werden. Das erfordert jedoch eine Menge PCR-Tests, was sich laut Drosten aktuell kaum umsetzen lasse.
Und selbst wenn diese Person identifiziert ist, ist es meist zu spät, "weil die Übertragung schon läuft". Sie habe bereits andere Menschen angesteckt. Das Infektionsgeschehen lässt sich dann also schwer unterbinden. Außerdem könnte sich unter den Neuinfizierten ein weiterer Superspreader befinden. Es würde also weitergehen. Man müsste einen hochinfektiösen Menschen also noch vor Ausbruch der Krankheit identifizeren, was laut Drosten nahezu unmöglich sei.
Das klingt zunächst zwar negativ, trotzdem bleibt Drosten optimistisch. So gab es in einer von ihm genannten Studie eine besonders wichtige Erkenntnis "die wir uns unbedingt in Deutschland auf die Fahne schreiben müssten". Das gelte besonders für künftige Entscheidungen bezüglich des Virus.
Das geschehe sollte direkt und ohne PCR-Test geschehen. Im Nachhinein könne man das machen, aber dann auch nur aus der Quarantäne heraus. "Hier müssen wir die Strategie ändern", sagt Drosten. Deshalb wären Kontakt-Tracing-Apps sinnvoll. Dabei müsse die App eine Person aber ohne Umwege in Quarantäne schicken, sprich, sie soll einen Betroffenen von vorn herein sagen, dass sie infiziert ist und nicht erst zu einem Test auffordern.
Laut Drosten lohne es sich zudem, bei Verboten auf Situationen zu zielen, die sich zu einem Superspreading-Event entwickeln können. "Denn der Patient, der viele Menschen infiziert, ist nicht unbedingt deswegen so infektiös, weil er mehr Virus als andere hat." Das könne zwar sein, aber ein anderer Grund für viele Ansteckungen könnte auch eine Situation sein, in der er die Gelegenheit hat, viele Menschen zu infizieren. Schafft man also solche Situationen ab, wird das Risiko eingeschränkt. In dem Punkt gibt sich der Virologe optimistisch:
In den aktuellen Lockerungen sieht er, zumindest in dem Punkt, keine große Gefahr. Natürlich gebe es Ausnahmen, bei denen man nachbessern muss, "weil man sich da sehr stark auf 1,5 Meter Abstand im Innenbereich verlassen hat". So einfach sei das laut Drosten nicht.
Einen Beleg dafür liefert auch die Chorprobe in Frankfurt: Trotz Abstandsregeln gab es einen heftigen Ausbruch. In solchen Momenten spiele auch die Zeit eine Rolle. "Im Raum mit vielen Leuten zehn Minuten verbringen ist was ganz Anderes als im selben Raum zwei Stunden zu sein", sagt Drosten.
Und dennoch: Risiko-Situationen seien durch die noch bestehenden Lockdown-Regelungen abgeschafft. Ganz am Ende macht Drosten noch einmal Mut.
Dafür müssten wir lediglich genau hinschauen, wie wir unsere Maßnahmen nachjustierten, um Superspreading-Events zu vermeiden. Auslöser für diese Annahme sind die derzeitigen Fallzahlen in Japan. Demnach seien die Fälle dort rückläufig, obwohl die Corona-Maßnahmen deutlich weniger hart sind als in anderen Ländern.
So soll die Diagnostik gezielt darauf eingesetzt werden, Cluster zu identifizieren. Also Situationen, in denen es zu vielen Fällen kommen kann. Dadurch sei ein voller Lockdown nicht nötig, sondern nur kleine Beschränkungen. "Das müssen wir uns als Beispiel für die Zukunft nehmen", sagt Drosten.