Zwischen den Küsten Westafrikas und den Plantagen Amerikas verläuft eine unsichtbare Linie, gezogen mit Gewalt und über Generationen hinweg kaum berührt. Erst heute beginnen einige Länder, dieser Linie zu folgen.
Die Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels ist eine Geschichte der Entwurzelung: brutal, systematisch, jahrhundertelang verdrängt. Millionen Menschen wurden aus ihren Heimatländern verschleppt, Familien zerrissen, Identitäten ausgelöscht. Was blieb, war eine Leerstelle im kollektiven Gedächtnis. Und eine globale Diaspora, die bis heute nach Antworten sucht.
Das westafrikanische Land Benin will nun eine Antwort geben. Seit kurzem gewährt es Nachkommen versklavter Menschen die Staatsbürgerschaft, auch ohne familiäre Verbindung zu Benin selbst.
Grundlage ist ein neues Gesetz, das im vergangenen September beschlossen wurde. Es richtet sich an alle Personen über 18 Jahre ohne andere afrikanische Staatsbürgerschaft, die nachweisen können, dass ihre Vorfahren über den Sklavenhandel aus Subsahara-Afrika verschleppt wurden.
Akzeptiert werden DNA-Tests, beglaubigte Zeugenaussagen und Familienunterlagen. Seit vergangener Woche läuft die Antragstellung über die Plattform "My Afro Origins".
Benin steht damit fast allein. Während der westafrikanische Staat ein rechtlich verbindliches Rückkehrrecht für Nachfahr:innen Versklavter schafft, haben ehemalige Kolonial- und Sklavenhalterstaaten wie Großbritannien, Frankreich oder Portugal bislang keine vergleichbaren Regelungen erlassen.
Zwar existieren Denkmäler, Gedenktage und wissenschaftliche Aufarbeitungen, doch eine staatsbürgerliche Anerkennung in Form von Einbürgerung oder Reparationen blieb bislang aus.
Auch die USA, deren Geschichte untrennbar mit Sklaverei verbunden ist, haben auf Bundesebene bislang keine strukturellen Maßnahmen für afroamerikanische Nachfahr:innen ehemaliger Sklaven ergriffen. Benin wählt damit einen Weg, der juristisch konkret und symbolisch wirksam zugleich ist – und sich international bislang kaum wiederfindet.
Am Wochenende wurde in Cotonou, der größten Stadt Benins, eine prominente Stimme Teil dieses neuen Kapitels: Die US-Sängerin Ciara erhielt als eine der ersten öffentlichen Persönlichkeiten die beninische Staatsbürgerschaft.
"Durch die gesetzliche Anerkennung dieser Kinder Afrikas heilt Benin eine historische Wunde. Es ist ein Akt der Gerechtigkeit, aber auch ein Akt der Zugehörigkeit und der Hoffnung", sagte Justizminister Yvon Détchénou bei der Zeremonie.
Von der Bucht von Benin, die neben dem heutigen Benin auch Teile Togos und Nigerias umfasst, wurden etwa 1,5 Millionen Menschen in die Amerikas deportiert. Benin war eines der ersten Länder, das seine Rolle dabei offen einräumte. Bereits 1999 bat der damalige Präsident Mathieu Kérékou bei einem Besuch in den USA afroamerikanische Gemeinden um Vergebung.
Gleichzeitig fördert Benin den sogenannten Erinnerungstourismus. Historische Orte wie die "Sklavenstraße" und die "Pforte ohne Wiederkehr" in der Stadt Ouidah erinnern an den letzten Weg vieler Versklavter.
"Diese Orte geben afrostämmigen Menschen die Möglichkeit, über das Leiden und die Widerstandskraft ihrer Vorfahren zu lernen und sie zu ehren", sagte Sindé Chekete, Leiter der staatlichen Tourismusbehörde.
Ciara besuchte nach der Zeremonie diese Stätten. Sie sagte: "Zwischen Emotion, Reflexion und Herkunft habe ich eine tiefe Rückkehr zu dem erlebt, was wirklich zählt."