Die Wenigsten haben wohl ihre Abitur-Phase in bester Erinnerung: Tägliches stundenlanges Lernen, Dauerstress und Vorbereitungskurse sind an der Tagesordnung, ganz zu schweigen von dem Geld, das Abiturient:innen meist noch selbst in die Hand nehmen müssen, um sich die berühmt-berüchtigten Abitur-Trainer zuzulegen. Darin finden die Schüler:innen ältere Abitur-Aufgaben zum Üben.
Schon lange steht diese Praxis in der Kritik. Ein Abitur-Trainer kostet knapp 20 Euro, bei mehreren vorzubereitenden Abi-Prüfungen kommt durchaus eine kleine Summe zusammen. Das Kultusministerium in Baden-Württemberg will das für seine Abiturient:innen nun ändern.
Schüler:innen, die sich in dem südwestlichen Bundesland auf ihr Abitur vorbereiten, können künftig online auf alte Prüfungsaufgaben zugreifen. Das teilte ein Sprecher des Kultusministeriums Baden-Württemberg auf Anfrage des "SWR" mit.
Aus urheberrechtlichen Gründen hätte das Ministerium bislang die Prüfungen nicht selbst online stellen können, heißt es weiter. Doch zukünftig sollen die Aufgaben kostenlos auf der Website des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg zur Verfügung gestellt werden. Urheberrechtlich schwierige Passagen, wie beispielsweise Literaturtexte, sollen geschwärzt und mit entsprechenden Quellenverweisen ergänzt werden.
Viele sehen in der Entscheidung des Kultusministeriums einen dringend nötigen Schritt. Denn während die anderen Länder ihre Aufgaben für einen eher symbolischen Preis von durchschnittlich 200 Euro oder gar kostenlos an die Verlage weitergeben, ist Baden-Württemberg laut dem "SWR" an den Verkäufen direkt beteiligt. Zehn Prozent soll das Land pro verkauftem Buch bekommen.
Max Kronmüller von der Initiative FragDenStaat kritisierte gegenüber dem "SWR" dieses Vorgehen. "Da müssen die Schülerinnen und Schüler noch Geld dafür bezahlen, dass sie sich mit den Aufgaben vorbereiten können." Dies fördere nicht die Bildungsgerechtigkeit.
Gemeinsam mit Wikimedia Deutschland hatte die Initiative kürzlich eine Petition gestartet, um Prüfungsaufgaben in allen Bundesländern frei zugänglich zu machen. Bislang haben nur Niedersachsen und Schleswig-Holstein zentrale Plattformen, auf denen Prüfungsaufgaben für unterschiedliche Schulformen abgelegt sind. Laut dem baden-württembergischen Kultusministerium sei allerdings schon länger in Arbeit gewesen, die Prüfungsaufgaben online zu stellen.
Wann die ersten Aufgaben abrufbar sind, ist laut dem Sprecher noch nicht klar. Geplant sei aber, dass das aktuelle Material künftig jeweils im Oktober bereitgestellt wird. Außerdem soll das Angebot auch auf weitere Schulformen ausgeweitet werden.
Auch die SPD begrüßte die Entscheidung des Kultusministeriums: "Schön, dass die Regierung es jetzt auch anders sieht", sagte SPD-Bildungspolitiker Stefan Fulst-Blei dem "SWR". "Es ist nötig und überfällig, dass sich künftig alle Abiturientinnen und Abiturienten kostenlos mit alten Prüfungsaufgaben vorbereiten können. Bildungsgerechtigkeit darf nicht nur ein Motto sein."