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Digitale Bildung: German University of Digital Science geht neuen Weg

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Online-Uni: Studieren geht auch in den eigenen vier Wänden.Bild: IMAGO/Pond5 Images / xpikasstock611x
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Bildung in Deutschland: Digitale Uni will neuen Weg gehen

Hochschullehrer Mike Friedrichsen ist unzufrieden mit dem Bildungssystem und will etwas ändern. Er gründete eine eigene Universität, eine rein digitale. Watson hat mit ihm über seine Ideen für die Hochschullandschaft in Deutschland gesprochen.
26.07.2025, 13:0926.07.2025, 13:09
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Die akademische Welt ist großartig: Diskurse mit Dozent:innen, spannende Vorlesungen, in denen sich neugierige Gehirne mit ordentlich Wissen anreichern, Leidenschaft, die an jeder Ecke spürbar ist. Schön, aber leider nur eine Idealvorstellung. Studierende und Dozent:innen leben meist in einer einseitigen Fernbeziehung, viele Vorlesungen sind so ansprechend wie eine "Tatort"-Wiederholung und Leidenschaft ist höchstens beim Ärger über die Zustände spürbar.

Mike Friedrichsen und Christoph Meinel, beide Hochschullehrer, hatten davon genug. Deshalb haben sie selbst eine Uni gegründet: die German University of Digital Science. Eine Einrichtung, die komplett auf den digitalen Raum setzt.

Wir haben mit Friedrichsen über die Schwierigkeiten bei der Uni-Gründung, die Krankheiten des Bildungssystems und die Frage gesprochen, ob eine digitale Uni wirklich die Probleme des deutschen Hochschulsystems lösen kann.

Prof. Dr. Mike Friedrichsen ist Hochschullehrer für Wirtschaftsinformatik und Mitgründer der German University of Digital Science.
Prof. Dr. Mike Friedrichsen ist Hochschullehrer für Wirtschaftsinformatik und Mitgründer der German University of Digital Science. Bild: pexels / fauxels

watson: Herr Friedrichsen, in Deutschland gibt es mehr als 100 Universitäten. Hat es da noch eine gebraucht?

Mike Friedrichsen: Absolut. Unser Ziel war es, Bildung zugänglicher zu machen – besonders für Menschen aus dem globalen Süden. Wir wollten die Hürden für hochwertige Abschlüsse senken. Außerdem stört mich schon lange, wie unser Bildungssystem aufgebaut ist. Schüler quälen sich morgens in dieselben Gebäude, in die ich mich schon vor 40 Jahren gequält habe. Viel verändert hat sich da nicht.

Jetzt ist eine Universität kein Start-up. Wie genau läuft die Gründung ab?

Im Grunde genauso. Du brauchst eine gute Idee, sammelst Geld und legst los. Der Unterschied: Du musst beim Bildungsministerium eine Zulassung beantragen und für jeden Studiengang eine Akkreditierung erhalten – das ist sehr formalistisch, teuer und langwierig. Aber: Du darfst theoretisch einfach anfangen. Setz dich auf eine Wiese, unterrichte ein paar Studierende – kein Problem. Nur bringt das nichts, ohne staatliche Anerkennung. Abschlüsse darfst du erst verleihen, wenn du offiziell befugt bist. Diese Formalitäten kosten schnell sechsstellige Summen – und viel Geduld. Bei uns hat das eine ganze Weile gedauert. Parallel haben wir in anderthalb Jahren eine eigene Lernplattform gebaut.

Ihre Einrichtung steht mit einigen altgedienten Universitäten in Konkurrenz. Welche Wege gibt es, um Menschen von einer Einschreibung zu überzeugen?

Social Media ist da der wichtigste Aspekt. Wir müssen sehr aktiv werben, sonst kennt uns niemand – und ohne Studierende funktioniert auch die beste Uni nicht. Alumni, die für uns sprechen könnten, haben wir ja noch nicht. Zusätzlich setzen wir deshalb auf starke Professor:innen. Und unser Ansatz ist experimentell, das macht uns interessant – aber natürlich auch erklärungsbedürftig.

Wie experimentell kann ein Ansatz sein, wenn es Rahmenbedingungen gibt?

Natürlich halten wir uns ans Hochschulgesetz. Aber innerhalb dieses Rahmens wollen wir etwas Neues schaffen. Unsere Uni ist virtuell, das bringt andere Bedingungen mit sich. Gleichzeitig überlegen wir, wie wir diese Virtualität ins echte Leben holen.

Was bringt das den Studierenden?

Digitale Gestaltungskompetenz. Wir wollen weitergeben, was technisch geht – und was nicht. Entscheidend ist dabei auch: Digitales Wissen braucht kritisches Denken. Genau das fördern wir durch den ständigen Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden.

Dieser Austausch findet in aller Regel kaum statt.

Da kommt wieder unsere digitale Umgebung ins Spiel. Wissen wird bei uns nicht nur in Seminaren und Vorlesungen vermittelt. Wir haben einen virtuellen Campus entwickelt – einen Raum, in dem Avatare und Menschen interagieren, diskutieren, sich vernetzen. Das bietet auch autodidaktisch Lernenden eine Community. Wer lieber für sich bleibt, darf das gern – aber muss es nicht.

Ihre Uni wirbt damit, dass man keinen Abschluss braucht, um mitzumachen. Was heißt das genau?

Mir ist wichtig, den Elfenbeinturm einzureißen. Wir schaffen ein offenes Haus, das auch Menschen ohne Studium betreten können. Das fördert Wissenstransfer, den wir auch gesellschaftlich dringend brauchen. Langfristig wünsche ich mir, dass nicht mehr zwingend ein Uni-Abschluss nötig ist, um in heute noch akademisch geprägte Berufe einzusteigen.

Nur sind die Strukturen hier sehr verkrustet.

Genau. Und dafür braucht es Leuchtturmprojekte. Ob wir wirklich etwas verändern, weiß ich nicht. Aber ich würde bereuen, es nicht versucht zu haben.

Kürzlich ist die private Hochschule Deutsche Pop pleitegegangen. Macht Ihnen das Sorgen?

Natürlich. Aber unser Modell ist anders, vor allem bei der Skalierung: Wir können nahezu unbegrenzt wachsen, global agieren, flexibel auf Veränderungen reagieren und Bildung kosteneffizient sowie inklusiv bereitstellen. Wir finanzieren uns langfristig über Studiengebühren und sind unabhängig von Investor:innen. Wir haben ein Headquarter mit Büros und Co-Working-Spaces für Partnerunternehmen – das war's. In unserem Fall ist es ein echter Vorteil, keinen Geldgeber im Rücken zu haben.

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