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Burn-out: Psychologe verrät, wie wir uns wieder lebendiger fühlen

Lukas Klaschinski ist Psychologe und Podcaster. Er will den Menschen wieder Zugang zu ihren Gefühlen vermitteln.
Lukas Klaschinski ist Psychologe und Podcaster. Er will den Menschen wieder Zugang zu ihren Gefühlen vermitteln. bild: katharina pasemann
Interview

Burn-out oder dauermüde: Psychologe verrät, wie wir uns wieder lebendiger fühlen

02.04.2024, 08:13
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Wir leben in einer Welt, in der gefühlte Wahrheiten mehr gelten als das Ergründen unserer wahren Gefühle. Lukas Klaschinski will das ändern. Er arbeitet als Psychologe und ist in Podcasts wie "Beste Freundinnen" sowie mit der Psychologin Stefanie Stahl in "So bin ich eben" zu hören.

In seinem neuen Buch "Fühl dich ganz: Was wir gewinnen, wenn wir unsere Emotionen verstehen und zulassen" (Knaur, 256 Seiten, 18 Euro) appelliert Klaschinski, sich selbst und seine Emotionen besser kennenzulernen, um ein besseres Leben zu führen. Im Interview mit watson verrät er, wie das gelingen kann.

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watson: Was passiert, wenn wir Emotionen stärker zulassen?

Lukas Klaschinski: Dann finden wir den Kompass im Leben. Denn unsere Gefühle sagen uns viel über uns selbst und wie wir zu anderen stehen. Wenn wir unsere Gefühle nicht wahrnehmen, dann steuern sie uns unbewusst, weil wir diese feinen Signale, die unsere Gefühlswelt aussendet und uns damit durchs Leben lenkt, nicht bewusst wahrnehmen. Das passiert dann alles unbewusst.

Inwiefern äußert sich das?

Das heißt, wir machen eine bestimmte Sache nicht, weil wir denken, wir haben keine Lust darauf. Aber eigentlich haben wir Angst davor, in diesen Tanzkurs zu gehen, vor den Kollegen zu sprechen oder den Job zu wechseln. Doch darum geht es: Diese Gefühle, die wir haben, bewusst wahrzunehmen. Und dann können wir uns entscheiden, wie wir uns verhalten wollen.

Wie kann man unterscheiden, ob es nur Angst ist oder man wirklich keine Lust hat?

Erst mal müssen wir unsere Gefühle wahrnehmen. Wer das über Jahre nicht gemacht hat, hat keinen guten Zugang dazu. Ich stelle immer wieder fest, dass Männer gerade bei Angst, Scham und Traurigkeit, also diesen auch als "schwach" bezeichneten Gefühlen, Probleme haben. Und Frauen häufiger einen schlechteren Zugang zu ihrer Wut haben. Dann gibt es auch Menschen, die absolut gar nichts mehr so richtig fühlen oder zu viel fühlen. In jedem Fall haben die meisten Menschen ein Thema mit Fühlen und es geht darum, erst mal wieder einen Zugang dazu zu gewinnen.

Besonders Männer haben es schwer, ihre Gefühle zuzulassen, sagt Klaschinski.
Besonders Männer haben es schwer, ihre Gefühle zuzulassen, sagt Klaschinski. bild: Susanne Wysocki

Wie findet man also einen Zugang zu seinen Gefühlen?

Fast alle Gefühle machen sich in allererster Linie als körperliche Reaktion bemerkbar. Und wir müssen lernen, sie wieder wahrzunehmen. Es geht darum, einen guten Zugang zu seinem Körper zu haben und zu merken: Was macht denn die Angst? Die ist ein Druck auf den Schultern, eine Enge im Hals, ein unangenehmes Kribbeln im ganzen Körper. Um dieses Signal wahrzunehmen gibt es verschiedene Übungen, die ich im Buch zeige. Auch Gefühlsbereitschaft ist wichtig, also die Offenheit für alle Gefühle, die wir haben, denn sie alle sind wichtig, auch wenn sich nicht alle angenehm anfühlen. Dafür brauche ich zwei Komponenten: Einmal die Achtsamkeit, damit ich in dem Moment merke, was passiert und nicht mit dem Gedanken irgendwo in der Zukunft oder in der Vergangenheit bin.

Wie geht es dann weiter?

Ich muss zweitens die Gefühle akzeptieren und mich darauf konzentrieren, wie ein Forscher: Wie fühlt sich das an? Und zwar, ohne dem Ganzen eine Bewertung zu geben. Dann kann ich diesen Raum zwischen Zeit – den Viktor Frankl aufgemacht hat – und meiner Reaktion betreten. Meine Gefühlsbereitschaft ist also der Schlüssel zu diesem Raum. Dann kann ich mich entscheiden: Möchte ich etwas tun, obwohl ich Angst habe?

"Man kann sich ja mal fragen: Wie oft sehen Söhne ihre Väter weinen?"

Fällt es Männern heutzutage immer noch schwer, ihre Gefühle zuzulassen?

Männer haben über Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte gelernt: Du musst dich durchsetzen. Du musst stark sein. Du weinst nicht. Hast keine Angst. Das heißt, Männer haben durch die Sozialisierung mitbekommen, dass sie Angst, Scham und Traurigkeit in die Ecke sperren sollen. Darum haben ganz viele ein wahnsinniges Schamgefühl, wenn sie diese Gefühle haben oder sie lassen sie erst gar nicht zu, weil sie denken, dass sie dann nicht mehr der männlichen Rolle entsprechen. Man kann sich ja mal fragen: Wie oft sehen Söhne ihre Väter weinen? Das ist ziemlich selten. Ich habe meinen Vater zweimal weinen sehen. Aber was passiert, wenn wir als Männer unsere Gefühle nicht wahrnehmen? Wir verlieren den Kontakt zu uns, aber auch zu den Menschen und zu unserer Partnerin.

Welche Auswirkungen hat es, wenn wir dauerhaft in emotionalen Distanz zu uns selbst sind?

Dass wir ziemlich sicher ein Leben führen, dass uns nicht entspricht, weil wir gar nicht merken, was wir im tiefsten Inneren wollen. Wir wissen nicht, ob der Job noch passt oder ob die Partnerschaft so ist, wie wir uns das wünschen. Wir leben auf Abstand zur Welt, zu uns selber, zu anderen Menschen. Es ist so, als ob zwischen uns und der Welt eine Milchglasscheibe ist. Und damit nehmen wir die Welt als nicht so lebendig wahr und denken uns immer: Fehlt da noch irgendwas? Ja, wahrscheinlich fehlt da was und wir denken fälschlicherweise, wir bekommen es, wenn wir die Beförderung kriegen oder endlich im Urlaub sind. Das heißt, wir schieben das Erlebnis Leben immer weiter auf und verbinden das mit dem Äußeren. Dabei fehlt uns eigentlich das Gefühl und die Bezugnahme.

"Für mich ist Glück: Im Moment sein und wahrnehmen, was gerade passiert."

Kann man dadurch auch krank werden?

Menschen mit Burn-out haben meistens ein Kernproblem: Sie sind nicht verbunden mit ihren Gefühlen und nehmen diese nicht an. Wenn ich das mache, was meinen Werten entspricht, bin ich viel näher an dem Leben dran, das ich führen möchte. Und natürlich habe ich dann mehr Energie. Denn ganz häufig denken wir, wir müssen großartig im Außen sein, weil wir uns so mies im Inneren gefühlt. Und das fällt dann immer mehr weg, weil wir eine innere Ruhe und Gelassenheit bekommen, die uns nicht mehr dazu zwingt, im Außen so viel Lärm machen zu müssen.

Welche Emotion findest du selbst am spannendsten?

Die Scham ist gesellschaftlich sehr spannend, weil sie häufig instrumentalisiert wird, um Menschen zu lenken. Wir beschämen andere, damit sie ein Verhalten an den Tag legen, das uns besser passt oder das wir besser in die Gesellschaft einfügen können. Das funktioniert mit einem Ausschluss aus bestimmten Gemeinschaften und das ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. Wenn wir trotz unserer Scham etwas tun können, dann bedeutet das wirklich Freiheit. Natürlich ist die Scham auch eine wichtige Emotion. Sie zeigt uns: Das ist mein persönlicher Raum und ich möchte nicht, dass da jemand drüber geht. Die Scham ist damit ein sehr wertvolles Gefühl.

Und wie stehst du zur Emotion, die jeder Mensch sucht: Was ist für dich Glück?

Für mich ist Glück: Im Moment sein und wahrnehmen, was gerade passiert. Und oftmals auch vom Leben überrascht werden, vor allem wenn es besser kommt, als man gedacht hat. Man ist auf einer Party und dachte, das wird eine richtig lasche Nummer. Und dann kommt man rein, die Stimmung ist super ausgelassen, alle tanzen und man ist Teil des Ganzen. Das ist Glück. Wir denken, es gibt dieses eine Ziel in der Zukunft, wo wir dauerhaft glücklich sind. Aber Gefühle wie Freude, Angst oder Wut wechseln sich immer wieder ab. Das Wetter wechselt, aber wir sind der Himmel und merken diesen Wetterwechsel.

Wir müssen also nicht immer glücklich sein?

In der Gesellschaft gilt oft die Annahme: Wenn wir nicht glücklich sind, ist irgendwas verkehrt mit uns. Das stimmt aber nicht. Wir alle erleben alle Gefühle und mal sind wir glücklich, mal nicht. Das ist in Ordnung. Wenn wir mal auf die Momente gucken, die uns am meisten geprägt haben, waren es eben nicht nur die glücklichen Momente, wo alles super war, sondern auch die schwierigen Zeiten. Zeiten, wo wir unangenehme Gefühle erlebt haben, die uns geformt und auch zu den Menschen gemacht haben, die wir heute sind.

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