Dominik Benedens war wohl der erste Cannabis-Sommelier Deutschlands.bild: privat
Interview
Die Cannabis-Freigabe steht Deutschland kurz bevor und sie wird vieles verändern. Manche Akteur:innen stehen bereits in den Startlöchern: Während die Social Clubs noch mit dem Anbau warten müssen, sollen Privatpersonen bereits ab 1. April loslegen dürfen – wenn der Bundesrat zustimmt. Als realistisch gilt daher eher, dass Privatpersonen ab Herbst damit anfangen können. Medizinisches Cannabis hingegen wird schon genutzt und soll immer öfter bei gesundheitlichen Problemen verschrieben werden.
Dominik Benedens ist Deutschlands erster Cannabis-Sommelier. Er Arbeitet für Cannamedical, wo Patrick Piecha als Pressesprecher arbeitet. Die Kölner Firma stellt Cannabis für medizinische Zwecke zur Verfügung und hatte Anfang 2023 eine Stellenbeschreibung für einen Cannabis-Sommelier online gestellt, die weltweit viral ging. Kein Wunder, bei einem versprochenen Jahresgehalt von 100.000 Euro. Aber muss Dominik auch jeden Tag kiffen? Watson hat nachgefragt.
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watson: Dominik, warum hast du dich für den Job als Cannabis Sommelier beworben?
Dominik Benedens: Eigentlich bin ich gelernter KFZ-Mechatroniker. Aber dann habe ich Morbus Crohn bekommen und war mit der Behandlung so unzufrieden, dass ich mir Alternativen gesucht haben. Ich bin dann relativ zügig auf Cannabis als Medizin gekommen, weil es da schon Studien aus Israel gab. Seit 2019 bin ich offizieller Cannabis-Patient. Und Cannabis-Sommelier bin ich seit einem Jahr.
Patrick Piecha: Das war ein wilder Ritt. Wir hatten wirklich nicht damit gerechnet, mehr als dreieinhalbtausend Bewerbungen zu kriegen. Die Telefone standen nicht mehr still und wir mussten sechs Leute einsetzen, die nur noch Calls angenommen haben. Dann ist die Ausschreibung irgendwann in der britischen "Sun" gelandet, wodurch noch mal mehrere hundert Bewerbungen reingekommen sind. Und nach einem Bericht in der India Times hat wirklich jeder, der seine Firma-Handynummer irgendwo stehen hatte, Anrufe aus Indien bekommen. Und zwar nachts, wegen der Zeitumstellung. Wir wussten nicht, dass Inder solche Cannabis-Enthusiasten sind – aber sie sind es definitiv.
Dominik Benedens darf Cannabis konsumieren – jedoch nur die Sorte, die sein Arzt verschreibt.bild: privat
Wie ist bei so vielen Bewerber:innen die Entscheidung auf Dominik gefallen?
Patrick: Wir haben jemanden gesucht, der das Thema wirklich im Herzen trägt und sich schon seit ein paar Jahren damit beschäftigt. Keiner, der sieht: "Cool, Cannabis. Da gibt es Geld und da gehe ich hin." Wir wollten jemanden, der Ahnung von von Botanik und selber Patientenstatus in Deutschland hat. Und ganz klar auch eine Medienkompetenz. Dominik hat seit langem eigene Channel – mit "Heitere Gedanken" einen zum Thema Cannabis und einen zum Thema Garten. Er betreibt da auch Aufklärung. Und das war uns total wichtig, dass er das Wissen um die Themen Jugendschutz und Werbebeschränkung hat, aber gleichzeitig auch sein Gesicht zeigt und sagt: "So und so sieht ein Patient aus und und wir sind ganz normale Menschen und sind mitten in der Gesellschaft."
"Wenn du zehn Mal am Tag vaporisieren musst und das schmeckt nicht gut, geht's dir auch nicht gut damit."
Dominik: "Heitere Gedanken" betreibe ich, seit ich Cannabis-Patient bin. Mir war sehr wichtig, dass ich anderen Menschen davon berichte, wie positiv Cannabis wirkt: Ich bin früher von Schub zu Schub gestolpert, jetzt bin ich von 14 Tabletten runter auf null. Seit ich Cannabis-Patient bin, habe ich keinen einzigen Schub mehr gehabt und die Entzündung ist sogar rückläufig, das ist schon enorm. Um möglichst viele Menschen darüber aufzuklären, habe ich den Kanal angefangen. Als diese Bewerbung ausgeschrieben wurde, war das eigentlich ein unerreichbarer Traum. Und durch die Stelle kann ich jetzt direkt mithelfen.
Was war die Idee dahinter, einen Cannabis-Sommelier einzustellen?
Patrick: Die Idee war tatsächlich, das Thema Qualität auf eine neue Stufe zu heben. In Deutschland spielt der Geschmack und Geruch bei einem Medikament keine Rolle. Teilweise gibt es da sogar Restriktionen, denn ein Medikament soll auch nicht unbedingt gut schmecken. Wir verstehen natürlich die Perspektive, dass zum Beispiel ein Kind eine bittere Pille nicht einnimmt. Aber das Thema Geschmack und Geruch trägt auch viel zur psychischen Gesundheit bei: Wenn du zehnmal am Tag vaporisieren musst und das schmeckt nicht gut, geht's dir auch nicht gut damit.
Wie sieht deine Arbeit als Cannabis-Sommelier aus, Dominik?
Dominik: Wir haben Guidelines geschrieben, wie die Grower in den verschiedenen Facility anbauen müssen, damit die Blüten so werden, wie wir sie haben wollen und wie sie getrimmt werden sollen. Auch die Nachbereitung der Ernte ist wichtig, damit wir möglichst gute Qualität haben und die Patienten jeden Monat quasi dasselbe Produkt bekommen. Denn Cannabis ist immer noch ein Naturprodukt und da sind sehr viele Schwankungen dabei. Ich habe auch keine Festanstellung, sondern werde immer gerufen, wenn es nötig ist.
Auch Apotheken dürfen medizinisches Cannabis auf Rezept verkaufen. Bild: iStockphoto / OlegMalyshev
Aber du musst zum Testen der Qualität schon auch das Cannabis probieren oder?
Dominik: Nein, tatsächlich nicht. Ich bin ja immer noch an das Betäubungsmittelrecht gebunden und an meine Medizin. Also ich kann nur das konsumieren, was ich auch verschrieben bekomme. Da muss ich mich also auf die Laboranalysen der Kollegen verlassen und daraus dann die Wirkung ableiten. Da geht es bei mir dann eher um Haptik, um Geruch und um Optik.
Und könnte das überhaupt jeder Arzt, die richtige Dosierung an Cannabis verschreiben?
Patrick: Das ist einer der großen Punkte, an denen wir arbeiten: Bildung in den medizinischen Fachgruppen. Man sieht auf jeden Fall, dass es einen Generationenwechsel gibt und jüngere Ärztinnen und Ärzte wesentlich weniger Berührungsängste haben. Dass jetzt der Betäubungsmittelstatus wegfällt, ist wirklich ein Riesenschritt. Denn wir haben aktuell nur etwas mehr als 100.000 Cannabispatienten in Deutschland. Doch es gibt Schätzungen, dass zwei bis drei Millionen Menschen mit verschiedenen Indikationen von Cannabis profitieren würden. Und sei es auch nur eine Entspannung. Das ist jetzt auch möglich ab dem 1. April mit dem neuen Cannabis-Status. Wir kommen von dieser massiven Unterversorgung hoffentlich langsam in eine Richtung von mehr Normalität.
"Zum Teil müssen die Apotheken das [Cannabis] immer noch in richtigen Hochsicherheit-Safes lagern."
Dominik: Zum Teil müssen die Apotheken das alles auch immer noch in richtigen Hochsicherheit-Safes lagern. Das fällt in Zukunft auch weg, das wird dann auch einfacher.
Was ändert sich für euch durch medizinisches Cannabis?
Patrick: Wenn man sich die Frage stellt, wie der Schwarzmarkt eingeschränkt werden soll, kann ein Teil der Antwort sicherlich Medizinal Cannabis sein, denn alles andere gibt es zum 1.4. noch nicht legal. Du brauchst, um eine Tonne aus dem Schwarzmarkt zu beseitigen, viel mehr als drei Social Clubs auf Voll-Last. Wir können monatlich bereits fünf Tonnen bereitstellen, das heißt, wir schauen positiv in die Zukunft. In der Apotheke gibt es bereits Cannabis-Blüten für unter zehn Euro, teilweise sogar sieben Euro, die Ware ist sicher und nachverfolgbar.
Stichwort Schwarzmarkt: Dem grabt ihr ja das Geschäft ab. Hattet ihr noch keine Probleme?
Patrick: Bei unserem Partner Sinceritas in Nord-Mazedonien, von wo wir beziehen, war das besonders beeindruckend. Du kommst nicht mal in die Nähe der Anbau-Anlage, ohne dass das irgendeiner mitbekommt. Bei uns hier in Meerbusch bei Köln haben wir eines der größten Betäubungsmittellager Deutschlands mit 5000 Paletten-Stellplätzen. Wir haben hier Ware für mehrere 100 Millionen Euro liegen. Hier gibt es so Boden-Drillsensoren, ein bisschen wie aus James Bond und anderen Sachen, die ich gar nicht beschreiben darf. Wenn hier ein Probealarm losgeht, kommt kein Streifenwagen vorbei und guckt, sondern dann kommen ein paar Mannschaftswagen. Das Betäubungsmittelgesetz nimmt man in Deutschland schon ernst und das ganze Gebäude ist technisch ein Tresor mit 30 Zentimeter Stahlbeton.
Anstatt zu arbeiten lieber ein entspanntes, bequemes Leben führen, dabei trotzdem auf nichts verzichten müssen. Zeit für viele verschiedene Hobbys haben, gleichzeitig keinen Erfolgsdruck durch die Arbeit ertragen müssen oder wegen zu wenig Freizeit gestresst sein.