Dass Frauen keine kleinen Männer sind, hat Lea Feder früh realisiert. Sie ticken anders, sie trainieren anders, sie leben anders. Der Grund: Sie haben einen Zyklus.
Wenn Frauen aber verstanden hätten, wie ihr Körper funktioniert, könnten sie viel aus sich herausholen, meint Lea Feder. Und sie muss es wissen, denn Feder ist ehemalige Spitzensportlerin. Als Bioinformatikerin und angehende Ärztin hat sie das Start-up "Way to win" gegründet und berät unter anderem Sportlerinnen, wie sie das Beste aus sich herausholen können.
Und zwar, indem sie mit ihrem Körper arbeiten, nicht gegen ihn.
Wie das geht, verrät Lea Feder im Interview mit watson.
watson: Einmal im Monat bekommen Frauen ihre Periode. Trotzdem ist das noch immer ein Tabuthema. Warum wird der weibliche Zyklus im Alltag, aber auch im Training so oft außer Acht gelassen?
Lea Feder: Ich glaube, das hat ganz viel mit Schamgefühlen zu tun, weil die Themen Periode und weiblicher Zyklus oftmals sehr negativ behaftet sind: Mit schlechter Laune, Periodenschmerzen und Blut – das sind ja alles nicht unbedingt Dinge, die man mit etwas Positivem assoziiert.
Wie genau kann der Zyklus das Wohlbefinden der Frauen beeinflussen – und damit auch ihr Training?
Wenn Frauen kurz vor der Periode Stimmungsschwankungen, Leistungseinbrüche oder Verdauungsprobleme haben, ist das meist ein Zeichen dafür, dass etwas aus der Balance gekommen ist. Was aber ganz viele Frauen unterschätzen, ist, wie positiv der Zyklus das Wohlbefinden beeinflussen kann, wenn man ihn erst einmal verstanden hat.
Inwiefern?
Ich bezeichne die unterschiedlichen Zyklusphasen gern als Jahreszeiten. Der Winter startet ab Tag Eins der Periode und beschreibt die Menstruationsphase. Da fühlen wir uns ein bisschen zurückgezogen, haben nicht so viel Motivation rauszugehen. Gleichzeitig würde uns genau das guttun. Das ist viel besser, als sich mit einer Wärmflasche ins Bett zu legen. Eine lockere Trainingseinheit kann extrem positive Effekte haben, weil man durch die Ausschüttung der Glückshormone auch die Krämpfe lösen und die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol senken kann.
Und nach dem Winter folgt der Frühling?
Genau. Das ist auch die Zeit, in der uns alles leicht fällt. Biologisch gesehen begeben wir uns auf Partnersuche. Wir sind sehr kreativ, haben viel Energie und regenerieren extrem gut nach dem Training. Auch bei der Arbeit ist man sehr leistungsfähig. Im Training können wir uns intensiv belasten, wir können den Anteil der Kohlenhydrate in der Ernährung ein bisschen erhöhen und bauen gut Muskeln auf.
Ist der Sommer dann der Höhepunkt, also die Zeit, in der wir uns am besten fühlen?
Das markiert die Zeit rund um den Eisprung. In dieser Zeit fühlt man sich besonders gut, ist leistungsfähig, hat viel Durchsetzungsvermögen und erzielt auch im Wettkampf die besten Ergebnisse. Das hängt mit dem Anstieg des Testosterons zusammen, dem männlichen Sexualhormon.
Das klingt, als würde es danach bergab gehen.
Ich sage immer, dass dann der stürmische Herbst kommt: Viele kennen diese Zeit als Prämenstruelles Syndrom – der Progesteron-Spiegel steigt an. Dabei handelt es sich um das Schwangerschaftshormon, das vom Gelbkörper gebildet wird. Und dieses Hormon sorgt bei uns für Gefühle der Geborgenheit und Sicherheit und wirkt gegen Angst und Panikattacken.
Das heißt, man sollte sich diese Phase zunutze machen und schwierige Projekte in Angriff nehmen?
Dann hat man das Durchhaltevermögen und den Fokus, diese auch fertigzustellen. Und im Training kann man sich auf ruhige, lockere und gut verpflegte Einheiten fokussieren, die dem Körper von außen Stabilität geben: Also Blutzuckerspitzen vermeiden, komplexe Kohlenhydrate und vor allem viele Proteine und Fett essen. Denn in dieser Zyklusphase baut der Körper eher Muskelmasse ab. Wenn man dann nicht ausreichend Proteine isst, verstoffwechselt er sich sozusagen von selbst.
Das heißt, Frauen sollten komplett anders trainieren als Männer?
Jede Frau mit natürlichem Zyklus, die also nicht hormonell verhütet und zum Beispiel die Pille nimmt, ja. Die Pille schwächt die Hormonschwankungen ab und gleicht das System der Frau ein bisschen mehr an die Kontinuität des Mannes an.
Nun verhüten ja ziemlich viele Frauen mit Hormonpräparaten wie der Pille oder der Spirale. Was sollten sie im Training beachten?
Wenn Männer morgens trainieren, bekommen die einen leichten Testosteronanstieg, was dazu führt, dass nicht so viele Stresshormone produziert werden. Bei Frauen ist das anders. Sie können dieses Testosteron nicht so schnell produzieren, wodurch es bei ihnen zu einem Anstieg des Stresshormons Cortisol kommt.
Heißt das, wir Frauen sollten morgens lieber nicht trainieren?
Zumindest nicht nüchtern. Wer morgens trainieren möchte, sollte sich auf jeden Fall während der Trainingseinheit verpflegen – zum Beispiel mit flüssigen Kohlenhydraten, die man einfach als Pulver in die Wasserflasche geben kann.
Eine Banane oder Müsliriegel tun es nicht?
Das kommt auf die Intensität des Trainings an. Bei niedriger Intensität, zum Beispiel beim Radfahren oder Schwimmen, funktioniert das super. Probleme bekommt man nur bei intensiven Trainingseinheiten, oder wo es wie beim Joggen zu Erschütterungen kommt. Durch die Ballaststoffe kann es zu Magen-Darm-Problemen und Durchfall kommen, das ist bei Männern aber genauso.
Viele verbinden mit dem Sport auch das Thema Abnehmen. Steuert man da nicht gegen, wenn man extra Kohlenhydrate futtert?
Das denken lustigerweise die meisten Menschen. Die Krux ist: Wenn der Körper in einen Hungermodus kommt, also einen Energiemangel hat, aber sich bewegen und Sport treiben muss, hat er nicht genügend Reserven. Also Kohlenhydrat-Reserven. Fettreserven haben wir genügend. Aber gerade die Kohlenhydrate sind entscheidend für die Trainingsqualität.
Was passiert, wenn der Kohlenhydratspeicher leer ist?
Der Körper geht in den Energiesparmodus, weil er ohne Kohlenhydrate nicht überleben kann und das vermeiden will. Also arbeitet er auf Sparflamme und investiert weniger Energie in andere Prozesse im Körper, wie zum Beispiel in die Wärme- oder Hormonproduktion – und dazu kommt noch, dass wir weniger Trainingsmotivation haben. Im Extremfall führt das zu schlechteren Ergebnissen bei der Diät durch einen sinkenden Grundumsatz. Wenn der Körper das immer wieder erlebt, ist das für ihn purer Stress. Essen wir dann nach dem Training etwas, nutzt er diese Energie nicht zur Regeneration, sondern speichert sie für den Fall ab, dass er in Stresssituationen kommt, etwa wenn wir wieder hungrig trainieren.
Wie kommt man aus diesem Teufelskreis raus?
Indem man wirklich strikt die Kohlenhydratversorgung im Training sicherstellt, man also vor dem Training etwas isst und sich vor allem auch währenddessen versorgt.
Was passiert, wenn man den Monat über gleichbleibend hart trainiert und seine körperlichen Bedürfnisse von sich schiebt?
Das funktioniert, ist aber anstrengender. Wenn man es komplett übertreibt, falsch und zu viel trainiert und sich dabei nicht gut verpflegt, bekommt man irgendwann Probleme wie ein relatives Energiedefizit. Das kann im Extremfall dazu führen, dass die Periode ausbleibt, Haare ausfallen, die Knochendichte sinkt und der Körper einen generellen Energiemangel hat.
Wenn die Blutung ausbleibt, wirkt das oft erleichternd, weil die Schmerzen ausbleiben. Warum sollte sich diese Haltung verändern?
Weil die Periode ein Anzeichen dafür ist, dass der Körper gesund ist. Und wenn die Periode ausbleibt, zeigt das eher, dass etwas nicht stimmt.