Kann sich ein Toter im Grab umdrehen? Ist es möglich, sich zu zweit in einem Sarg bestatten zu lassen? Und wie sieht es eigentlich in einem Bestattungsinstitut aus? Über den Tod sprechen viele Menschen eigentlich nicht gerne, gleichzeitig ist die Neugierde rund um das Thema groß.
Das ist auch Luis Bauer aufgefallen. Er hat schon mit 15 Jahren angefangen im Bestattungsunternehmen seines Vaters zu arbeiten. Irgendwann entschied er sich dazu, Videos auf Tiktok hochzuladen, in denen er Einblicke in seinen Berufsalltag gibt – und ist damit auf enorme Resonanz gestoßen. Mittlerweile folgen ihm über 1,3 Millionen Menschen auf der Social-Media-App.
Mit watson hat er darüber gesprochen, wie sein Arbeitsalltag wirklich aussieht, welche Frage er auf Tiktok am häufigsten gestellt bekommt und in welchen Situationen er bei seiner Arbeit an seine Grenzen stößt.
Watson: Luis, wie sah heute dein Arbeitstag aus? Warst du als Bestatter unterwegs oder hast du dich um deinen Tiktok-Channel gekümmert?
Luis Bauer: Heute war tatsächlich ein Schreibtischtag, ich saß die meiste Zeit vor dem Computer und habe Videos für eine Kooperation geschnitten. Vorhin hatte ich noch einen Termin mit unserem Sarglieferanten, aber als Bestatter bin ich erst morgen wieder unterwegs.
Und wie kann man sich einen typischen Arbeitstag von dir vorstellen?
Das ist ganz unterschiedlich. Aber wenn ich den Verstorbenen aus dem Krankenhaus, aus dem Altersheim oder von zu Hause abgeholt habe, bringe ich ihn ins Bestattungsinstitut und versorge ihn dort. Das heißt, er kommt auf den Versorgungstisch, wird entkleidet, desinfiziert, gewaschen und tamponiert. Es kommt also in alle Körperöffnungen Watte rein, damit keine Flüssigkeiten mehr austreten können. Und dann ziehe ich die Person eigentlich nur noch an und lege sie in den Sarg.
Wie lange dauert das ungefähr?
Das ist immer abhängig vom Zustand des Körpers, aber im Normalfall dauert es ungefähr 25 Minuten.
In manchen Fällen, zum Beispiel nach Verkehrsunfällen, ist der Körper womöglich nicht so gut erhalten. Wie sehr erschwert das deine Arbeit?
Auch das ist immer abhängig vom Einzelfall. Wenn beispielsweise nur die Füße kaputt sind, dann kümmern wir uns natürlich auch darum. Darauf liegt aber nicht der Hauptfokus, weil unter der Decke im Sarg sieht das sowieso niemand. Wenn auf der anderen Seite das Gesicht betroffen sein sollte, dann versuchen wir das natürlich zu rekonstruieren.
Das dauert dann wahrscheinlich länger als 25 Minuten.
Ja, das kann fünf oder sechs Stunden dauern. Vor Kurzem hatten wir eine Person, die bei einem Unfall ums Leben gekommen ist und da war sehr viel zertrümmert. Da mussten wir zu dritt sechs Stunden an der Rekonstruktion arbeiten.
Dabei siehst du wahrscheinlich Dinge, bei denen andere Menschen ihn Ohnmacht fallen würden. Verspürst du noch so etwas wie Ekel?
Ich habe mir schon eine professionelle Routine angeeignet, aber das heißt nicht, dass ich gar keinen Ekel verspüre. Wenn sich ein Verstorbener zum Beispiel noch einmal entleert und der ganze Raum anfängt zu stinken, dann finde ich das immer noch eklig. Aber man lernt damit umzugehen.
Als Bestatter hast du am Ende aber nicht nur mit Verstorbenen zu tun, sondern auch mit den Angehörigen. Welcher Part einer Arbeit erfüllt dich mehr?
Ich würde sagen, die Mischung macht’s. Auf der einen Seite gibt es das Technische, wo man morgens vielleicht gar nicht weiß, wie man ein deformiertes Gesicht rekonstruieren soll. Aber nach ein paar Stunden hat man es dann doch geschafft und wenn man dann noch Kontakt mit den Angehörigen hat und merkt, wie wichtig es denen war, die Person noch einmal zu sehen, ist das schon toll.
Unter jungen Menschen ist und bleibt der Tod aber kein gängiges Gesprächsthema. Woran liegt das aus deiner Sicht?
Ich denke, das kann man nicht pauschalisieren. Ich habe junge Leute getroffen, die wollten gar nicht über das Thema sprechen. Die haben da fast schon Angst bekommen, weil sie das dann schnell auf sich übertragen und daran denken, dass sie ja auch irgendwann mal sterben werden. Aber umgekehrt gibt es auch Leute aus meiner Generation, die total interessiert sind.
War das dann der Anstoß für dich, deinen Beruf auf Tiktok zu thematisieren?
Ich hatte nicht von Anfang an den Plan, damit auf Tiktok durchzustarten. Ich wusste ja gar nicht, dass das so gut funktioniert. Aber Videos zu machen, war schon immer mein Hobby. Und dann habe ich mich gefragt, was könnte ich den Leuten Sinnvolles mitgeben? Was könnte sie interessieren?
Das Tabu um das Thema aufzubrechen war also gar nicht deine größte Motivation?
Das war mir schon wichtig, weil manche durch die Videos vielleicht merken, dass es gar nicht so schlimm ist, darüber zu reden oder dass es einem selbst helfen kann, wenn man sich damit beschäftigt. Aber ich bin kein Fan davon, mich den Leuten aufzudrängen. Wer es sich anschauen will, der kann die Infos mitnehmen, aber wen es nicht juckt, den juckt es nicht.
Auf Tiktok juckt es über eine Million Menschen. Welche Fragen bekommst du von deinen Follower:innen am häufigsten gestellt?
Das ist schwierig zu sagen, das habe ich noch nie ausgewertet. Was aber sehr häufig gefragt wird, ist, ob ich als Bestatter die Verstorbenen auch schminke.
Und was ist die Antwort darauf?
Mal so, mal so. Wenn das bei einer Dame gewünscht ist, weil sie eh immer Make Up getragen hat, versuchen wir das zu ermöglichen. Aber das passiert eher auf Nachfrage. Etwas anderes ist Schminke speziell für Verstorbene. Da geht es mehr darum, beispielsweise unnatürliche Flecken abzudecken.
Das sind ja eher harmlose Fragen. Aber bekommst du manchmal auch die Sensationsgier auf Tiktok zu spüren?
Ja, es gibt da einzelne, die dann beispielsweise fragen, ob ich mal einen Toten zeigen kann. Aber ich denke, das hat nicht unbedingt was mit Tiktok zu tun. Wenn die Leute auf der Straße einen Sarg sehen, sind sie auch neugierig. Ich schaue einfach, dass ich diese Themen nicht mit Clickbait ausnutze. Auch wenn ich manchmal mit einem catchy Satz einsteige, gibt es am Ende immer sachliche Infos.
Diese sachlichen Infos versuchst du oft mit etwas Humor oder Leichtigkeit aufzulockern. Aber gibt es auch Momente in deinem Job, die dich belasten?
Wenn es jetzt um besonders tragische Schicksalsschläge geht, kann ich damit eigentlich gut umgehen. Aber es ist immer nochmal etwas anderes, wenn man einen Verstorbenen persönlich gekannt hat. Das ist mir einmal mit einem alten Schulfreund passiert. Den hatte ich zu dem Zeitpunkt zwar schon fünf oder sechs Jahre nicht mehr gesehen. Aber es war trotzdem seltsam, weil man in einem Moment noch gemeinsam Pizza auf dem Kindergeburtstag gegessen hat und im nächsten hat man ihn tot vor sich liegen sehen.
Was hat dir in dem Moment geholfen, damit umzugehen?
Einerseits war es schon ein Vorteil, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt schon ewig nicht mehr gesehen hatten und auch nicht befreundet waren. Andererseits hat es mir aber auch geholfen, dass ich mich selbst um ihn kümmern konnte.
Wenn man dann an solchen und vielen anderen Tagen vor Augen geführt bekommt, dass wir alle irgendwann sterben, wie verändert es den Blick aufs Leben?
Ich versuche schon ein bisschen bewusster zu leben. Das heißt nicht, dass ich am Wochenende jetzt auf mein Bier verzichte. Da muss man dann auch aufpassen, dass man nicht zu ängstlich durch die Welt geht. Es ist eher so, dass ich mir dann einmal mehr was gönne, weil ich weiß, dass mein Leben endlich ist. Und das ist auch die Message, die ich in manchen meiner Videos mitgeben will.