Am 18. März ist "Equal Pay Day". Der Symboltag macht auf den Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen aufmerksam. In Deutschland ist die Lohnlücke oder "Gender Pay Gap" zwischen den Geschlechtern weiterhin groß.
Jessica Müller ist Kommunikationsdesignerin bei "Quäntchen und Glück", einer Beratungsfirma, die digitale Geschäftsmodelle für Unternehmen entwickelt. In dem Unternehmen bekommen alle dasselbe Gehalt – unabhängig von Geschlecht und Position. Wir haben mit ihr über dieses Konzept und den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen gesprochen.
watson.de: Jessica, was denkst du, woran es liegt, dass Frauen bei gleicher Tätigkeit immer noch weniger verdienen als Männer?
Jessica: Das hat bestimmt kulturhistorische Gründe. Phänomene wie "Equal Pay" sind jung. Da muss sich noch viel tun. Bis heute fällt es Frauen schwerer, sich gut zu verkaufen. Mir fällt es persönlich auch schwer, über Gehalt zu verhandeln. Ich habe das Gefühl, dass es als Frau schwierig ist, selbstbewusst zu sein, ohne überheblich zu wirken.
Dein Chef bezahlt alle Mitarbeiter gleich. Wie kam die Idee zu dem Einhaltsgehalt?
Vor ungefähr zwei Jahren haben wir uns in einem Meeting zu dem Konzept beraten und uns gemeinsam dafür entschieden, es so zu machen. Ziel war es, dass sich alle gleichwertig fühlen.
Wie wirkt sich das Konzept auf den Arbeitsalltag aus?
Wenn es darum geht, über Gehälter zu sprechen, macht sich das bemerkbar. In dem Moment, in dem ich weiß, es gibt zwischen den Mitarbeitern keinen Unterschied, kann ich über Gehalt viel offener sprechen. Außerdem fühlen sich Mitarbeiter auf niedrigeren Positionen wertgeschätzter. Auch in den Geschlechterrollen und in den Jobrollen nimmt das potenzielle Hierarchien raus und das ist sehr angenehm.
Ist es nicht unfair, wenn eine Führungskraft mit viel Verantwortung genauso viel verdient wie eine Sekretärin?
Fairness ist super relativ. Es kann nie das eine faire Gehalt geben, das für alle übergreifend fair ist. Zum Beispiel verdienen bei uns die Entwickler durch das Einheitsgehalt halb so viel als in anderen Firmen.
Also profitieren davon vor allem die schlecht bezahlten Jobs?
Ja, das kann man so sagen.
Was hält unterbezahlte Entwickler bei euch in der Firma?
Sinnstiftende Arbeit und Nachhaltigkeit. Wir arbeiten nicht mit Kunden, die umweltschädliche Produkte herstellen. Man hat also nicht das Gefühl, man arbeitet für den Teufel. Es sind außerdem auch zwischenmenschliche Dinge. Wir nehmen uns viel Zeit, um uns gegenseitig Feedback zu geben. Wir haben vier Tage die Woche keine Meetings. Dafür setzen wir uns an einem ganzen Tag in der Woche zusammen, um uns weiterzubilden und interne Themen zu besprechen.
Firmen wie deine sind auch heutzutage noch die Ausnahme. Findest du, es sollte viel mehr davon geben?
In Bezug auf die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen definitiv. Aber ich würde nicht sagen, dass jede Firma so sein sollte wie wir. Wichtig ist der Mut zu experimentieren und bestehende Strukturen zu hinterfragen. Je größer das Unternehmen wird, desto schwieriger ist es, sowas zu machen.
Wie finden das die Männer in deiner Firma eigentlich, dass du genauso viel verdienst wie sie?
In unserer Firma ist es für alle kein Problem. Ich denke, dass niemand sich daran stört.
Kannst du dir es vorstellen, wieder in einer Firma zu arbeiten, in der es kein "Equal Pay"-Konzept gibt?
Das kann ich mir vorstellen, wenn die Kultur stimmt. Gehalt ist nicht alles im Job. Solange ich aber das Gefühl habe, es ist eine gerechte Entschädigung für meine Arbeit, ist alles ok. Ich hätte auch kein Problem, über mein Gehalt zu verhandeln.
Und wenn ein Mann auf derselben Position mehr verdienen würde?
Ich würde es ansprechen. Es ist ungerecht und es ist ein gesellschaftliches Problem. Gehaltsvergleich ist aber nicht nur ein Geschlechterproblem. Leute vergleichen sich auch mit gleichgeschlechtlichen Kollegen und beschweren sich da auch, weil sie sich nicht wertgeschätzt fühlen.