Sollen die Schulen in Deutschland am kommenden Montag nun öffnen oder nicht? Und wenn, dann wie? Die Kultusministerkonferenz der Länder sprach sich bereits für einen Stufenplan aus, laut dem zumindest die Grundschüler und Abiturienten schrittweise wieder in den Präsenzunterricht zurückkehren könnten. Für die Abschlussjahrgänge unter Corona sind die Maßnahmen schon jetzt eine Belastung, sie bangen um ihre Noten, insbesondere weil der Unterrichtsstoff aus 2020 kaum mehr aufzuholen ist.
Leon Schwalbe ist 16 Jahre alt und sitzt in der Landesschülervertretung von Thüringen. Er ist dort Sprecher für die Gymnasien und weiß daher, was die Abiturienten momentan beschäftigt.
In einem Bundesland, dass mit aktuell 241,8 einen der höchsten Inzidenzwerte Deutschlands verzeichnet, wechseln sich bei den Schülern Sorge um das Abi mit Sorgen um eine Corona-Infektion ab. Watson sprach mit ihm über den Stufenplan der Kultusminister.
watson: Schulen sollen, wenn überhaupt, nur stufenweise wieder geöffnet werden. Sind das für euch gute Nachrichten?
Leon Schwalbe: Bei den hohen Inzidenzwerten in Thüringen müssen wir sehr vorsichtig bei Schulöffnungen sein. Wir haben bereits nach den Herbstferien im letzten Kalenderjahr stärkere Hygienemaßnahmen und als Konsequenz aus der Nichtbeachtung dieser Forderung und weiter stark steigender Zahlen ab dem 14. Dezember das Einstellen des Präsenzunterrichts gefordert. Somit ist es nur konsequent, wenn wir auch jetzt einer überstürzten Öffnung sehr kritisch gegenüberstehen. Die Gesundheitsrisiken sind wie das Risiko, dass uns schnelle Öffnungen in der Pandemiebekämpfung nur weiter zurückwerfen, einfach zu hoch.
Was wäre denn eure erste Forderung an die Politik?
Die Bildungsministerinnen und -minister müssen endlich Pläne zur Wiederaufnahme des Schulbetriebes mit klaren Zahlen vorlegen. Diese Zahlen können bundesweit gelten und bei einem Abklingen des Infektionsgeschehens regional in den Landkreisen und kreisfreien Städten umgesetzt werden, sodass nicht der nördlichste Kreis Thüringens weiter die Schulen geschlossen haben muss, weil der südlichste Kreis noch eine zu hohe Inzidenz hat. Diese Pläne sind die Ministerinnen und Minister den Schülerinnen und Schülern schuldig, um die sich breit machende Ungewissheit – vor allem um die eigene Prüfung – zu verhindern und die psychischen Belastungen für alle an Schule Beteiligten zu vermindern.
Noch etwas?
Außerdem muss sich damit beschäftigt werden, wie mit den Prüfungen dieses Jahr umgegangen wird. Es müssen definitiv Anpassungen erfolgen, die aber nicht die Vergleichbarkeit der Abschlüsse gefährden dürfen. Ein gemeinsames Vorgehen innerhalb der Kulturministerkonferenz ist daher einmal mehr erforderlich.
Wäre eine stärkere Digitalisierung des Unterrichts eine Lösung?
Die Digitalisierung ist ein wichtiger Bestandteil, um im Distanzunterricht lernen zu können. Wären wir hier schon weiter, würde sicher einiges besser funktionieren. Die Möglichkeiten der Videokonferenzen wird beispielsweise kaum in Thüringen genutzt, weil die Plattform oder Internetverbindungen zu instabil oder die Kenntnisse der Lehrerinnen und Lehrer nicht ausreichend sind. Wir stellen aber fest, dass der Distanzunterricht auch bei guten digitalen Möglichkeiten seine Grenzen hat. Er kann einfach nicht den normalen präsenten Schulunterricht ersetzen. Wir können nicht erwarten, dass jede Schülerin und jeder Schüler einfach so selbstständig arbeiten kann, ohne dass die Schule genügend darauf vorbereitet.
Oberstufenschüler sollen nach aktuellen Plänen der Minister priorisiert wieder in den Präsenzunterricht dürfen, um ihre Abschlüsse nicht zu gefährden. Wie hart trifft der Lockdown die Abiturienten tatsächlich?
Den aktuellen Abschlussjahrgang trifft es deutlich härter als den vorherigen: Im vergangenen Jahr musste ein Lockdown inklusive Schulschließungen verkraftet werden, der zusätzlich in einer Zeit war, in der schon der meiste prüfungsrelevante Stoff vermittelt war. Die jetzigen Abgängerinnen und Abgänger mussten bereits im vergangenen Schuljahr den ersten Lockdown und jetzt im Dezember den zweiten miterleben – beide in Phasen der noch recht intensiven prüfungsvorbereitenden Stoffvermittlung.
Zwar kann man davon ausgehen, dass das selbstständige Lernen bei älteren Schülerinnen und Schülern besser als bei jüngeren funktioniert, allerdings spielen bei Schulschließungen auch noch andere Aspekte mit rein, die das Lernen erschweren: Die ganze Pandemie geht natürlich auch psychisch nicht ohne Folgen an den Schülerinnen und Schülern vorbei, die den sozialen Treffpunkt Schule und auch sonst Freunde und Bekannte, Feiern und viele weitere vormals selbstverständliche Dinge meiden müssen.
Und wie geht es dir selbst damit?
Ich persönlich blicke meinem Abschluss noch etwas gelassener entgegen, da er zum Glück erst nächstes Jahr stattfindet. Bis dahin kann, so zumindest meine Hoffnung, noch einiges von dem aufgeholt werden, was jetzt vielleicht hinten runterfällt. Außerdem hoffe ich, dass viele Menschen dazu bereit sein werden, sich zu impfen, um bald wieder zu einer ansatzweisen Normalität zurückkehren zu können – auch in den Schulen. Ich werde es auf jeden Fall tun, sobald ich darf.