Das kennt jeder: Man sitzt im Café und zufällig entdeckt man jemanden, der einem gefällt. Der oder die andere guckt auch – und schon ist man mittendrin im Flirt.
Doch ist die Mimik der anderen Person oft gar nicht so einfach zu deuten. Hat sie/er wirklich Interesse oder war das nur ein zufälliger Blick? Soll ich rübergehen und mich trauen, sie/ihn anzusprechen oder es lieber lassen?
Der Mimik- und Körpersprache-Experte Dirk Eilert verrät, wie man die Gesichtszüge des Gegenübers richtig einordnen und wie man einen Flirterfolg sogar mathematisch berechnen kann.
Watson: Welche Regeln gibt es, wie man die Signale des Gegenübers deuten sollte?
Dirk Eilert: Beim Flirten sind zwei neuronale Schaltkreise im Gehirn beteiligt: das Belohnungsnetzwerk und das Stressnetzwerk. Ein Blickkontakt mit einer noch unbekannten Person, die wir attraktiv finden, ist der zündende Impuls für das erste, kleine – manchmal auch größere – Feuerwerk unserer Hormone. Je stärker wir uns von einem Menschen angezogen fühlen, desto mehr wird dieses Spektakel angeheizt. Aus dem Wechselspiel der gegensätzlichen Schaltkreise ergeben sich in Flirtsituationen zwei konträre Handlungsimpulse: einerseits die gewünschte Annäherung und andererseits ein aus dem Stress resultierender unbewusster Fluchtimpuls.
Ein Teil von uns sagt also "Wow, ist der/die attraktiv! Geh schon hin!" und ein anderer "Oh Gott, was ist, wenn du einen Korb bekommst?". Genau diese innere Ambivalenz, die für Flirtsituationen charakteristisch ist, zeigt sich im Wechselspiel zwischen Zu- und Abwendung in der typischen Flirtmimik bei Männern und Frauen gleich.
Woran erkennt man, dass der andere Interesse hat?
Dafür habe ich den Flirtquotienten entwickelt. Mit diesem können Sie mit einer Trefferquote von 90 Prozent erkennen, ob Ihr Gegenüber Interesse an Ihnen hat oder nicht: Anziehung = Annäherungssignale – Ablehnungssignale2 geteilt durch Stresssignale.
Das klingt ein wenig kompliziert ...
Sie funktioniert aber: Mithilfe dieser Formel habe ich bereits sieben Mal in Folge die Gewinnerin der RTL-Realityshow "Der Bachelor" richtig vorhergesagt, einmal sogar die drei Finalistinnen in der richtigen Reihenfolge.
In welchen war das?
In der Staffel 2019 hat der Bachelor Andrej Mangold, als er die Kandidatin Jennifer zum ersten Mal sah, folgende Signale an den Tag gelegt: drei Annäherungssignale wie den Dreiecksblick – der Blick "zeichnet" ein Dreieck zwischen Augen und Mund, ein langer beidseitiger Blickkontakt, ein leicht zur Seite geneigter Kopf, kombiniert mit einem Lächeln echter Freude. Er zeigte drei Stresssignale wie nervöses Spielen mit den Fingern, Händereiben, unruhiges Körperschwanken, aber kein einziges Signal der Ablehnung.
Wenn man diese Zahlen in die Formel einsetzt (3:3), lautet das Ergebnis exakt Eins. Je näher das Ergebnis des Flirtquotienten an der Zahl Eins liegt, desto wahrscheinlicher ist, dass Ihr Gegenüber ein romantisches oder sexuelles Interesse an Ihnen hat. Da Andrejs Signale bei Jennifer meiner Analyse nach am stärksten waren, habe ich damals darauf getippt, dass sie gewinnt – und so kam es auch.
Wie kann ich das in einer Flirtsituation anwenden?
Um den Flirtquotienten in der Praxis einzusetzen, stellen Sie sich die folgenden drei Fragen:
Wie viele Annäherungssignale sehen Sie bei Ihrem Gegenüber?
Die wichtigsten Annäherungssignale sind: "lachende" Augen, seitlich geneigter Kopf, vermehrter Blickkontakt, Dreiecksblick, nonverbales Nachahmen, Flirtmimik.
Wie viele Stresssignale beobachten Sie?
Die wichtigsten Stresssignale sind schnelles Blinzeln, Lippen lecken, Beruhigungsgesten, zum Beispiel ein Kratzen im Gesicht, unruhiges Sitzen, vermehrtes Schlucken, zunehmende Sprechfehler wie Wortwiederholungen oder Versprecher.
Gibt es Ablehnungssignale?
Die wichtigsten Ablehnungssignale sind Naserümpfen, ein Hochziehen der Oberlippe (einseitig ist ein Hinweis auf Verachtung), einseitiges Einpressen eines Mundwinkels, umherschweifende Blicke und nonverbales Abwenden beispielsweise des Kopfes.
Warum werden die Ablehnungssignale in der Formel quadriert?
Da aus meiner Erfahrung ein einzelnes Ablehnungssignal deutlich stärker wirkt als ein Annäherungssignal. Es reichen schon sehr wenige Ablehnungssignale, damit das Feuer der Liebe im Keim erstickt oder der Funke gar nicht erst überspringt.
In welchen Phasen läuft Flirten ab?
Die Liebe wächst in fünf Stufen und jeder Flirt folgt diesem Ablauf:
Aufmerksamkeitsphase: In der ersten Phase des Liebeswerbens, der Aufmerksamkeitsphase, geht es erst einmal um Sehen und Gesehenwerden. Wenn der andere Sie gar nicht bemerkt, bleiben Sie in dieser Phase stehen. Wenn aber der erste Blickkontakt hergestellt ist, beginnt die Wahrnehmungsphase.
Wahrnehmungsphase: Sie beobachten, wie Ihr Flirtpartner auf Sie reagiert, nachdem Sie visuell Kontakt aufgenommen haben. Beide tauschen nonverbale Signale aus, die durch ein Wechselspiel zwischen Zu- und Abwendung charakterisiert sind. Ohne den Mut, den ersten Schritt zu machen, wird jedoch meist keine weitere Annäherung stattfinden. Manche Flirt-Paare bleiben Jahre in dieser zweiten Phase "stecken". Sie sehen sich zum Beispiel jeden Tag in der Kantine und wagen es nicht, den nächsten Schritt zu machen. Dieser beginnt, wenn Sie die ersten Worte mit dem anderen wechseln.
Gesprächsphase: Sie sprechen das erste Mal miteinander und sind nun mittendrin. Hier ist wichtig, was gesagt wird, aber vor allem auch, wie. Dies entscheidet darüber, ob Sie und Ihr Gegenüber sich weiter annähern und damit in die nächste Phase des Liebeswerbens gelangen.
Annäherungsphase: Hier kommt es zu ersten Berührungen. Diese finden meist beiläufig und "zufällig" statt, wie eine kurze Berührung am Handrücken. Auch die emotionale Nähe nimmt zu.
Bindungsphase: Die Bindungsphase ist die intimste Phase des Liebeswerbens, in der es in der Regel zum Sex kommt. Sie sind verliebt, vielleicht sogar bereits in einer Partnerschaft. Alles ist rosarot. Hier endet aber das Liebeswerben nicht. Die Frage ist jetzt: Was hält die Partnerschaft auch nach dem Abklingen der ersten romantischen Verliebtheit glücklich und stabil?
Was sind die richtigen Signale, die ich je nach Phase zeigen sollte?
In der Aufmerksamkeitsphase ist es zunächst einmal wichtig, überhaupt gesehen zu werden. Unser Gehirn verarbeitet bevorzugt Bewegung: Wir fallen unserem Schwarm also eher auf, wenn wir auf dem Weg zur Bar sind, als wenn wir herumstehen.
In der Wahrnehmungsphase ist der Blickkontakt entscheidend. Kommt dieser zustande, sollten Sie auf das stärkste und positivste Annäherungssignal der Mimik zurückgreifen: Lächeln.
Sind Sie in der Gesprächsphase, kommt es vor allem auf das Wechselspiel Ihrer Körpersprache an. Nähern Sie sich in Ihrer Körpersprache sanft an die der anderen Person an.
Was kann ich tun, wenn ich zu aufgeregt bin?
Ein wirkungsvoller wie simpler Trick: Atmen Sie ruhig ein und aus, ein Zyklus sollte dabei etwa zehn Sekunden dauern, das Einatmen etwas schneller sein als das Ausatmen, zum Beispiel 4,5 Sekunden ein und 5,5 Sekunden aus.
Heute läuft viel über Datingportale. Gibt es ein optimales Profilbild?
Ein symmetrisch lächelndes Gesicht mit leicht nach links geneigtem Kopf, aus Sicht desjenigen, der den Kopf neigt. Da die Bewegung der Mimik auf einem Foto nicht zu sehen ist, ist das Lächeln entscheidend. Hier gilt: Je breiter und offener der Mund, desto einladender und zugänglicher wirkt das Lächeln. Es sollte aber möglichst authentisch und echt aussehen. Aktivieren Sie dafür am besten innerlich ein Gefühl von Freude, indem Sie zum Beispiel an ein Erlebnis denken, bei dem Sie sich wirklich gefreut haben.