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Duschmobil für obdachlose Frauen: Kölnerin investiert Geld aus Pilawa-Show

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Wer im Winter kein Dach über dem Kopf hat, muss sich warm anziehen. (Symbolbild)Bild: Michael Gstettenbauer / imago images
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Duschmobil-Initiatorin: "Die Gesellschaft hat ein falsches Bild von obdachlosen Menschen"

13.10.2024, 12:52
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Der Traum vieler Menschen ist es, einmal in einer Quizshow zu sitzen und Geld zu gewinnen. Stefanie Galli ist das schon vor gut einem Jahr geglückt. Im Juni 2023 erspielte sie in der Quizshow "Die Pyramide" mit Jörg Pilawa über 10.000 Euro.

Davon hätte man sich leicht einen Traumurlaub, einen netten Gebrauchtwagen oder eine schicke Luxusuhr leisten können. Für Galli stand aber direkt fest: Sie will einen Teil ihres Gewinns an einen guten Zweck spenden.

Nach kurzer Zeit wurde sie auf das Berliner Duschmobil für obdachlose Frauen aufmerksam und war direkt begeistert von der Idee. Schnell war der Kölnerin klar, dass sie ein ähnliches Projekt auch in ihrer Stadt auf die Beine stellen will. Mit dem Show-Gewinn sollte der erste Stein ins Rollen gebracht werden.

Stefanie Galli will in Köln ein Duschmobil für obdachlose Frauen auf die Straße bringen.
Stefanie Galli will in Köln ein Duschmobil für obdachlose Frauen auf die Straße bringen.Bild: privat

Warum sich der Projektstart danach aber immer weiter verzögert hat, was ein Duschmobil überhaupt ist und weshalb sich das in Köln ausschließlich an Frauen richten soll, erklärt Galli im Interview mit watson.

Watson: Seit Ihrem Quizshow-Gewinn ist ungefähr ein Jahr vergangen. Was hat sich seitdem beim Duschmobil-Projekt getan?

Stefanie Galli: Anfangs haben wir ordentlich die Werbetrommel gerührt und ein Spendenkonto eingerichtet. Es gab ganz viele Spendenwillige, aber es war zunächst nicht klar, ob die Stadt Köln das Duschmobil überhaupt bewilligt. Deswegen habe ich die Spendenkampagne erst mal auf Eis gelegt und musste viele Gespräche im Hintergrund führen. Wir wollten unbedingt einen seriösen, fachlich kompetenten Betreiber für das Duschmobil und haben dafür den Sozialdienst katholischer Frauen Köln gefunden.

Um die Stadt Köln zu überzeugen, war vorab allerdings noch eine Evaluation nötig. Dadurch hat sich der Projektstart weiter verzögert.

Ja, Studierende der Technischen Hochschule Köln haben zusammen mit Streetworker:innen erst mal evaluiert, in welchen Stadtteilen sich obdachlose Frauen aufhalten und an welchen Orten in Köln Bedarf für das Duschmobil besteht. Diese Evaluation ist mittlerweile abgeschlossen und der Vorschlag der Hochschule war: Es soll ein zweijähriges Pilot-Projekt geben. Dafür hat uns die Stadt nun offiziell das Go gegeben.

Wann rechnen Sie damit, dass das Duschmobil in Köln an den Start geht?

Ich gehe davon aus, es wird Sommer 2025.

Und wie wird es finanziert?

Die Stadt Köln hat das Pilotprojekt genehmigt, übernimmt aber keine Kosten. Der Sozialdienst katholischer Frauen betreibt schon seit 2019 ein Duschmobil in Berlin und würde das auch in Köln tun, wenn wir die Gelder für die Pilotphase von zwei Jahren zusammenbekommen. Deswegen habe ich gesagt, wir kümmern uns selbst um die Finanzierung.

Wie viele Kosten fallen für das Duschmobil an?

Für Anschaffung und Unterhalt des Duschmobils, Kosten für Getränke, Nahrungsmittel, Decken, Schlafsäcke und natürlich für Personal rechnen wir mit Kosten von etwa 250.000 Euro jährlich.

Bislang haben Sie über eine "Gofundme"-Kampagne rund 10.000 Euro an Spenden eingesammelt. Eine ordentliche Stange Geld fehlt also noch. Wie optimistisch sind Sie, dass sie es trotzdem schaffen, das Geld in naher Zukunft zusammenzubekommen?

Ich bin der festen Überzeugung: Geld ist nicht das Problem. Eine Stiftung hat mir bereits zugesagt, dass sie die innerhalb von drei Monaten eingenommene Spendensumme verdoppeln will. Ich habe Kontakt zu dem Mann, der das Fahrzeug für das Duschmobil in Berlin gespendet hat, außerdem hat mir ein Sanitärbetrieb den Ausbau des Fahrzeugs zugesagt. Es gibt eine unglaubliche Solidarität und Interesse von vielen Privatpersonen, Firmen und Institutionen. Und ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Die Show mit Jörg Pilawa war nicht meine letzte Quizshow!

Das Duschmobil soll sich explizit an obdachlose Frauen richten. Warum ist das der Fall?

Erstmal haben Frauen ein anderes Hygienebedürfnis als Männer. Es geht aber auch um sexuelle Gewalt. Mir haben schon einige obdachlose Frauen erzählt, wie es ist permanent draußen zu sein und wie es sich anfühlt "Freiwild" zu sein – nicht nur für andere obdachlose Männer, sondern auch für "normale" Männer. Das finde ich echt gruselig.

"Ich habe zeitweise bei jeder Dusche darüber nachgedacht, worüber wir teilweise jammern, zum Beispiel wenn das Wasser zu kalt ist. Im Vergleich zu obdachlosen Frauen werden unsere Probleme dann ganz klein."

Das Duschmobil dient also nicht nur zum Duschen, sondern auch als Schutzraum für die Frauen.

Genau, wir wollen den Frauen einen Schutzraum bieten. Es geht aber auch um das Wohlbefinden der Frauen, darum, ihnen eine Auszeit zu gönnen. Sie sollen duschen können, solange sie wollen. Sie kriegen einen Kaffee, können quatschen, wir können ihnen frische Unterwäsche und Klamotten geben. Das Duschmobil soll in dem Sinne ein niedrigschwelliges Angebot sein, um mit den Frauen in Kontakt zu kommen.

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Solche Angebote gibt es zum Teil schon an festen Standorten in Köln. Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass das Duschmobil mobil ist?

Klar, es gibt feste Standorte, an denen man als obdachlose Frau duschen kann. Aber da muss man erst mal hinkommen, das dauert nicht nur lange, sondern man muss seinen ganzen Hausstand mitschleppen. Es gibt aber auch Frauen, die sie einfach nicht in Anspruch nehmen wollen, weil sie sich dort vielleicht nicht sicher fühlen oder Hemmnisse haben. Und genau diese Frauen können wir mit dem Duschmobil erreichen.

Sie waren 20 Jahre lang als Polizeibeamtin in der Kölner Innenstadt im Einsatz. Welche Erfahrungen haben Sie persönlich mit obdachlosen Menschen gemacht?

Ich bin als junge Polizeibeamtin nach Köln gekommen und kann mich daran erinnern, dass ich anfangs um sieben Uhr morgens Fußstreife machen musste, und jedes Mal an einem Heim für obdachlose Männer vorbeigekommen bin. Zuerst bin ich nur auf der anderen Straßenseite gelaufen, später habe ich mich rüber gewagt und bin mit den Menschen dort ins Gespräch gekommen. So habe ich viel über deren Geschichten erfahren. Irgendwann bin ich dann sogar auf ein Bier um sieben Uhr eingeladen worden. Aber die entscheidende Erkenntnis war für mich: Das sind Menschen wie du und ich.

Was heißt das?

Ich glaube, die Gesellschaft hat ein falsches Bild von obdachlosen Menschen. Viele denken, das könnte ihnen nicht passieren, aber das stimmt ganz und gar nicht. Ich habe über die Jahre mit Professoren gesprochen, mit Selbstständigen, mit Lkw-Fahrern. Es kann jeden treffen. Da muss es nur einen Schicksalsschlag geben, den man nicht gut verdaut hat, und dann fängt es beispielsweise an, mit zu viel Alkohol, dann geht man nicht mehr zur Arbeit und dann ist auch ziemlich schnell die Wohnung weg.

Und das betrifft immer mehr Menschen. Die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland steigt.

Absolut, ich habe erst kürzlich eine 70-Jährige auf den Kölner Ringen gesehen, die nachts um drei Uhr Flaschen gesammelt hat. Und da fällt der Vergleich zu meiner eigenen Mutter nicht schwer. Da habe ich gedacht, das möchte ich nicht. Ich möchte nicht, dass meine Mutter mitten in der Nacht auf einer Partymeile Flaschen sammeln muss.

Inwiefern könnte das Duschmobil dem Trend etwas entgegensetzen und Frauen dabei helfen, von der Straße zu kommen?

Ich glaube, der erste Schritt muss sein, alle zu erreichen. Und dazu kann das Duschmobil einen Beitrag leisten. Damit zeigen wir, dass wir da sind, die Frauen können kommen und müssen dafür nicht mit ihrem Gepäck kreuz und quer durch Köln fahren. Für mich sind das Menschen, die haben kein Gesicht und keine Stimme in unserer Gesellschaft. Genau das habe ich aber und will es nutzen.

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