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Klima & Umwelt
Asperger-Autisten gelten oft als besonders begabte Wunderkinder – so wie Greta Thunberg. Doch viele haben eine falsche Vorstellung davon. Genau genommen gibt es Asperger-Autismus nicht einmal.
Vanessa Köneke, dpa
Als Greta Thunberg auf dem UN-Klimagipfel in New York
eine Wutrede hielt, waren manche Zuschauer überrascht. Ist Greta
nicht Autistin? Und haben die überhaupt Gefühle? Bei Twitter
beschreibt sich Thunberg selbst als "16-jährige Klima- und
Umweltaktivistin mit Asperger". Tatsächlich wirkte sie zuvor fast
immer rational kühl.
Für Millionen Menschen ist die Schwedin zu einem Vorbild geworden.
Für andere zu einer Hassfigur. Gegner beleidigen sie auch wegen ihrem
Autismus. Greta sei ein Roboter, gehöre in die Psychiatrie,
projiziere ihre Probleme auf den Klimawandel.
Zwischen "Wunderkind" und "krankhaft"
Das öffentliche Bild von Greta schwankt zwischen "Wunderkind" und
"krankhaft". Um Autismus und das Asperger-Syndrom ranken sich einige
Mythen. In manchen Aspekten sind sich sogar Wissenschaftler noch
nicht einig.
Autismus bedeutet laut den diagnostischen Kriterien zum einen, dass
Betroffene in sozialen und kommunikativen Fähigkeiten eingeschränkt
sind. Ihnen fällt es beispielsweise schwer, Gesichtsausdrücke zu
deuten oder Ironie zu verstehen. Greta Thunberg nennt bei Facebook
ihre mangelnden Fähigkeiten im "Socializing" als entscheidenden Grund
dafür, anfangs alleine protestieren gegangen zu sein. "Wenn ich
"normal" und gesellig gewesen wäre, hätte ich mich einer Organisation
angeschlossen oder selbst eine gestartet."
"Dass autistische Menschen keine Empathie haben, ist nicht der Fall"
Das zweite entscheidende Merkmal für Autismus ist, dass Betroffene zu
Monotonie neigen. Sie haben etwa den Wunsch nach Ritualen, den immer
gleichen Speisen oder Themen. Meist leiden sie auch unter starken
Sinneseindrücken: Licht und Geräusche erscheinen ihnen extrem hell
beziehungsweise laut.
Autisten wird nachgesagt, sich nicht in andere Menschen hineinfühlen
zu können. "Dass autistische Menschen keine Empathie haben, ist nicht
der Fall", widerspricht der Autismusforscher Simon Baron-Cohen von
der Universität Cambridge. Viele hätten zwar Schwierigkeiten, sich
gedanklich in Mitmenschen hineinzuversetzen. Aber Empathie habe –
neben diesem kognitiven – auch einen affektiven Teil, das heißt eine
emotionale Reaktion auf andere Menschen.

Dustin Hoffman (l.) und Tom Cruise im Film "Rain Man".Bild: imago/ZUMA Press
Während Autisten in sozialen Bereichen meist Probleme haben, gelten
sie in anderen manchmal als wahre Genies. Speziell Asperger-Autisten
werden häufig als hochintelligent porträtiert. Etwa im Film "Rain Man",
in dem Dustin Hoffman einen Autisten spielt, dessen enorm gutes
Gedächtnis sich beim Kartenspiel auszahlt.
Autisten sind nicht immer hochbegabt
Manche Unternehmen beschäftigen sogar speziell Autisten, weil sie als
besonders detailorientiert gelten. Das kann etwa bei Fehleranalysen
im IT-Bereich hilfreich sein. "Autistische Talente können in allen
Bereichen auftauchen, in denen Muster analysiert werden können", so
Baron-Cohen. Also zum Beispiel auch in der Musik.
Doch Menschen mit Autismus sind längst nicht immer hochbegabt – auch
nicht alle Asperger-Autisten. Außergewöhnliches Können ist meist eine
Savant-Fähigkeit, das heißt eine Inselfähigkeit, die sich nur auf
einen Bereich auswirkt. Und nur wenige Autisten sind Savants.
Die Intelligenz kann sehr unterschiedlich sein. Ärzte und Psychologen
unterschieden lange verschiedene Autismus-Varianten anhand des
Intelligenzgrades. Menschen mit Asperger oder sogenanntem
hochfunktionierendem Autismus haben eine höhere Intelligenz als
Menschen mit "klassischem" Autismus, dem Kanner-Autismus. Leo Kanner
hatte das Autismus-Krankheitsbild 1943 erstmals beschrieben. Ein Jahr
später veröffentlichte Hans Asperger seine Habilitation, die der
anderen Autismusvariante einen Namen gab. Doch höhere Intelligenz
bedeutet nicht gleich hochbegabt.
Inzwischen ist sogar umstritten, ob es das Asperger-Syndrom überhaupt
gibt. Im aktuellen Diagnostikkatalog, nach dem Psychiater
Erkrankungen einteilen, taucht das Syndrom nicht mehr auf. In dem
sogenannten DSM V (der fünften Ausgabe des Diagnostic and Statistical
Manual of Mental Disorders) wurden 2013 die bisher getrennten
Krankheitsbilder zur sogenannten Autismusspektrumsstörung
zusammengefasst. Seitdem gilt Autismus als ein Kontinuum.
Manche sehen Autismus als Behinderung, andere sprechen von Neurodiversität
Die Geschichte des Asperger-Syndroms wäre damit kurz: Erst 1980 war
es in den Diagnosekatalog aufgenommen worden. Doch die Diskussionen
dauern an. Wissenschaftler untersuchen weiter, ob Unterschiede
zwischen Autisten nur Nuancen sind oder auf separate Krankheiten
hinweisen. Autismus-Experte Simon Baron-Cohen rät, einen Oberbegriff
mit Subtypen zu haben – wie bei Diabetes Typ-1 und Typ-2. So ließe
sich unter anderem besser verstehen, welche Hilfsangebote wem helfen.
Auch Betroffene sind sich nicht einig. Manche sehen Autismus als
Behinderung. Andere sprechen sich unter dem Stichwort Neurodiversität
dafür aus, dass sie nur eine andere Art der Wahrnehmung hätten. Wo
Autismus anfängt, ist in der Tat unklar. Nach den neuen
Diagnose-Kriterien würden viele Asperger-Autisten gar nicht mehr als
Autisten gelten – laut einer Meta-Analyse träfe das auf jeden Vierten
zu.

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Für viele Autisten ist die Diagnose Teil ihrer Identität. Auch Greta
Thunberg schrieb bei Twitter: "Ich habe Asperger und das bedeutet,
dass ich manchmal ein bisschen anders als die Norm bin. Und – unter
den richtigen Umständen – kann Anderssein eine Superkraft sein."
Ob Autismus Fluch oder Segen ist, dürfte noch länger umstritten
bleiben. Der Begriff Asperger-Autismus ist aber aus einem anderen
Grund in Ungnade gefallen: Hans Asperger (1906-1980) soll am
Euthanasie-Programm der Nazis beteiligt gewesen sein. Wissenschaftler
raten schon länger, Erkrankungen nicht nach Personen zu benennen.
Fruchtgummis, Apfelringe, Lakritz, Cola-Fläschchen, Gummifrösche, saure Würmer, Schnüre und Schlangen – wer eine Schwäche für Gummibärchen hat, kann sich hierzulande kaum über ein mangelndes Angebot beschweren. Die unterschiedlichen Sorten füllen teils riesige Verkaufsregale und eine Packung Gummibärchen ist schnell gekauft, egal ob im Supermarkt, im Kiosk oder an einem Automaten.