So reagiert eigentlich jeder, der Jessica Halsem-Bantoft nach ihrem Liebesleben fragt. Denn die Britin ist schon zum zweiten Mal Witwe – und dabei noch nicht einmal 30 Jahre alt. "Die Leute reagieren immer geschockt und sagen dann, ich sähe zu jung aus, um Witwe zu sein", erzählt sie watson.de. Doch der Tod kommt eben manchmal unerwartet früh und schlägt durchaus auch zweimal zu.
Bei Jessica war es zuerst der Vater ihrer drei Kinder, der 2014 tödlich verunglückte. Danach verliebte sie sich in einen Mann, der 2018 an Krebs starb. Diesmal konnte sie zumindest bei ihm sein, als er ging. "Es war trotzdem nicht leichter. Beide Abschiede waren fürchterlich", sagt sie.
Ihren ersten Mann Jason kannte Jessica schon seit ihrer Kindheit. Aus Freundschaft wurde Liebe und 2010 war sie zum ersten Mal von ihm schwanger.
Das Paar aus Lancashire heiratet 2013. Jason arbeitet als Elektriker, Jessica kümmert sich um die – inzwischen zwei – Söhne Toby und George (heute 8 und 5). Ein drittes Kind ist im Anmarsch, als es am 28. August abends um 9 Uhr an der Tür klingelt. Zwei Polizisten teilen Jessica mit, dass Jason einen tödlichen Stromschlag auf der Arbeit erlitten hat. Mit gerade einmal 24 Jahren kommt er ums Leben.
",Kann nicht sein', das war mein erster Gedanke", erinnert sich Jessica an diesen Moment. "Ich war schwanger, wie konnte das passieren?! Und wie sollte ich das unseren Söhnen erklären? Ich war komplett ratlos."
Schwanger, zwei Kleinkinder und dann auch noch plötzlich Witwe – Jessica ist 25 Jahre alt und überfordert. Sie trauert, muss sich aber auch um die Söhne kümmern. Noch dazu vermisst sie ihren Mann. "Besonders schlimm war es während der Schwangerschaft, der Geburt und im Wochenbett mit Barnaby. Es fühlte sich so ungerecht an, dass Jason seinen jüngsten Sohn nicht treffen durfte. Er war ein fantastischer Vater und er wäre so toll mit ihm gewesen", sagt sie.
Sie sucht sich ein Netzwerk an Witwen, um über ihre Trauer zu sprechen. Denn wie sie feststellt, kann nicht jeder mit ihrer Geschichte umgehen: "Die Leute reagieren ziemlich seltsam auf mich! Da niemand weiß, was er sagen soll, tendieren die Menschen dazu, das Thema Tod lieber total zu umgehen."
Nicht so Tom. Der Mann, dem sie zwei Jahre später begegnet, als er ihren Garten aufmotzen soll. Er ist der erste Mann, der Jessica wieder zum Lachen bringt und er ist der erste, dessen Einladung zu einem Date sie annimmt.
Dass er jahrelang an mehreren Lymphomen litt, erzählt Tom ihr gleich bei der ersten Verabredung im Pub. Krebs also. "Ich hatte Panik. Wie doll es weh tat, Jason zu verlieren, wusste ich ja schon und ich hatte das Gefühl, ich könne diesen Schmerz nicht noch einmal durchmachen", sagt sie. Jessica ist besorgt, lässt sich aber darauf ein. "Damals gab es ja gute Heilchancen." Es hieß, dass der Krebs zurückkäme, sei absolut unwahrscheinlich: Maximal 5 Prozent.
Das Paar genießt seine Liebe. Tom kommt super mit den Jungs seines Vorgängers klar, ohne dabei übergriffig zu sein. "Er war brilliant mit ihnen", sagt Jessica. Doch dann sind die Tumore doch wieder da. Und diesmal sind sie tödlich.
Jessica hat das verzweifeln schon lange aufgegeben. So gut sie kann, steht sie Tom bei, heiratet ihn am Klinikbett in einem Latzhosenkleidchen. Innerhalb weniger Tage verschlechtert sich der Zustand ihrer zweiten großen Liebe dramatisch, am 8. Januar 2018 stirbt Tom. Seine Hand in ihrer. "Er hat sogar noch während der Krebsbehandlung gescherzt, konnte jedem Lebensmoment Komik abgewinnen", sagt Jessica. "Am meisten vermisse ich tatsächlich Toms Witze."
Zwei große Lieben gefunden. Zwei große Lieben verloren. Ist das nun Pech oder Glück? Letzteres, findet Jessica. Sie hatte zu viele Momente voller Liebe, als dass sie sich selbst bemitleiden könnte.
Für Tom nimmt sie sich alle Trauerzeit, die sie braucht, setzt sich selbst kein Limit, "weil ich schon beim ersten Mal gelernt hatte, dass das Unsinn ist." Ihre Familie hilft der nun wieder Alleinerziehenden im Alltag sehr. Ihr Vater spielt das Taxi für ihre Jungs und nimmt ihr das Trio auch eine Nacht die Woche ab, damit Jessica mal ausschlafen kann. Zwei Männer wurden ihr zwar genommen, doch drei Jungs wurden ihr geschenkt. Auch so könnte man es sehen.
Im Gegensatz zu vielen Erwachsenen haben die Brüder keine Berühungsangst mit dem Tod. "Die wollten alles wissen", sagt Jessica."Meine zuerst ausweichenden Antworten machten sie nur neugieriger. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass ich ihnen echte Antworten geben sollte. Dabei ging es zum Beispiel um die Frage, was mit dem Körper passiert, wenn er stirbt oder wie ein Krematorium funktioniert. Ich habe ihnen die Fakten gegeben – kindsgerecht natürlich."
Die kleine Familie rappelt sich langsam wieder auf. Jessica wünscht sich eigentlich nur noch, dass ihr Leben mal etwas ruhiger wird, ihre Jungs sorglos aufwachsen und sich nicht alleine fühlen.
Sie selbst hat eine Methode gefunden, sich dieses Gefühl zu bewahren: Das Hochzeitsarmband von Tom und der Ehering von Jason hängen heute nebeneinander über ihrem Bett.